Big Ideas. Das Feminismus-Buch. Ann Kramer

Big Ideas. Das Feminismus-Buch - Ann  Kramer


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hatte ihren eigenen Stil. Die Treffen bei Elizabeth Vesey verliefen besonders informell. Stühle waren über den Raum verteilt, um kleine Diskussionsgruppen anzuregen. Elizabeth Montagu ordnete ihre Stühle im Halbkreis an, sie selbst saß in der Mitte. Eine weitere Gastgeberin, Frances Boscawen, hielt Salons in ihrem Landhaus Hatchlands Park in Surrey sowie in ihrem Londoner Haus in der Audley Street ab.

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      Mary, Herzogin von Gloucester (Mitte), prominente Fürsprecherin der Blaustrümpfe, stellt der feinen Gesellschaft die Dichterin und Theaterautorin Hannah More vor.

       Literarischer Ehrgeiz

      Die Blaustrümpfe förderten die Bildung für Frauen sowie Frauen, die bestrebt waren, ihr Leben durch Schreiben zu bestreiten, wie Fanny Burney, Anna Laetitia Barbauld, Hannah More und Sarah Scott (Elizabeth Montagus Schwester). Diese forderten traditionelle Vorstellungen von der Frau und ihren intellektuellen Fähigkeiten heraus, indem sie Kommentare zu klassischer Literatur verfassten sowie selbst Gedichte, Dramen und Romane schrieben.

      Elizabeth Montagu reiste nach Paris, um Shakespeare gegen Angriffe des Schriftstellers und Philosophen Voltaire zu verteidigen. Ihr An Essay on the Writings and Genius of Shakespeare, erschien zuerst anonym, wurde von Kritikern gut aufgenommen und beschädigte Voltaires Ruf, als das Buch ins Französische übersetzt wurde. Über das Blaustrumpf-Mitglied Elizabeth Carter sagte Samuel Johnson, er kenne niemanden, der im klassischen Griechisch besser bewandert sei als sie. Mit der Zeit gelang es einigen Blaustrumpf-Mitgliedern, die nicht finanziell unabhängig waren, von ihrer Arbeit sogar zu leben.

      Statt als Bedrohung für die etablierte männliche Vorherrschaft zu gelten, wurden die Blaustrümpfe als Bastion der Tugend und des Intellekts gepriesen. 1778 porträtierte der Maler Richard Samuel neun herausragende Mitglieder als die klassischen neun Musen und Symbole nationalen Stolzes. Doch hinter der Aura der Gelehrigkeit und Eleganz stand der Wunsch der Frauen nach einem Platz in der Öffentlichkeit. Daher hatte sich Elizabeth Montagu schon lange für die schottische Aufklärung interessiert, die für eine prominentere Rolle der Frauen eintrat.

      »Our intellectual ore must shine, Not slumber idly in the mine. Let education’s moral mint The noblest images imprint.«

      Hannah More »Basbleu« (»Blaustrumpf«)

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      Frauen der Oberschicht, darunter die Herzogin von Devonshire, demonstrieren 1784 zur Unterstützung des radikalen Politikers Charles James Fox. Um diese Zeit erhoben die Frauen ihre Stimmen.

       Männer herausfordern

      Frauen bewiesen dort, wo es vielleicht am wichtigsten war – im Bereich der Ideen und der Intelligenz – dass sie Männern ebenbürtig waren. Als sie mehr Macht gewannen und manche literarisch Erfolg hatten, eigneten sich die Blaustrümpfe kollektives Denken und eine öffentliche Stimme an. 50 Jahre nach den ersten Blaustrumpf-Treffen hatten sich die gebildeten Frauen, die für gesellschaftliche Stabilität und Zusammenhalt standen, in Rebellinnen und Radikale gewandelt, die in der Ära der Revolutionen ans Licht traten. image

      »Es ist von den Männern sehr unvorsichtig es zu wagen, jene, denen sie ihre Ehre, ihr Glück und ihr Vermögen anvertrauen, zum Narren zu halten.«

      Elizabeth Montagu Brief an die Herzogin von Portland, 26. Juli 1763

       Der Salon

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      Man trinkt englischen Tee im Salon des Quatre Glaces im Pariser Palais du Temple im Jahr 1764, plaudert und hört Musik. Die zahlenmäßig überlegenen Frauen sind in männlicher Gesellschaft entspannt.

      Das Wort »Salon« wurde erstmals im Frankreich des 17. Jahrhunderts gebraucht. Es leitet sich ab vom italienischen salone für »großer Raum«. Catherine de Vivonne, Marquise de Rambouillet (1588–1665), hielt als eine der ersten Frauen einen Salon in ihrem Pariser Haus ab, in einem Zimmer, das als Chambre bleue (Blaues Zimmer) bekannt wurde. Ihr Erfolg als literarische Gastgeberin inspirierte Frauen, als Salonnièren eine führende intellektuelle und gesellschaftliche Rolle einzunehmen. Salons waren respektierte Orte, an denen Frauen ihr intellektuelles Interesse zur Schau stellen konnten. Anfangs regten sie Diskussionen über literarische Werke an, später über politische und wissenschaftliche Ideen.

      Salons blühten im 18. Jahrhundert in ganz Europa. Darunter waren auch der wissenschaftliche Salon von Julie von Bondeli in Bern (Schweiz) und der literarische Salon von Henriette Herz, einer emanzipierten Jüdin, in Berlin.

       Elizabeth Montagu

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      Elizabeth Montagu, Schriftstellerin, Sozialreformerin und Literaturkritikerin, war die herausragende intellektuelle und künstlerische Mäzenin im England des 18. Jahrhunderts. 1718 geboren, besuchte sie als Kind oft Cambridge, wo ihr Stiefgroßvater Conyers Middleton eine akademische Stellung innehatte. Durch ihre Heirat im Jahr 1742 mit Robert Montagu, Enkel des 1. Earl of Sandwich, erhielt sie finanzielle Möglichkeiten, englische und schottische Schriftsteller zu unterstützen. Ab 1750 verbrachte sie die Winter in London, wo sie intellektuelle Gesellschaften gab und Freundschaften mit führenden Politikern und Literaten wie Samuel Johnson, Horace Walpole und Edmund Burke pflegte. Montagu führte ihren Salon in Mayfair 50 Jahre lang erfolgreich, bis zu ihrem Tod im Jahr 1800.

       Hauptwerke

      1760 Drei anonyme Dialoge in George Lyttletons Dialogues of the Dead

      1769 An Essay on the Writings and Genius of Shakespeare

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      ES STEHT IN EURER MACHT, [DIE HINDERNISSE] ZU ÜBERWINDEN

      AUFKLÄRUNG UND FEMINISMUS

       IM KONTEXT

      ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT

       Olympe de Gouges, 1791

      SCHLÜSSELFIGUREN

       Olympe de Gouges, Judith Sargent Murray

      FRÜHER

      1752 In London sind Frauen zu »The Temple of Taste«, einer Veranstaltung mit öffentlichen Reden eingeladen, aber ohne mitdebattieren zu dürfen.

      1762 Der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau äußert in Émile, die Frau habe Ehefrau und Mutter zu sein.

      SPÄTER

      1871 Die Union des Femmes (Frauengewerkschaft) entsteht während der Pariser Kommune. Die Arbeiterinnen kämpfen mit Waffen für die Revolution, fordern gleiche Bürgerrechte und Gesetze für Frauen, das Recht auf Scheidung und gleiche Bezahlung.

      Im 18. Jahrhundert veränderte die geistige Strömung der Aufklärung Europa und Nordamerika. Sie stellte die Vernunft und die Wissenschaft über Aberglauben und religiösen Glauben und propagierte neue Ideale von Gleichheit und Freiheit. Doch die Meinung darüber, ob die Freiheit und die gleichen Rechte für Frauen ebenso gelten sollten wie für Männer, war geteilt. Für den französischen Denker Jean-Jacques


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