Nur Ja! heißt ja. Machlus
Themen sind oft heikel und schwer kontrollierbar, doch genau deshalb müssen wir uns ihnen widmen. Ich möchte unbedingt daran mitwirken, eine passendere Sprache zu erarbeiten und Konzepte niederzuschreiben: das Wort »queer« selbstverständlicher zu benutzen, Vorstellungen von biologischem und sozialem Geschlecht zu hinterfragen und ausgiebig darüber nachzudenken, wie im Spanischen – und nun in der Übersetzung ins Deutsche – geschlechtsneutral geschrieben werden kann. Ich versuche, uns in unserer gemeinsamen Menschlichkeit miteinander zu verbinden.
In der spanischen Sprache ohne Geschlecht zu schreiben, ist eine besonders herausfordernde Aufgabe (fragt bloß Nuria, die den Text ins Spanische übersetzt und von Anfang an daran mitgeschrieben hat). Ich bin überzeugt, dass Sprache sich eines Tages dahin entwickeln wird, die wunderbare Vielfalt aller Menschen zu beherbergen – doch das ist ein fortwährender Prozess. Angesichts der vielen geschlechtlich nicht-konformen Menschen, denen wir einen Großteil der Theorien zu Konsens verdanken, halte ich diese Bemühung für umso notwendiger und wertvoller. Die literarische Welt amüsiert sich häufig und ungerechterweise über Menschen, die verschiedene Techniken dafür finden und ausprobieren. Hierzu zählen die Wortendungen x, i, e oder @ im Spanischen [oder die Sternchen, Unterstriche und weiteren geschlechterinklusiven Schreibweisen im Deutschen]. Doch dank dieser Leute, die mutig und unermüdlich verschiedene Möglichkeiten ausprobieren, werden wir eines Tages zu einer Sprache gelangen, die für alle passt, die sie benutzen.
An manchen Stellen lässt es sich nicht vermeiden, die zwei üblicherweise vorausgesetzten Geschlechter zu benennen (z.B. wenn es um Vergewaltigungsstatistiken und Vergleichsdaten zwischen Männern und Frauen darin geht). Zudem kann es helfen zu verstehen, wie wir zu der jetzigen Situation gekommen sind. Auch wenn dadurch die Vorstellung von zwei einander gegenüberstehenden Geschlechtern [Zweigeschlechtlichkeit, Geschlechterbinarität] wiederholt wird, soll sie nicht unterstützt und verstärkt werden. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass ich mit »Frauen« sowohl trans Frauen als auch cis Frauen meine und mit »Männer« sowohl trans als auch cis Männer, sofern ich es nicht anders angebe.
Trotz der literarischen Neuheit des Konsens-Konzepts in der spanischen Sprache wäre es albern, die Ideen in diesem Buch als neu oder als meine zu präsentieren. Im ganzen Buch gibt es Zitate von weiteren Autor*innen, um jenen Menschen volle Anerkennung zu zollen, die mein Herz und meinen Verstand mit dem Wissen gefüllt haben, das ich in diesem Text zusammenfasse. Durch die Arbeit dieser Menschen kann das Buch eine starke Waffe gegen Vergewaltigungskultur sein.
Die Bibliografie sollte als besonders hilfreiches Werkzeug betrachtet werden. Sie bietet allen eine Quelle, die mehr über die Themen dieses Buchs erfahren wollen. Die meisten aufgeführten Bücher müssen noch aus dem Englischen übersetzt werden, was nur geschieht, wenn Leute dies einfordern.
Abschließend möchte ich meine eigenen Privilegien anerkennen. Wir leben in einer Welt – in einem hierarchischen System – das bestimmte gesellschaftliche Konstruktionen anderen überordnet. Diese setzen sich mitunter aus Weißsein, beschränkten Vorstellungen von Attraktivität, Mobilität, Klasse, Nationalität, sexueller Orientierung, Glaube, Geschlecht und vielem mehr zusammen. Neben einer Reihe weiterer Privilegien, werde ich als weiße Person bevorteilt. Es wäre problematisch, die Tatsache auszulassen, dass ich aufgrund von gesellschaftlichen Vorteilen, für die ich nichts getan habe, überhaupt erst die Möglichkeit habe, dieses Buch zu verfassen. Dieses Buch ist aus einer Perspektive anglo-europäischer Privilegierung geschrieben, die ich aktiv aufzuarbeiten versuche.
Ich lasse mich anleiten von Menschen, deren Identitäten und Verortungen historisch und gegenwärtig weniger Privilegien erfahren: Schwarze Menschen, weitere Menschen ohne weiße Privilegien, trans Menschen, geflüchtete Menschen, Menschen, die beHindert werden etc. Jede wahrhaft soziale Bewegung – einschließlich der Bewegung zur Beendigung von Vergewaltigung – muss ihr zentrales Anliegen an jenen orientieren, die im Verlauf ihres Lebens gelernt haben, innerhalb und an den Rändern von Unterdrückungssystemen zu überleben. Deshalb ziehe ich es in diesem Buch sowie im Leben generell vor, Informationen aus an den Rand gedrängten Gemeinschaften zu beziehen. Ich hoffe, dieses Buch kann einen Beitrag zu einer umfassenderen intersektionalen Auseinandersetzung mit Gewalt und Ungerechtigkeit leisten. Wir brauchen dringend mehr Bezugnahmen auf das Wissen diverser Menschen, die über Konsens, über Vergewaltigungskultur und über Gewalt sprechen. Je mehr Stimmen und Perspektiven, desto besser. Dies ist nur ein Anfang und ich bin gespannt darauf, weiter zu lernen.
Liebe*r Leser*in,
danke, dass du zu diesem Buch gegriffen hast. Bevor du weiterliest, möchte ich dir ein paar vorsorgliche Worte mitgeben.
Es ist nicht leicht, zu lernen und sich neuen Ideen zu öffnen. Bildung ist körperliche und emotionale Arbeit. Besonders, wenn gedankliche Muster entwirrt werden, die wir unser Leben lang gelernt haben. Diese neurologischen Pfade sitzen tief. Neue Nervenverbindungen im Gehirn zu schaffen, erfordert Übung und Geduld. Lernen kann schmerzhafte Gefühle hervorrufen und uns an traumatische Erfahrungen erinnern, die uns als solche nicht einmal bewusst waren. Lernen kann dazu führen, dass wir uns verwundbar fühlen; so als würden die Mauern zerstört, die wir zu unserem Schutz aufgebaut haben. Lernen kann alle möglichen Gefühle erzeugen. Wenn diese Gefühle aufkommen, ignoriere sie nicht und bestrafe dich nicht für sie. Erkunde lieber, wie du auf bestimmte Themen reagierst und warum; das ist ein wichtiger Teil der Reise. Scheue nicht davor zurück, dir professionelle Hilfe oder die Unterstützung eines geliebten Menschen zu holen, um diese Gefühle zu verstehen und ihnen Raum und einen Platz zu geben.
Schuldgefühle sind eine gewöhnliche Reaktion auf ungewohnte Konzepte, etwa wenn wir uns fragen: »Wie konnte ich das bloß nicht erkennen?« Etwas nicht zu wissen, bedeutet nicht, dass du dumm oder böse bist. Die Gegenüberstellung von dumm und klug oder von gut und böse ist sowieso falsch: Wir alle haben unterschiedliches Wissen und befinden uns an verschiedenen Punkten unseres Lernens und Wachsens. Du kannst nicht wissen, was du nicht weißt. Es ist unmöglich, Fragen zu stellen, wenn wir nicht einmal wissen, dass es da eine Frage zu stellen gibt. Wir können nur stetig nach Informationen suchen und unser Bestes tun, um uns weiterzubilden. Das Ergebnis ist die Mühe absolut wert, doch der Lernprozess ist kompliziert. Rechne also damit, dass du Fehler machst. Lasse die Angst davor, irgendetwas falsch zu machen, dich nicht davon abhalten, nach Wissen zu suchen und es anzuwenden. Nimm es nicht persönlich, entschuldige dich und erkenne an, wenn du einen Fehler gemacht hast – wachse weiter.
Menschen vermitteln und empfangen Information auf unterschiedliche Weise. Manchmal tun sie es mit Wut, mit Liebe, mit Frustration, mit Traurigkeit, mit Freude oder mit einer Mischung all dieser Gefühle. Sei offen für unterschiedliche Haltungen (selbstverständlich nicht für Gewalt) und erkenne, dass sie aus persönlichen Lebenserfahrungen hervorgehen. Würdige die Gefühle anderer, so wie du deine eigenen Gefühle würdigen würdest. Vergiss nie, dass das Ziel darin besteht, unsere jeweilige Menschlichkeit anzuerkennen.
Lernen ist eine mächtige Form des Aktivismus, zu der jede einzelne Person fähig ist. Vielleicht wird dieses Buch Teil des Prozesses sein, vielleicht nicht. So oder so freue ich mich über deine Stärke und dein Interesse, weiter zu lernen.
Liebe Grüße,
Shaina
1.1Mehr als zwei Geschlechter
Menschen wollen einander verstehen. Wenn wir mit einer anderen Person in Beziehung treten, können wir manchmal etwas über unseren eigenen winzigen Platz in dieser riesigen Welt lernen. Es ist also kein Wunder, dass uns das intensiv beschäftigt. Um es uns zu erleichtern, das eigene Menschsein zu