Unerschütterlich im Glauben. Fulton J. Sheen
von mehreren Millionen Dollar. Trotz Kardinal Spellmans beträchtlichen Überredungskünsten und seines Einflusses in Rom weigerte sich Sheen.
Diese Gelder hatte die Öffentlichkeit für die Mission gespendet und Sheen selbst hatte dazu beigesteuert und über den Rundfunk zu diesen Spenden aufgerufen. Er fühlte sich verpflichtet, sie zu beschützen, auch vor den habgierigen Fingern seines eigenen Kardinals. Unbeeindruckt trug Spellman – in Anwesenheit Sheens – den Fall Papst Pius XII. persönlich vor. Nachdem er die Fakten zur Kenntnis genommen hatte, stellte sich Papst Pius auf die Seite von Sheen. Thomas C. Reeves, sein Biograf, berichtet, Sheen sei später von Spellman zur Rede gestellt worden, indem er zu ihm sagte: »Das werde ich Ihnen heimzahlen. Vielleicht dauert es sechs Monate, vielleicht auch zehn Jahre, aber jeder wird wissen, was Sie für ein Mensch sind.« Spellman brauchte hierfür weniger als zehn Jahre.
Im Herbst 1957 trat Bischof Sheen, der fast dreißig Jahre lang eine prägende Figur in der katholischen Medienlandschaft gewesen war, in den »Ruhestand« und beendete seine Sendereihe »Life is Worth Living«1 auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Man nimmt allgemein an, dass Kardinal Spellman Sheen aus den Rundfunk- und Fernsehprogrammen vertrieben hat. (Vor dem Zeitpunkt, an dem die Sendereihe eingestellt wurde, schalteten rund 30 Millionen Zuschauer und Hörer diese wöchentlich ein.) Plötzlich musste der berühmte Prediger feststellen, dass er in den Kirchen New Yorks nicht mehr gern gesehen war. Spellman setzte Sheens jährliche Karfreitagspredigten in der St.-Patrick’s-Kathedrale ab und riet Klerikern davon ab, freundschaftliche Beziehungen mit ihm zu unterhalten. 1966 versetzte Spellman Sheen nach Rochester, New York, und beendete seine Tätigkeit als Leiter des »Päpstlichen Werkes der Glaubensverbreitung«.
So spannend das alles ist (und das ist es in der Tat), so wird doch keine der Einzelheiten im Zusammenhang mit der Spellman-Affäre, ebenso wenig wie Sheens persönliche Gefühle im Zusammenhang mit dem Vorgehen des Kardinals in dieser Autobiografie erwähnt. Diese Auslassungen geben Anlass zu einer interessanten Frage.
An einer Stelle schreibt Sheen auf diesen Seiten: »Die Neugierigen sähen es gern, wenn ich verheilte Wunden wieder öffnen würde; vor allem die Medien würden sich auf ein Kapitel stürzen, in dem ein Urteil über andere gefällt würde … ›Wir leben in mörderischen Tagen‹ – in denen stärker nach dem Bösen im Leben der Menschen Ausschau gehalten wird als nach dem Guten, um eine Welt mit einem schlechten Gewissen zu rechtfertigen.« Auf den folgenden Seiten werden keine alten Rechnungen aufgemacht und keine Namen genannt. Wohl gibt es en passant Erwähnungen von »Heimsuchungen sowohl von innerhalb als auch von außerhalb der Kirche« und Nebenbemerkungen wie »Ich bin sicher, dass es Gott war, der veranlasste, dass gewisse Menschen Steine nach mir warfen …«. Aber diejenigen, die auf der Suche nach literarischen Vergeltungsaktionen sind, müssen sich anderweitig umschauen. (Spellman wird sogar lobend hervorgehoben!) Stattdessen haben wir hier eine einzigartige Autobiografie vor uns, die eher das innere als das äußere Porträt eines Mannes ist. Und was für ein Mann war Bischof Fulton Sheen!
Papst Pius XII. bezeichnete Sheen einmal als »einen Propheten unserer Zeit«. Er bündelte auf hinreißende Art sämtliche Facetten der Kultur. Als Autor von über sechzig Büchern und als Kolumnist setzte er seinen gut geschulten Verstand ein, um den Normalbürger anzusprechen. Wenn er auf seine originelle Art das Evangelium verkündete, bezog er häufig Inhalte aus der Lyrik, Philosophie, Geschichte, Architektur, Musik und der Kunst mit ein, um seine Botschaft zu verdeutlichen. In seinen sechzehn Jahren als Nationaldirektor des »Päpstlichen Werkes der Glaubensverbreitung« warb er Hunderte Millionen Dollar für die Armen der Welt ein und spendete selbst ungefähr zehn Millionen Dollar aus seinen persönlichen Einkünften den Missionswerken. Sheen baute Kirchen und Krankenhäuser für bedürftige Schwarze in Alabama, hielt unermüdlich Einkehrtage, besuchte die Gefangenen und Kranken, unterrichtete Konvertiten und feierte heilige Messen in der ganzen Welt.
Am bekanntesten ist er jedoch wegen seines Wirkens in den Medien, besonders im Fernsehen. Noch vor Mutter Angelica, Pat Robertson und Joel Osteen war Bischof Fulton Sheen in den Medien präsent. In seinem magentafarbenen Cape und mit seinem Pileolus auf dem Kopf war er ein medialer Wegbereiter, dessen Einschaltquoten der Zuschauer oft sogar Milton Berle und Frank Sinatra übertrafen. Mehr als fünfzig Jahre lang wandelte er anspruchsvolle Theologie in die Sprache der Massen um, indem er das Radio und dann das Fernsehen dazu benutzte, die Botschaft der Hoffnung zu den Menschen aller Glaubensrichtungen und zu jenen, die gar nichts glaubten, zu bringen.
Ich erinnere mich, dass ich vor ungefähr sechzehn Jahren einen geistlichen Rat benötigte. Ein priesterlicher Freund, der wusste, dass ich für das Fernsehen arbeitete, schlug mir vor: »Geh und triff eine Vereinbarung mit Erzbischof Sheen.« Ich folgte seinem Rat. Eines Nachmittags kniete ich vor der Krypta in der St.-Patrick’s-Kathedrale in New York und versprach dem Erzbischof, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun würde, um seine Sendung wieder ins Fernsehen zu bringen, wenn er bei Gott für mich Fürsprache einlegte. Sheen reagierte auf meine inständige Bitte. Ich benötigte jedoch mehrere Jahre, um meinen Teil der Vereinbarung einzulösen. Während ich dies schreibe, wird Sheens Sendereihe »Life is Worth Living« jeden Freitagabend nach meiner eigenen Fernsehsendung auf EWTN ausgestrahlt.
Es kann heute eine etwas irritierende Erfahrung sein, sich die Wiederholungen anzusehen. Die dem 19. Jahrhundert angeglichenen Gesten, die dramatischen stimmlichen Crescendi, und dieses weit geöffnete Cape spiegeln nicht den Naturalismus wider, den wir inzwischen von den Menschen erwarten, die im Fernsehen auftreten. Wenn man jedoch über das Äußerliche hinwegsieht und sich auf die Botschaft konzentriert, stößt man auf viele Schätze.
Diese Autobiografie sollte Bischof Sheens letzter Schatz werden. Sie ist der Überblick über den Werdegang eines Apostels und zugleich eine Geschichte der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert. Als Teilnehmer des Zweiten Vatikanischen Konzils kritisierte Sheen mit scharfen Worten, dass es nicht gelang, die Konzilsdokumente angemessen zu interpretieren. Und er stellte eine der überzeugendsten und vernünftigsten Erklärungen zum Zölibat (mit Bezug auf Gandhi und Dag Hammarskjöld) vor, die man je zu lesen bekam.
Der Professor in Sheen konnte nicht umhin, mittels seiner Autobiografie auch zu lehren, sodass Sie, während Sie ihn als Mensch näher kennenlernen, auch Erkenntnisse über das Wesen der Eucharistie, des Papsttums und der Gottesmutter vermittelt bekommen. Inbegriffen sind auch lustige und berührende Erinnerungen aus seinem langen Leben. Was das Buch allerdings wirklich einzigartig macht, sind die nachdenklichen persönlichen Offenbarungen – die geistlichen, im Leiden erfahrenen Lektionen.
Das Buch entstand während einer Phase, in welcher Sheen schlimme körperliche Leiden erdulden musste. Ab dem Jahr 1977 musste er sich einer Reihe von Operationen unterziehen, die ihn schwächten und sogar das Predigen erschwerten. Er muss gewusst haben, dass dies sein letztes Werk sein würde, denn man spürt eine Dringlichkeit auf diesen Seiten, einen Eifer, diese Lektionen weiterzugeben, vor allem an jene, die von Leid betroffen sind und hierin ein geistiges Geschenk finden können. Die letzten Kapitel knistern von demselben Eifer, von derselben Entschlossenheit wie sie aus seinen letzten Predigten aus den späten 70er-Jahren zu entnehmen sind: Sie sind prophetisch, leidenschaftlich und frei von einem verklärten Blick auf die Vergangenheit.
Allein das letzte Kapitel des Buches – »Die drei Phasen meines Lebens« – ist seinen Preis wert. Darin bekennt der Bischof sich aufrichtig zu seiner Eitelkeit, zu seiner Neigung zu den »Annehmlichkeiten des Lebens«, und er schreibt: »Ich musste durch Prüfungen gehen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche, bevor ich den ganzen Sinn meines Lebens verstehen konnte. Es reichte nicht, Priester zu sein; man musste auch Opfer sein.« Am Ende wurde Fulton Sheen zu einem Opfer. Teile des Buches, die Sie im Folgenden lesen werden, wurden mündlich von seinem Krankenbett aus diktiert, während er ein Kruzifix umklammerte. Seine letzte Meditation über das Kreuz, mit welcher das Buch endet, ist besonders bewegend.
Wie alle bedeutenden Biografien bietet uns dieses Buch die Chance, über unser eigenes Leben nachzudenken, indem wir uns an ihn erinnern, der uns vorausgegangen ist. In Sheens Fall leuchten sein Leben und Beispiel heute heller auf als bei seinem Tod vor fast dreißig Jahren.2
In der Mitte dieses Buches denkt Sheen über einige Fragen nach, die wir alle erwägen sollten: »Habe ich der Kirche wirklich