Big Ideas. Das Feminismus-Buch. Ann Kramer
In England wird die Blaustrumpf-gesellschaft ins Leben gerufen – eine informelle Gruppe für gebildete Frauen und eingeladene Männer, die sich zu Diskussionen traf.
1765
Die Daughters of Liberty schließen sich in den USA zusammen, um gegen Einfuhrzölle zu protestieren und die Unabhängigkeit Amerikas von Großbritannien zu unterstützen.
1790
Die amerikanische Frauenrechtlerin Judith Sargent Murray behauptet in ihrem Aufsatz »On the Equality of the Sexes«, dass Frauen ebenso intelligent sind wie Männer.
1791
In ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin fordert die französische politische Aktivistin Olympe de Gouges für Frauen dieselben Bürgerrechte, wie sie für Männer gelten.
1792
Die englische Schriftstellerin Mary Wollstonecraft fordert in Die Verteidigung der Frauenrechte das Recht der Frauen auf Bildung.
1830
Im heutigen Norden von Nigeria bildet Nana Asma’u eine Gruppe Frauen, Jajis genannt, dazu aus, durch das Kalifat Sokoto zu reisen und andere Frauen zu unterrichten.
1832
In Frankreich wird Suzanne Voilquin Herausgeberin der ersten bekannten feministischen Zeitschrift für Arbeiterinnen, Tribune des femmes.
Das Wort »Feminismus« wurde erst um 1890 geläufig, doch schon lange vorher vertraten einzelne Frauen feministische Ansichten. Anfang des 18. Jahrhunderts begannen Frauen in verschiedenen Teilen der Welt zu hinterfragen, ob ihr benachteiligter Status natürlich und unvermeidlich war. In Schriften und Diskussionen formulierten sie einzeln und in Gruppen ihren Widerstand gegen ihre untergeordnete Rolle und forderten mehr Rechte und Ebenbürtigkeit mit den Männern.
Von Schwäche zu Stärke
Anfang des 18. Jahrhunderts galten Frauen als von Natur aus den Männern unterlegen–intellektuell, sozial und kulturell. Dies war ein tiefer, seit Langem gefestigter Glaube, untermauert durch die christliche Lehre, die Frauen als das »schwächere Gefäß« ansah. Frauen waren der Kontrolle ihres Vaters und später ihres Ehemanns unterworfen.
Mit Fortschreiten des Jahrhunderts wirkten sich soziale und technische Veränderungen tief greifend auf das Leben der Frau aus. Das Erstarken von Handel und Industrie schuf eine blühende, strebsame Mittelschicht, in der die gesellschaftlichen Rollen der Geschlechter scharf definiert waren. Die öffentliche Sphäre von Arbeit und Politik war den Männern vorbehalten, während für Frauen die private Sphäre bestimmt war, eine Trennung, die sich zunehmend verfestigte.
Die Technisierung veränderte auch die Druckindustrie und brachte eine Flut von Zeitschriften, Pamphleten, Romanen und Dichtung hervor, die Informationen und neue Ideen verbreiteten. Diese wurden von privilegierten gebildeten Frauen aufgesogen. Einige von ihnen wandten sich, den gesellschaftlichen Einschränkungen zum Trotz, dem Schreiben zu und verbreiteten mit dem gedruckten Wort feministische Ansichten.
Einige der frühesten feministischen Schriften kamen Mitte des 18. Jahrhunderts aus Schweden. Eine relativ liberale Einstellung zu den Rechten der Frau bot Intellektuellen wie der Verlegerin und Journalistin Margareta Momma oder der Dichterin Hedvig Nordenflycht die Chance, feministische Themen in Druckwerken zu verbreiten.
In Großbritannien erschienen feministische Theorien ab Beginn des 18. Jahrhunderts, vor allem die Werke Mary Astells. Sie argumentierte, dass Gott Frauen ebenso viel Vernunft geschenkt hatte wie Männern, und behauptete mutig, die untergeordnete Rolle der Frau sei weder gottgegeben noch unvermeidlich.
Um 1750 trafen sich gebildete Frauen in Deutschland und anderen Ländern Europas in literarischen »Salons«, wo sie Literatur diskutierten und Ideen austauschten. Die Salons erschlossen weiblichen Erfahrungen einen Raum und förderten Schriftstellerinnen und Denkerinnen.
Neue Ideen und Revolution
Zwei intellektuelle, kulturelle und politische Entwicklungen in Europa und Amerika rüttelten im 18. Jahrhundert den Feminismus wach: die Aufklärung und die Revolutionen in Amerika und Frankreich. Philosophen der Aufklärung wie die Franzosen Jean-Jacques Rousseau und Denis Diderot stellten die gesellschaftliche Tyrannei durch die ererbten Privilegien von Königen, Adel und Kirchen infrage. Sie fochten für Freiheit, Gleichheit und die »Menschenrechte« – bei Rousseau schloss dies die Frauen jedoch aus.
In den Revolutionen, die Amerika 1783 seine Unabhängigkeit von Großbritannien verschafften und Frankreich von 1789 an erschütterten, spielten Frauen eine aktive Rolle. Inmitten der kollektiven Rufe nach Freiheit und Bürgerrechten begannen auch sie, Rechte zu fordern. In Amerika ermahnte die Frau des zweiten Präsidenten Abigail Adams die Gründungsväter, »die Damen nicht zu vergessen«, die die Revolution unterstützt hatten, und in Frankreich forderte die Theaterautorin und Aktivistin Olympe de Gouges in ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin gleiche Rechte für Frauen und Männer. Unter dem Eindruck der Französischen Revolution veröffentlichte die englische Schriftstellerin Mary Wollstonecraft Die Verteidigung der Frauenrechte, einen Meilenstein der feministischen Literatur, der die häusliche Tyrannei als größtes Hindernis zu weiblicher Unabhängigkeit benannte und den Zugang zu Bildung und Arbeit forderte.
Viele prominente Frauenrechtlerinnen entstammten den privilegierten Klassen. Ab 1800 wurden in Großbritannien und den USA auch Arbeiterinnen politisch aktiv, oft mit den neuen Arbeiterbewegungen. Auch in Teilen der islamischen Welt kamen feministische Ansichten auf. Diese Stimmen wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts noch lauter.
MÄNNER WERDEN FREI GEBOREN, FRAUEN ALS SKLAVEN
FRÜHER FEMINISMUS IN GROSSBRITANNIEN
IM KONTEXT
ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT
Mary Astell, 1706
SCHLÜSSELFIGUR
Mary Astell
FRÜHER
1405 In Das Buch von der Stadt der Frauen errichtet die Französin Christine de Pizan eine symbolische Stadt aus Heroinnen der Geschichte, die die Bedeutung der Frau zeigt.
1589 Die Engländerin Jane Anger verteidigt Frauen und kritisiert Männer in ihrem Pamphlet Jane Anger: her Protection for Women.
SPÄTER
1792 Mary Wollstonecrafts Die Verteidigung der Frauenrechte ruft die Frauen auf, von Männern unabhängig zu werden.
1843 Die schottische Feministin Marion Reid kritisiert in A Plea for Women, dass die Verhaltensnormen der Frau ihre Möglichkeiten einschränken.
Fast 200 Jahre, bevor »Feminismus« ein Konzept wurde, begannen einzelne Frauen die geltende Ansicht, das weibliche Geschlecht sei minderwertig, herauszufordern. Eine der bedeutendsten Stimmen in England war die von Mary Astell. In ihren Schriften äußerte sie, dass Frauen klarer und kritischer Gedanken genauso fähig seien wie Männer. Ihre scheinbare Unterlegenheit sei Folge der männlichen Kontrolle und des begrenzten Zugangs zu Bildung.
Das schwächere Gefäß?
Das 17. Jahrhundert war politisch