Big Ideas. Das Feminismus-Buch. Ann Kramer
Vielleicht ist die vierte Welle online
Der Feminismus braucht die Sexarbeiterinnen – und umgekehrt
Unterstützung für Sexarbeiterinnen
Meine Kleidung bedeutet nicht mein Einverständnis
Schluss mit der Opferschuldzuweisung
Feminität ist zur Marke geworden
Antikapitalistischer Feminismus
Wir sollten alle Feminist*innen sein
Es geht nicht um »Männer gegen Frauen«
Wir können nicht alle Erfolg haben, wenn die Hälfte von uns ausgebremst wird
Keine weiblichen Führer, nur Führer
Verweise auf ein Problem und du wirst zum Problem
Die feministische Spielverderberin
Frauen sind eine Gemeinschaft und diese Gemeinschaft ist nicht sicher
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Überlebende sind schuldig bis zum Beweis des Gegenteils
Gegen sexuelle Gewalt auf dem Campus
Sexuellen Missbrauch anprangern
VORWORT
Frisch von der Universität bewarb ich mich für eine Stelle. Während des Vorstellungsgesprächs blickte der Ältere meiner beiden Gesprächspartner auf meinen Lebenslauf und fragte, als er sah, dass ich für die Studentenzeitung über Frauenfragen geschrieben hatte: »Sind Sie Feministin?« Offensichtlich dachte er an Frauen in Latzhosen, die mit Plakaten auf den Straßen protestierten – aber ich wollte einen Job, also antwortete ich vorsichtig: »Nun, ich entspreche meiner Vorstellung von einer Feministin. Vermutlich nicht Ihrer.« Angesichts meiner Diplomatie nickte er anerkennend, griff das Thema aber ständig wieder auf – obwohl sein jüngerer Kollege versuchte einzugreifen. Bis ich, außer mir, rief: »Mein Gott! Ich habe mir für dieses Gespräch die Beine rasiert, wenn Sie das beruhigt!« Der junge Kollege erstarrte, der ältere aber lachte. Ich bekam die Stelle.
Damit möchte ich sagen: Feminismus ist eine komplizierte Sache. Unwissenheit gibt es zuhauf, ebenso Stereotype, Feindseligkeit und einfach Verwirrung. Die einzig mögliche Reaktion darauf ist zu informieren, um die Leere, in der sich Ängste, Zweifel und Vorurteile breit machen, mit Fakten zu füllen. Alles, vom Mastodon bis zu globalen gesellschaftspolitischen Bewegungen, ist viel weniger beunruhigend, wenn es aus dem Dunkel heraustritt und man sieht, womit man es zu tun hat. Dieses Buch beleuchtet den Feminismus von allen Seiten und beseitigt die Unwissenheit Stück für Stück.
Und es erfüllt noch eine zweite wichtige Funktion: Es soll insbesondere Frauen ein Gefühl für ihren Platz in der Geschichte geben, die bekanntlich von den Siegern geschrieben wird. Weibliche Aktivistinnen und ihre Errungenschaften wurden schon immer zu wenig zelebriert, verbreitet und anerkannt. Das macht es schwieriger, auf dem Vorhergehenden aufzubauen. Das Rad muss neu erfunden werden, was auch dann anstrengend ist, wenn man nicht gleichzeitig die nächste Generation zur Welt bringen und aufziehen muss.
Kaum jemand lernt in der Schule etwas über den Feminismus. Ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern fällt meist an kleinen Dingen auf. Bei mir waren es oft kleine Erkenntnisse, die mich empörten und sich wie Kletten in mein Gehirn hakten. So erfuhr ich mit zehn Jahren, dass der jüngere Bruder meiner Freundin mehr Taschengeld bekam als sie. Warum? Weil er ein Junge war. Diese Ungerechtigkeit spürte ich fast als körperlichen Schmerz. Einige Jahre später las ich im Magazin Just Seventeen, dass Claudia Schiffer, das erfolgreichste Supermodel der 1980er-Jahre, unter ihrem »ungleichmäßigen Haaransatz« litt. Irgendwo tief in mir erkannte ich, dass einer Welt, in der sich eine junge Frau so fühlte, wenig am Wohlbefinden der Frauen liegen konnte. Mit den Jahren kommen große und kleine Erkenntnisse hinzu, bis die Begünstigung der Männer so offensichtlich ist, dass sie sich nicht mehr ignorieren lässt. Dann fangen wir an, nach Antworten zu suchen. Was bedeutet: entweder Elektrolyse oder Feminismus.
Was aber ist Feminismus? Kann man gleich sein und verschieden? Das Patriarchat ablehnen und Männer mögen? Soll man gegen jede Kleinigkeit kämpfen oder sich auf die großen Dinge konzentrieren?