Unerschütterlich im Glauben. Fulton J. Sheen
ethischen Norm des Wertes der Arbeit erzogen. In der Bibel wird Arbeit als Strafe für die Sünde beschrieben – der »uranfängliche Fluch«. Es war nicht die Arbeit an sich, die ich nicht mochte – es war die Arbeit auf dem Bauernhof. Sowohl mein Vater als auch meine Mutter arbeiteten schwer. Ich kann mich erinnern, dass ich unsere Verwandten, wenn wir sie besuchten, immer in der Küche sagen hörte: »Sag doch Tante Dee, sie soll die Arbeit uns überlassen« – Dee war die Abkürzung für Delia. Wenn mein Vater einen Besuch bei den Pächtern machte, half er ihnen, Schuppen zu bauen, die Ernte einzubringen und alles Mögliche zu machen, um nur ja nicht untätig zu sein. Nicht nur aufgrund der elterlichen Unterweisung, sondern vielleicht auch, weil es so tief in mir verwurzelt war – jedenfalls habe ich die Angewohnheit zu arbeiten nie abgelegt und ich danke Gott dafür, dass es so ist.
Einmal, als ich zehn Jahre alt war, spielte ich auf einem Platz im Freien in der Nähe unseres Hauses in Peoria Baseball. Meine Mutter rief mich und trug mir auf, etwas einzukaufen, was sie dringend für das Abendessen brauchte. Ich nörgelte: »Warum kann ich das Spiel nicht beenden? Wir müssen nur noch zwei Innings12 spielen.« Ihre Antwort lautete: »Du bist draußen, um zu trainieren. Welchen Unterschied macht es, ob du auf dem Spielfeld oder zum Lebensmittelladen rennst?« Jahre später, als ich mich in die Weisheit des Thomas von Aquin vertiefte, erhielt ich die Antwort auf ihre Frage. Dieser gelehrte Philosoph stellte die Frage: »Worin besteht der Unterschied zwischen Arbeit und Spiel?«, und er beantwortete sie: »Arbeit hat einen Zweck, das Spiel nicht, doch muss es im Leben eine Zeit für zwecklose Dinge, ja sogar närrisches Verhalten geben.« Als ich diese Unterscheidung kennenlernte, war es zu spät, um meiner Mutter eine altkluge Antwort zu geben. Und sie hätte mich damals auch sicher nie von einem Buch weggerufen.
Kommen wir zurück zum Thema Ausbildung. Das St. Viator College war auch ein Priesterseminar. Nachdem ich dort meinen Abschluss gemacht hatte, sandte Bischof Edmund Dunne von Peoria mich an das Priesterseminar St. Paul in St. Paul, Minnesota, um dort meine Studien für den priesterlichen Dienst abzuschließen. Damals wütete der Erste Weltkrieg: Es gab nur wenig zu essen und bei mir wurde ein Geschwür diagnostiziert, das operiert werden musste. Die Kurse am Seminar waren sehr gut, vor allem in den Fächern Heilige Schrift, Geschichte und Moraltheologie.
Der Musiklehrer musste uns alle im gregorianischen Choral ausbilden, unabhängig davon, ob wir Gesangsstimmen hatten oder nicht. Ich gehörte zu denen, die kaum zwei Töne halten konnten. Grace Moore hat mir das später bestätigt. Als ich allerdings zwanzig Jahre später zurückkam und im Auditorium von St. Paul einen Vortrag hielt, wurde ich von meinem Musiklehrer vorgestellt, der lobend meine Gesangskünste erwähnte. Ich bin sicher, dass der gute Mann nicht absichtlich eine Lüge erzählt, sondern nur ein schlechtes Gedächtnis hatte. Es wird allgemein behauptet, die Fähigkeit zu singen sei jedem Menschen angeboren, aber auf mich trifft das sicher nicht zu. Bei mir klingt es nicht mal unter der Dusche gut.
Abschlussfeier am St. Viator College in Bourbonnais, Illinois, ca. 1917 (Fulton J. Sheen Archiv).
Am Samstag, dem 20. September 1919, wurde ich durch die Gnade Gottes in der Kathedrale von Peoria zum Priester geweiht. Die Sehnsüchte, die der Heilige Geist meiner Seele schon früh eingegeben hatte, waren nun erfüllt – aber stimmte das wirklich? Ich war jetzt Priester. Ja. Aber ist das nicht nur die halbe Wahrheit? Damals, als ich geweiht wurde, stellte ich mir diese Frage nicht. Zu gegebener Zeit jedoch sollte ich, und zwar nicht auf die leichte Art und Weise lernen, dass ein Priester auch ein Opfer ist. Doch davon später.
Fulton J. Sheen bei seiner Priesterweihe im Jahr 1919 (Fulton J. Sheen Archiv).
Unmittelbar nach meiner Ordination wurde ich nach Washington an die Katholische Universität von Amerika gesandt, um in Philosophie zu promovieren, was es erforderlich machte, dass ich dort drei Jahre lang lebte und studierte. Einige Lehrer waren ausgezeichnet – Dr. Edward Pace und der berühmte Dr. John A. Ryan, ein führender Kopf des Landes auf dem Gebiet der Sozialethik. An den Wochenenden stellte ich mich für verschiedene Einsätze in einigen Pfarrgemeinden in Washington zur Verfügung, was die Universitätsleitung nicht gerne sah. Ich wurde von Msgr. Mackay eingeladen, in der St.-Paul’s-Kirche einen Kurs zur Fastenzeit zu halten. Damals war ich erst 24 Jahre alt, und als ich an der Haustür des Pfarrhauses anklopfte und der gute Monsignore einen Blick auf mich warf, sagte er: »Geh sofort zu den anderen Ministranten zurück in die Sakristei.« Im Regen und mit dem Mantelkragen über meinem Kollar hatte er nicht erkannt, dass ich Priester war.
Im selben Jahr sollte ich während der Karwoche die Eucharistie in der St.-Patrick’s-Kathedrale in Washington feiern. Die Liturgie der Karwoche unterscheidet sich etwas von der für die anderen Tage des Jahres üblichen Liturgie, und ich war etwas besorgt, ob ich es richtig machen würde. Eine der Anweisungen, die in Latein im Verlauf der Liturgie des Karsamstags vorkam, lautete, das Halleluja dreimal zu singen. Dieses Halleluja umfasst ungefähr neunundvierzig Noten, was selbst für Caruso eine Herausforderung gewesen wäre. Ich gab mein Bestes, um sämtliche schwarzen Noten im Messbuch wiederzugeben. Am Schluss seufzte ich erleichtert auf, doch der alte Monsignore Thomas, der Priester, der violette Socken trug, rief aus der Sakristei so laut, dass es alle Anwesenden hören konnten: »Singen Sie es noch mal!« Ich sang es noch einmal, einfach weil er es mir befohlen hatte. Als ich diesen zweiten Durchgang – etwas lauter – geschafft hatte, rief er: »Singen Sie es noch mal!«, was ich in einer Mischung aus Gehorsam und Widerstreben tat, wobei ich mir sehr dumm vorkam. Dann jedoch bemerkte ich am Ende der lateinisch formulierten Anleitung, wie das Halleluja zu singen war, das kleine Wörtchen ter, das dreimal bedeutet. Dieser Zwischenfall hat mich immer an die Geschichte eines Mannes erinnert, der die Wahl hatte, entweder ein hübsches, ganz unbekanntes Dienstmädchen oder eine hässliche, ziemlich berühmte Opernsängerin zu heiraten. Er entschied sich für die Opernsängerin. Am Morgen nach der Hochzeitsnacht schaute er sie an und sagte: »Um Himmels willen, sing!«
Nachdem ich zwei Jahre lang an der Universität studiert hatte, merkte ich, dass meine Ausbildung wohl noch nicht ausreichte, um den Grad eines Doktors der Philosophie zu verdienen. Ich vertraute meine Sorgen einem der Professoren an, und er fragte mich: »Was würden Sie sich denn sonst noch als Inhalte für Ihre Studien vorstellen?« Ich antwortete: »Ich möchte mein Wissen in zwei Dingen erweitern – erstens, worüber die moderne Welt nachdenkt, und zweitens, wie man auf die Irrtümer der modernen Philosophie im Licht der Philosophie des heiligen Thomas reagieren kann.« Er sagte: »Antworten darauf bekommen Sie hier nirgends, dazu müssen Sie an die Universität Löwen in Belgien gehen.«
Im September 1921 brach ich nach Löwen auf und schrieb mich an der Fakultät für Philosophie ein. Mein Bruder Tom kam mit mir, um an derselben Universität Medizin zu studieren. Ich werde mein ganzes Leben lang, unabhängig davon, wie lange ich lebe, nie in der Lage sein, meine tiefe Dankbarkeit dieser Universität gegenüber zum Ausdruck zu bringen für ihre exzellente Lehre, den belebenden Einfluss ihrer Führung und für die Ausbildung des Geistes, die dort ermöglicht wurde. Es gab keine Kurse, die ausgewählt werden konnten – jeder Kurs war obligatorisch. Wir mussten also Metaphysik, Experimentelle Psychologie, Rationale Psychologie, Kosmologie, Aristoteles, Moderne Raum- und Zeitvorstellungen belegen. Diese Kurse waren Teil des Studienplans für sämtliche Doktoranden. In jedem Wissensbereich wurden alle Gegenwartsfragen angesprochen. Sogar die Professoren der Medizinischen Fakultät hielten Hauptseminare in Naturwissenschaften für uns ab. Und neben dieser Ausrichtung am aktuellen Stand der Dinge wurden wir mit Aristoteles, Platon und den antiken Denkern überschüttet und eingetaucht in die Philosophie des Thomas von Aquin.
Sheen an der Universität Löwen in Belgien, frühe 1920er-Jahre (Fulton J. Sheen Archiv).
Die Professoren behandelten Thomas von Aquin, als gehörte er nicht zum Mittelalter, sondern wäre unser Zeitgenosse. Es gab keine Lektürelisten. Man ging davon aus, dass jedes Buch, das ein Professor zur Lektüre empfahl, in der mündlichen Abschlussprüfung vorkommen konnte.
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