Unschuldig angeklagt und verurteilt. George Kardinal Pell

Unschuldig angeklagt und verurteilt - George Kardinal Pell


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Lesungen gebracht hat. Sie hat mir das Aschenkreuz und die Kommunion gespendet. Vorher war Father Philip Gill bereits bei mir gewesen, der anglikanische Gefängnisseelsorger von St Peter in Eastern Hill, der mir ebenfalls das Aschenkreuz auf die Stirn zeichnen wollte. Ich war einverstanden und sagte zu ihm, dass ich kein Problem mit anglikanischer Asche hätte. Darauf gab er zurück, dass es eigentlich katholische Asche sei, denn er hätte sie von Schwester Mary erhalten. Ich bat ihn dann doch, sie anzurufen, weil ich keine Revierstreitigkeiten auslösen wollte. Ich habe ihm erzählt, dass ich oft in St Peter gewesen sei und dass ich eine Kniebank für die Kapelle der Ritter vom heiligen Lazarus gespendet hätte (die verschwunden zu sein scheint). Mir ist der Name meines Freundes [John] Hazelwood nicht mehr eingefallen (der anglikanische Bischof von Ballarat, an dessen Beisetzung in der St-Patrick’s-Kathedrale in Ballarat ich teilgenommen habe). Und ich konnte mich auch nicht mehr an den Namen von Graham Walden erinnern, den späteren Bischof von The Murray, mit dem zusammen ich die anglikanisch-katholische Dialoggruppe der Diözese Ballarat geleitet habe. Das waren schöne und glückliche Zeiten.

      Ijob (Kapitel 7) ist heute richtig in Fahrt gekommen. Er hat seine Leiden aufgezählt: Monate der Enttäuschung, Nächte des Kummers, sein Leib von Ungeziefer, Schorf und Eiter übersät. Er ist kein diskreter Stoiker, sondern ein wortgewandter Jude, heftig und deutlich.

      Nach dem Tod erwartet er nicht viel. »Wie die Wolke, die entschwand und dahinzog, so steigt nie mehr auf, wer zur Unterwelt hinabstieg« (Ijob 7,9). Er zankt mit Gott, dem er vorwirft, dass er ihn Morgen für Morgen, genauer gesagt jeden Augenblick auf die Probe stellt.

      Man hat aber nicht den Eindruck, als würde er einen guten und freundlichen Gott fragen, was er denn eigentlich vorhat. Er scheint es eher mit einem schwierigen und übergriffigen Gott zu tun zu haben, dem er Vorhaltungen macht. »Warum hast du mich zu deiner Zielscheibe gemacht […]?« (Ijob 7,20).

      Das ist recht weit entfernt von der berühmten Stelle über Gottes Güte aus den Bekenntnissen des heiligen Augustinus. »Spät habe ich dich geliebt«, schreibt Augustinus, »du Schönheit, so alt und doch so neu«, eine Schönheit, die seine Blindheit vertrieben hat, sodass er nun entbrannt ist »nach deinem [Gottes] Frieden«. Das ist die zweite Lesung, die das Brevier für heute vorsieht.

      Auch Augustinus ist kein Stoiker, aber wenn er mit dem Herrn vereint sein wird, »dann wird mich kein Schmerz, keine Mühsal mehr bedrücken, und mein Leben, ganz von dir erfüllt, wird erst dann wahres Leben sein«. Doch die Situation, in der er schreibt, ist eine ganz andere, denn im weiteren Verlauf listet Augustinus seine Leiden auf und fleht zu Gott um Erbarmen.

      Ein Gedanke ist besonders ermutigend. »Wer verlangt nach Beschwernissen und Mühseligkeiten? Du heißest sie uns dulden, nicht lieben.« Christus im Garten Getsemani hat uns hierfür ein Beispiel gegeben, als er in seiner Todesangst Blut schwitzte. Das ist für mich leichter nachvollziehbar als die Haltung des heiligen Paulus, der sich seiner Schwachheit rühmt, weil so die Macht Gottes an ihm offenbar werden kann (2 Kor 12,7–10), auch wenn persönliche Schwäche etwas anderes ist als das Unglück, das von außen kommt.

      Da ich den nächsten Band des Breviers für die Fastenzeit nicht hier habe, bin ich mehr als zufrieden, bei Ijob zu verbleiben, der weiterkämpft.

      Ruth kam vorbei, um ein bisschen zu plaudern. Sie hat erwähnt, dass The Age auf der Titelseite groß darüber berichtet, dass Richter bei der Berufungsverhandlung durch Walker ersetzt werden wird. Als man ihn nach den Gründen fragte, hat Richter seine Chance grandios genutzt und erklärt, dass er die emotionale Distanz nicht länger wahren könne. Das Urteil sei absurd, betonte er, und man habe einen Unschuldigen ins Gefängnis gebracht. Und das alles auf der Titelseite von The Age.14

      E. wurde versetzt und seine Vertretung, ein hochgewachsener Mann, ist weniger entgegenkommend, und mein polnischer Freund ist auch nicht mehr da. Rasieren solle ich mich morgens, antwortete er, als ich ihn am Nachmittag nach meinem Rasierzeug fragte. Aber er werde dieses eine Mal eine Ausnahme machen. Hat er aber nicht, ich habe mein Rasierzeug nicht bekommen. Ein paar der Wärter sind besonders hilfsbereit und gesprächig und die anderen sind freundlich. Es ist wirklich nicht schlimm.

      Ich habe mit Marg und David telefoniert. Sie war in guter Stimmung und hat gefragt, wann sie kommen kann, um mich zu besuchen.

      Diese Woche war ich auf »Exerzitien«, habe dreimal das Brevier gebetet und dreimal Betrachtung gehalten, um einen Ersatz für die tägliche Eucharistie und die üblichen Lesungen zu haben. Diese Exerzitien waren überfällig.

      [Kardinal] Parolin hat mir über den Nuntius und Schwester Mary eine Nachricht gesandt und seine Unterstützung ausgedrückt. Ich war gerührt und habe mich darüber gefreut. Die Kopie der Berufung [des Berufungsantrags] hat offenbar geholfen.

      In den letzten 24 Stunden hat es etwas geregnet und in den Victorian Alps hat es geschneit. Noch vor ungefähr einem Tag hatten wir 40 Grad Celsius. Meine Uhr ist gekommen und ich habe es geschafft, die Zeit richtig einzustellen, und der Fernseher ist defekt.

       Gott, unser Vater, ich bete einmal mehr für meine Familie und meine Freunde, dass sie nicht zu verletzt oder verstört sind. Möge meine missliche Lage ihnen helfen, ihren Glauben und ihre Güte zu stärken, besonders Sarah und Nick, Bec und Georgie, damit sie ihren Glauben an den kleinen Sonny weitergeben können.

       Donnerstag, 7. März 2019

      Ein ruhiger Tag. Tim und Anne [McFarlane] sind heute Morgen gekommen, und wir haben, getrennt durch eine Glasscheibe15, eine nette Stunde miteinander verbracht. Es gibt nicht so viel Neues. Offenbar hat QC [Queen’s Counsel]16 Geoff Horgan, der früher Staatsanwalt war und der die beiden Ikonen in der Kathedrale gemalt hat17, einen starken Unterstützerbrief veröffentlicht, in dem er sich für mich einsetzte18, und ich habe erfahren, dass die [Leumunds-]Zeugnisse in vielen Zeitungen veröffentlicht worden sind. [Bill] Shorten hatte irgendwelche Einwände, wurde aber von seinem Shadow Attorney General19 [QC] Mark Dreyfus öffentlich zurechtgewiesen.20 [George] Weigel hat eine Reihe sehr wirkungsvoller Texte verfasst, in denen er meinen Fall mit der Dreyfus-Affäre in Frankreich im 19. Jahrhundert verglich21, und [Father]22 Raymond de Souza hat sich ebenfalls am Kampf beteiligt.23

      Dave Bell, Ruths Mann, hat vorgeschlagen, dass ich, nachdem mich Richmond als Vize-Schirmherr abgesetzt hat, nach Melbourne wechseln sollte.24 Zum Glück ist Matilda25 mit einer besseren Schlaffähigkeit aus dem Schlaflabor zurückgekehrt. Ein Erfolg.

      Die für die Eingliederung zuständige Dame war da und hat die üblichen Fragen gestellt. Sie fragte, ob ich geistig zurückgeblieben sei. »Ich glaube nicht«, habe ich geantwortet, und sie meinte, ich würde hoffentlich nicht über sie, sondern nur über die Frage lachen.

      Ich hatte ein gutes Gespräch mit Charlie, dem Seelsorger der Heilsarmee, und konnte mich nicht erinnern, dass wir uns schon einmal begegnet sind. Sind wir auch nicht, erklärte Charlie, obwohl Schwester Mary das Gegenteil behauptet hat. Er ist ein ehemaliger Anglikaner, der bei den Anglikanern die Eucharistiefeier besucht, weil er das vermisst. Ein starker Jünger des Herrn.

      Ich habe rund 15 oder 20 schöne Briefe bekommen, einige von Mithäftlingen. Den meisten der Häftlinge werde ich antworten.

      Heute wird Ijob von seinem Freund, dem Naamatiter Zofar, zurechtgewiesen, kein sehr mitfühlender Mensch. Er tadelt Ijob für sein wortreiches Geplapper, und vor allem wirft er ihm vor, dass er behauptet, untadelig zu sein. Das sei er eben nicht, erklärt unser Zurechtweiser: »Du würdest erkennen, dass Gott von deiner Schuld noch manches übersieht.« Er preist das unbegreifliche Mysterium Gottes und drängt Ijob: »Wenn Unrecht klebt an deiner Hand, entferne es«, dann werden gute Zeiten anbrechen, Ijob wird fest dastehen und braucht sich »nicht zu fürchten« (Ijob 11,14–15).

      Das Buch Ijob ist als eine Auseinandersetzung mit dem Leid der Unschuldigen geschrieben worden, doch Zofar leugnet dieses Problem und führt Ijobs Unglück auf Sünden zurück, die er sich nicht eingesteht.

      Manche Sünden ziehen ganz reale und offensichtliche Konsequenzen nach sich, zum Beispiel Drogen oder Alkohol oder Lügen


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