Drug trail - Spur der Drogen. Matthias Kluger

Drug trail - Spur der Drogen - Matthias Kluger


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Und deswegen haben die mich ausgequetscht und gequält.“

      Voller Ungeduld fasste Oliver Rodrigo am Arm. „Jetzt komm zum Punkt, Rodrigo. Was für eine Story soll das sein? Welches Jackett?“

      „Das aus dem Four Seasons. Das von diesem Logan Winston, dem Vizepräsidenten“, zischte Rodrigo.

      „Das Koks war aus der Jacke Logan Winstons?“, entfuhr es Oliver, der noch immer den Oberarm Rodrigos umschlossen hielt.

      „Ja doch. Der Scheißkerl hat meine Catalina auf dem Gewissen.“

      Irgendetwas passte an der Geschichte nicht. Warum sollten Bundesbeamte einen x-beliebigen Latino verschleppen?

      „Woher wollen Sie wissen, dass es die Jacke des Vizepräsidenten war?“

      „Weil ich sie aufgebügelt habe, als ich noch im Four Seasons gearbeitet habe. Shit, Beamte des Secret Service haben sich das Jackett aus der Reinigung geholt, es sich von mir geben lassen. Und dann, am nächsten Morgen, wurde ich verschleppt.“

      „Was genau wollten die von Ihnen erfahren?“

      „Woher ich das Koks habe. Immer wieder haben sie mich das gefragt und immer wieder habe ich geantwortet, ich hätte es auf der Straße gekauft; ich sei ein Scheißjunkie, der Koks auf der Straße kauft.“

      „Und, haben Sie?“, fragte Oliver.

      „Hören Sie mir überhaupt zu, Mr. Konecki? Catalina hat den Stoff des Vizepräsidenten gezogen und ist verreckt. Die haben mich gefoltert, um herauszubekommen, was die Wahrheit ist.“

      „Gefoltert?“, hakte Oliver ungläubig nach.

      Rodrigo rückte ein wenig zur Seite, wodurch das fahle Mondlicht seine rechte Körperhälfte erhellte. Dann hob er die Hand und zog am Verband, der um seine Finger gebunden war. Als er diesen komplett abgewickelt hatte, sah Oliver auf einen entzündeten, rot gefärbten Stumpf, an jener Stelle, wo sonst der Mittelfinger seinen Platz hatte. Entsetzt starrte Oliver auf das fehlende Glied.

      „Die haben Ihnen den Finger abgeschnitten?“

      Rodrigo gab keine Antwort.

      „Okay, angenommen, ich glaube Ihnen. Außer Ihrer Story und der Wunde an der Hand habe ich nichts. Was soll ich Ihrer Meinung nach mit der Information anfangen?“

      Rodrigo neigte den Kopf zur Seite, als hätte er die Frage nicht verstanden. Dann griff er in die Tasche seines Blousons und zog ein Plastiktütchen hervor. „Das … haben sie nicht gefunden“, flüsterte Rodrigo, während er das Päckchen geheimnisvoll gegen das Mondlicht hielt. „Sie haben zwar die Wohnung durchsucht und alles auf den Kopf gestellt, aber …“

      „Was ist das?“, unterbrach Oliver.

      „Das, Mr. Konecki, ist der Stoff des Vizepräsidenten. Und ich verwette meinen Arsch, dass Logan Winston ebenso daran verreckt ist wie meine Catalina.“

      Oliver runzelte die Stirn. „Und warum kommen Sie gerade zu mir?“

      „Sie sind Chefredakteur der Washington Post. Mann, Mr. Konecki, stellen Sie sich so blöd oder muss ich Ihnen alles haarklein aufs Butterbrot schmieren? Tausende von Junkies sterben plötzlich auf unseren Straßen. Nicht an Überdosen, sondern an Toxic Drugs. Ihr Presseleute berichtet tagtäglich darüber und argumentiert, die Epidemie, an der mehr Menschen verrecken als in den Achtzigern an Aids, sei wegen eines Drogenkriegs des organisierten Verbrechens ausgebrochen. Jetzt zählen Sie doch endlich eins und eins zusammen. Und? Was fällt Ihnen dabei auf?“

      „Sie meinen, es existiert eine Verbindung der Drogenmafia zu Regierungskreisen?“

      „Bingo“, flüsterte Rodrigo. „Ich habe mir nächtelang den Kopf zerbrochen, Mr. Konecki. Weswegen geht eine Bundesbehörde ein derartiges Risiko ein, mich zu verschleppen und zu misshandeln? Doch nicht allein des Verdachts wegen, ich hätte ein Päckchen Drogen aus einem Jackett geklaut! Mit Sicherheit ist es denen auch scheißegal, dass Catalina gestorben ist. Nein, dahinter stecken andere Motive. Und der einzige Grund, der mir hierzu einfällt, ist …?“ Rodrigo schnippte mit den Fingern seiner linken Hand und runzelte fragend die Stirn.

      „Irgendjemand von ganz, ganz oben hängt da mit drin. Jemand, der die Macht hat, eine Bundesbehörde zu beauftragen. Jemand aus der Regierung.“ Oliver senkte nachdenklich den Kopf, während seine Synapsen auf Hochtouren liefen.

      „Wieder bingo“, flüsterte Rodrigo. „Überlegen Sie doch mal. Ständig berichtet ihr in euren Artikeln, dass es Drogenkartelle sind, die neuerdings ihren Krieg auf offener Straße austragen, indem sie vergiftete Drogen in Umlauf bringen. Auf dem Rücken der Junkies. Warum sollten die das machen? Würden Sie Ihre Kunden vergiften, und damit das Risiko eingehen, Ihr Geschäft zu ruinieren? Sägen Sie an dem Ast, auf dem Sie sitzen? Nein, nicht wirklich, oder? Das ist kein Machtkampf irgendwelcher Dealer um die Ecke. Da steckt ein ganz anderes Kalkül dahinter. Welches, das müssen Sie herausfinden. Ich sage Ihnen nur eines: Die Drogenkartelle haben ihre Finger überall drin. Wie Tentakel. In Banken, in der Wirtschaft, in der Politik – ja, sogar in kirchlichen Organisationen. Das ist ein Milliardenmarkt. Und ich will, dass Sie, Mr. Konecki, einen Stachel in das System treiben. Was glauben Sie, was Sie lostreten werden, wenn die Welt erfährt, dass der Vizepräsident der Vereinigten Staaten Drogen genommen hat und durch Toxic drugs vergiftet wurde? Ich garantiere Ihnen, die Lawine, die über das Land hereinbricht, wird gigantische Ausmaße haben. Vielleicht beginnt dann der eine oder andere unruhig auf seinem Stuhl zu rutschen. Wenn das passiert, haben Sie womöglich den Startschuss dafür gegeben, diesen Drogensumpf trockenzulegen.“

      Presseschlagzeile

       Mitte März – 237 Tage vor der Präsidentschaftswahl

       Säugling jämmerlich verhungert

       Rettungskräfte fanden in den Randbezirken die Leichen einer jungen Mutter und ihres Säuglings. Die Mutter ist anscheinend ein weiteres Opfer der seit Monaten kursierenden Toxic Drugs. Ihr Kind hatte allein keine Chance und ist wohl langsam und qualvoll verdurstet.

       Bislang gibt es über 35.000 Todesfälle durch Gift in Drogen. Präsident Bob Parker gerät immer weiter unter Druck. Unzufriedene und besorgte Bürger demonstrieren inzwischen täglich vor dem Weißen Haus und fordern von Politikern und staatlichen Behörden wirksame Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung.

      Einfacher als gedacht

      Seit Wochen beherrschten Tausende von Drogentoten die Schlagzeilen sämtlicher Tageszeitungen. Kräftig wurde darüber spekuliert, wer hierfür die Verantwortung zu übernehmen hatte. Drogenkartelle und deren Machtkampf, so wurde zumindest vermutet, wären die Delinquenten. Doch das eigentliche Problem sei die Machtlosigkeit der Regierung und ihrer Vertreter. Präsident Bob Thompson stand unter immensem medialem Beschuss.

      Und morgen würde auf Seite eins der Washington Post eine Schlagzeile prangen, deren Ausmaß einem unter dem Kapitol gezündeten Sprengsatz gleichkam.

      Die Recherche rund um den Drogentod des Vizepräsidenten Logan Winston gestaltete sich einfacher als von Oliver angenommen.

      Im George Washington Hospital bestätigte der behandelnde Arzt die Geschichte des Mexikaners Rodrigo Ramirez. Der Mediziner habe in der besagten Nacht die MPDC informiert, da der Exodus der jungen Mexikanerin aller Voraussicht nach nicht allein auf den Konsum von Drogen zurückzuführen war. Sein Verdacht einer Vergiftung traf zwar nicht in der vermuteten Form zu, doch das Ergebnis der Laboruntersuchungen in den darauffolgenden Tagen rechtfertigte die Entscheidung des Arztes. Exzessive zerebrale Blutungen, hervorgerufen durch einen Wirkstoff namens Epinephrin. In kleinen Dosen ein wirksames Medikament, in der im Körper der jungen Frau nachgewiesenen Menge jedoch absolut tödlich. Weitere Auskünfte könne er nicht geben, da er als behandelnder Arzt schon mehr preisgegeben habe, als die Schweigepflicht zulasse. Ausführlichere Details waren für Oliver zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr vonnöten.

      Währenddessen knöpften sich Jenny und Qualle den Sheriff des MPDC vor.


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