Unerschütterlich im Glauben. Fulton J. Sheen
auf der Farm zusammenhing, und mein Vater erzählte gern, dass ich als kleiner Junge eine Säge genommen und die Ladeklappen seines besten Fuhrwerks zerstört hatte. Damals gab es in der Familie zwei Söhne: Ich war der älteste, und nach mir kam Joe, der zwei Jahre jünger war. Ich vermute, dass Armut in einigen Menschen den Wunsch weckt, reich zu sein. Bei meinen Eltern weckte ihre fehlende Ausbildung den Entschluss, dass ihre Kinder eine gute Ausbildung erhalten sollten. Deshalb zogen sie nach Peoria um, damit ich in der dortigen Schule der St.-Mary’s-Pfarrei angemeldet werden konnte, und so begann meine christliche Schulbildung.
Damals erhielt ich auch den Namen Fulton. Offenbar weinte ich während der ersten beiden Jahre meines irdischen Daseins fast ununterbrochen. Später, als Junge, war ich sehr verlegen, wenn wir Verwandte besuchten, und ein Arzt der Familie begann seine Unterhaltung mit meiner Mutter immer mit den Worten: »Oh, das ist der Junge, der nie aufhören konnte zu weinen.« Ich wurde für meine Mutter eine solche Belastung, dass ihre Eltern ihr oft tröstend beistehen mussten.
Verwandte und Freunde sagten häufig im Scherz zu meiner Mutter: »Oh, er ist Fultons Baby.« Bei der Anmeldung in der Schule fragte man meinen Großvater Fulton nach meinem Namen und er antwortete: »Fulton.« Ich war zwar in der St.-Mary’s-Kirche in El Paso, Illinois, auf den Namen Peter getauft worden, doch ab jetzt wurde ich Fulton genannt. Später wurde mein Bruder Joe Rechtsanwalt in Chicago und der nächste nach ihm, Tom, wurde Arzt in New York, und der vierte, Al, ging in die Industrie – die Kinder von Newton und Delia Sheen haben also tatsächlich eine solide Ausbildung erhalten. Dreißig oder vierzig Jahre später, als ich nach einem Zusammenbruch in einem Rundfunkstudio ins Krankenhaus gebracht worden war, entdeckte mein Bruder, der Arzt, dass ich als Kind Tuberkulose gehabt hatte, die die Tränenausbrüche verursacht hatte. Diese hatten ihrerseits die Kalziumproduktion angeregt, was zur Heilung der Krankheit beitrug und mir zu starken Lungen verhalf. Jedenfalls wurde ich – nachdem ich bei der Firmung noch den Namen John bekommen hatte – so zu Fulton John Sheen.
Geburtsort des Erzbischofs: Eisenwarenhandlung und Wohnung der Familie Sheen in 25 Front Street, El Paso, Illinois. Hier wurde Erzbischof Sheen geboren und sein Vater betrieb hier die Eisenwarenhandlung (Fulton J. Sheen Archiv).
Meine Lehrerin in der ersten Klasse war Schwester Alexine. Den Kontakt zu Schwester Alexine hielt ich nicht nur während der Schulzeit aufrecht, sondern auch noch nach meiner Priesterweihe und bis zu ihrem Tod. Sie schien nie auch nur einen einzigen Tag älter zu werden. Indem sie die Jugend unterrichtete, blieb sie selbst jung. Tugendhaftigkeit trägt mehr dazu bei, Jugendlichkeit zu bewahren, als sämtliche Cremes von Elizabeth Arden. Sie konnte sich nie daran erinnern, dass sie mich eines Tages einige Minuten lang im Klassenzimmerschrank eingeschlossen hatte, weil ich ungehorsam gewesen war. Vermutlich wollte sie sich nicht daran erinnern! Aber ich erinnere mich sehr gut daran – das Eingeschlossensein schien sich über Jahre hinzuziehen. Geschadet hat es mir nicht.
In einer der unteren Klassen, wahrscheinlich in der ersten, musste ich nach dem Unterricht dableiben, weil ich nicht wusste, wie man which buchstabierte. Ich versuchte es mit einem halben Dutzend, wenn nicht gar mehr Varianten, aber es nützte nichts. Ein kleines Mädchen hinter mir flüsterte »w-h-i-c-h« in mein Ohr. Später traf ich sie wieder als 83-Jährige in einem Altersheim und dankte ihr dafür, dass sie zu meiner Ausbildung beigetragen hatte, welche (which) ohne ihr Einflüstern sehr erschwert worden wäre.
Ich erinnere mich daran, dass ich während meiner ersten Schuljahre meiner Mutter eines Tages erzählen musste, dass ich den ersten Platz in einem Buchstabierwettbewerb an Margaret Kennedy verloren hatte. Ich hatte nicht gewusst, wie man thralldom buchstabiert. (Offiziell gilt nun auch die Alternativschreibung mit nur einem »l« – wie ich das Wort buchstabiert hatte.) Ich bemühte mich, Klassenbester zu sein, und so kam ich mit Heiligenbildchen und Medaillen nach Hause, doch von meinen Eltern bekam ich nie ein Wort des Lobes zu hören.
Fulton J. Sheen als Schuljunge im Herrensitz – wie ein erfahrener Veteran – auf seinem Pony Bob (Fulton J. Sheen Archiv).
Gelegentlich sagte meine Mutter beiläufig, dass ich das gut gemacht habe, mein Vater jedoch äußerte dergleichen in meiner Gegenwart nie. Einmal sprach ich meine Mutter darauf an und fragte sie, warum mein Vater mich nie lobte. Sie antwortete: »Weil er dich nicht verhätscheln will. Aber er erzählt es allen Nachbarn.«
Im Alter von ungefähr acht Jahren wurde ich Ministrant in der St.-Mary’s-Kathedrale in Peoria, Illinois. Eines frühen Morgens – ich war bei einer Messe mit dem großen Bischof John L. Spalding eingesetzt – ließ ich den kleinen Krug für den Wein auf den Marmorboden fallen. Es gibt keine Atombombenexplosion, die es an Lautstärke mit dem Krach und der Explosivkraft eines kleinen Weinkruges aufnehmen könnte, der in Gegenwart eines Bischofs auf den Marmorboden der Kathedrale fällt. Ich war zu Tode erschrocken. Was würde der Bischof sagen? Als die Messe beendet war, rief Bischof Spalding mich zu sich, legte seinen Arm um mich und fragte: »Junger Mann, in welche Schule wirst du gehen, wenn du groß bist?« Für einen achtjährigen Jungen bedeutete »groß« High School. Ich antwortete: »Ans Spalding Institute«, das war die High School, die nach ihm benannt war. (Man muss zugeben, dass das eine recht diplomatische Antwort war, aber das Diplomatische daran war mir damals nicht bewusst.) Er machte einen neuen Versuch: »Ich meinte, ›wenn du groß bist‹. Hast du je von Löwen8 gehört?« Ich antwortete: »Nein, Euer Gnaden.« – »Nun gut, wenn du nach Hause gehst, dann erzähle deiner Mutter, dass ich zu dir gesagt habe, dass du nach Löwen gehen sollst, wenn du groß bist, und irgendwann wirst du genau das werden, was ich bin.« Ich erzählte meiner Mutter, was der Bischof gesagt hatte, und sie erklärte mir, dass Löwen eine der bedeutendsten Universitäten weltweit war und in Belgien lag.
Ich habe nie wieder an diese Äußerung des Bischofs gedacht, bis ich zwei Jahre nach meiner Priesterweihe in Löwen eintraf, um mich an der Universität einzuschreiben. Ich dachte: »Ach, das ist ja der Ort, den Bischof Spalding genannt hat, als er sagte, dass ich dorthin gehen solle.« Und ich habe auch nie wieder an seine Prophezeiung mit dem Bischofsamt gedacht, denn ich wollte lediglich Priester werden.
Die fünfte Klasse war aufgeteilt in große Jungen und große Mädchen und in kleine Jungen und kleine Mädchen. Ich gehörte zu letzterer Gruppe.
Abschlussfeier an der St.-Mary’s-Schule der Pfarrei in Peoria, Illinois, ca. 1909. Der junge Fulton in der vorderen Reihe in der Mitte (Fulton J. Sheen Archiv).
Für einen Rechenwettbewerb zwischen den Davids und den Goliaths wurde ein Junge namens Ed als Vertreter der Goliaths ausgewählt, während ich die Davids vertreten sollte. Wir wurden in ein Klassenzimmer gebracht, wobei beide Klassen anwesend waren, um uns anzufeuern. Die Tafeln wurden in einem rechten Winkel voneinander aufgestellt, damit niemand abschreiben konnte. Eine Schwester aus der Goliath-Gruppe las eine Rechenaufgabe vor, anschließend daran eine Schwester aus der David-Gruppe. Der Wettbewerb dauerte ungefähr dreißig Minuten, und es wurde sehr spannend, da beide Gruppen Beifall klatschten. Sie klatschten weiter, nachdem wir beide gleichzeitig fertig geworden waren. Danach las die Schwester der Goliath-Gruppe eine Aufgabe vor, an die ich mich erinnern konnte, und ich fing sofort mit der Bearbeitung an. Ed wartete darauf, dass seine Aufgabe vorgelesen wurde. Ich hatte die Rechnung gelöst, bevor er auch nur angefangen hatte. Die Schwester im anderen Teil des Klassenzimmers war so wütend darüber, dass einer der Davids ihren Goliath besiegt hatte, dass sie das Rechenbuch nach mir warf, aber sie zielte schlecht und verfehlte mich.
Im Anschluss an die Konfessionsschule St. Mary’s meldete ich mich am Spalding Institute an, das von der Kongregation der Marianisten geleitet wurde. Sie waren ausgezeichnete Lehrer – sehr auf Disziplin bedacht und dennoch sehr beliebt. Einer meiner Klassenkameraden war Jimmy Jordan, der später im Rundfunk als Fibber McGee bekannt wurde. Gleich auf der anderen Straßenseite besuchte ein junges Mädchen die Mädchenschule Academy of Our Lady. Sie wurde später im Radio Fibbers Ehefrau