Drug trail - Spur der Drogen. Matthias Kluger

Drug trail - Spur der Drogen - Matthias Kluger


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waren. „Meinen Sie nicht, die Budgetfreigabe wäre ein Abendessen wert? Zur Feier des Tages?“

      In diesem Augenblick setzte der Fahrstuhl sanft im Erdgeschoss auf. Ohne dass Philipp eine Antwort auf die Frage geben konnte, traten beide aus dem Aufzug in die futuristisch gestaltete Empfangshalle. Diese wenigen Sekunden reichten aus, dass Philipp ein Gedanke durch den Kopf schoss. War dies eben die Aufforderung zu einem Date gewesen? Oder täuschte er sich?

      „Das ist doch das Mindeste, Frau Grossmann“, antwortete Philipp im Tonfall des Gentlemans. „Liebend gern und danke, dass Sie mich danach gefragt haben. Ich hätte es nicht gewagt, direkt mit …“

      „Ich habe bis zirka 19:00 Uhr hier zu tun“, fiel sie ihm ins Wort. „Wenn Sie mich abholen könnten? Und das Lokal suche ich aus, einverstanden?“ Frau Grossmann schmunzelte.

      „Klar. Perfekt. 19:00 Uhr hier am Eingang. Ich freue mich. Also, bis dann.“

      Tall slender angel

      Punkt 19:00 Uhr trat Frau Grossmann aus der gläsernen Drehtür des Verwaltungsgebäudes ins Freie. Über ihr rotes Kostüm hatte sie einen hellen Frühlingsmantel gezogen, farblich passend zu den hochhackigen Louboutin.

      „Ich liebe es, wenn Männer pünktlich sind. Es gibt uns Frauen das Gefühl der Wertschätzung.“

      „Aber sicher. Dann los, Frau Grossmann. Ich parke gleich hier.“ Philipp deutete auf den Parkplatz, wo sein dunkler Porsche Cayenne geparkt stand. Ganz Kavalier öffnete er der Marketingleiterin die Beifahrertür und wartete ehrerbietig, bis sie eingestiegen war. Dann lief er um den Wagen herum und startete den Motor.

      „So jung und schon ein so teures Spielzeug.“ Mit hochgezogenen Brauen fuhr Frau Grossmann bedächtig über das Armaturenbrett.

      „Keine Angst, Frau Grossmann, das ist ein Firmenwagen. Wohin soll’s denn gehen?“

      „Kennen Sie das Horváth in Kreuzberg?“

      „Klar. Glauben Sie, dass wir dort um diese Zeit ohne Reservierung einen Tisch bekommen?“

      „Das lassen Sie meine Sorge sein, Philipp. Ich darf doch Philipp sagen?“

      „Kein Problem“, antwortete er kurz grübelnd, ob sich dieses Privattreffen negativ auf die weitere Zusammenarbeit auswirken könnte. Doch gleich darauf verwarf er den Gedanken wieder.

      Das Glück war auf ihrer Seite, als sie direkt vor dem Lokal am Paul-Lincke-Ufer eine Parkbucht fanden. Gemäß der Etikette ließ es sich Philipp abermals nicht nehmen, seiner eleganten Begleitung die Fahrzeugtür zu öffnen. Die Aprilsonne senkte sich über die Dächer von Kreuzberg, als sie das Restaurant betraten.

      „Guten Abend, die Herrschaften.“ Ein junger Kellner in schwarzem Hemd und schwarzer Hose begrüßte die Gäste überschwänglich.

      „Ich habe reserviert, auf Grossmann.“

      „Augenblick, die Dame, ich sehe kurz nach.“ Der Kellner fuhr betont konzentriert mit dem Zeigefinger über die Eintragungen in einem ledergebundenen Kalender. „Da haben wir es. Zwei Personen für 20:00 Uhr. Gut, dass Sie rechtzeitig reserviert haben. Hach, derzeit würden wir zwei Restaurants voll bekommen. Ich zeige Ihnen Ihr wunderschönes Plätzchen. Darf ich?“ Der junge Ober lief im Stechschritt und mit ausladendem Hüftschwung durch das holzvertäfelte Lokal, vorbei an einer langen Theke bis in den hinteren Bereich des Restaurants. „Bitte sehr. Ich bringe Ihnen umgehend die Karte. Darf es ein Aperitif sein?“

      Das Menü war, wie nicht anders zu erwarten, ausgezeichnet. Zur Vorspeise wurde Leindotterölvinaigrette mit Maränenkaviar serviert, gefolgt vom Hauptgang, einer Eismeerforelle mit Paprikaaromen.

      Die zu Beginn etwas zurückhaltende Konversation entspannte sich nach nur wenigen Minuten, was neben dem Aperitif auch einem hervorragenden Rotwein zuzuschreiben war.

      Als kurz nach elf Uhr der Nachtisch abserviert wurde, faltete Philipp seine weiße Stoffserviette zusammen und lehnte sich entspannt im Stuhl zurück: „Noch einen Kaffee oder Espresso?“

      „Gern. Aber wollen wir den vielleicht woanders trinken? Ich glaube, ich brauche ein wenig frische Luft. Der Rotwein.“ Frau Grossmann lächelte und fächelte sich mit der Nachspeisenkarte zu, um ihrem Wunsch Nachdruck zu verleihen.

      Philipp beglich die Rechnung und wenig später saßen sie im Wagen, dessen glänzend schwarzlackierte Motorhaube die Lichter Berlins widerspiegelte.

      „Kaffee. Das war das Stichwort. Haben Sie einen besonderen Wunsch, Frau Grossmann?“

      „Nur einen. Es sollte angenehm ruhig sein. Der ganze Tag heute im Büro und jetzt das volle Restaurant. Den Abend in Ruhe ausklingen lassen – das wäre perfekt, oder?

      „Hmmh.“ Philipp verzog nachdenklich das Gesicht. Noch bevor er einen Vorschlag anbringen konnte, kam ihm Frau Grossmann zuvor: „Wohnen Sie nicht in dieser Ecke von Berlin?“

      „Ganz recht. Keine zehn Minuten von hier. Alt-Treptow, in der Krüllstraße.“

      „Hätten Sie Lust, den Kaffee bei Ihnen zu trinken? Nur wenn es keine Umstände macht. Anschließend lasse ich mir ein Taxi kommen, damit Sie nicht mehr fahren müssen.“

      „Gern. Ein Kaffee im Restaurant Baker. Klingt perfekt.“

      Als Philipp fünfzehn Minuten später die Dreifachverriegelung zu seiner Wohnungstür aufschloss, stand Frau Grossmann so dicht hinter ihm, dass der Hauch ihres Parfums seine Nase umspielte.

      „Das ist ja wie in Fort Knox bei Ihnen.“

      „Sicherheit geht vor. Kurz vor Weihnachten wurde in meine Wohnung eingebrochen. Junkies! Aber jetzt“, Philipp klopfte auf das Holz der Eingangstür, „kommt hier keiner mehr rein.“

      Die Wohnung aus den sechziger Jahren besaß keinen der üblichen Eingangsflure. Alle Innenwände waren entfernt und der Statik wurde durch massive, frei stehende Betonpfeiler Rechnung getragen.

      „Machen Sie es sich bequem, fühlen Sie sich wie zu Hause.“

      Frau Grossmann zog den Mantel aus, winkelte ihr linkes Bein an, streifte sich den Schuh ab und ließ ihn ebenso achtlos wie den Mantel auf das Parkett fallen. Gleich darauf folgte der zweite Louboutin. Dann lief sie durch den etwa achtzig Quadratmeter großen Wohnraum und besah sich das Interieur.

      „Sie beweisen Geschmack, Philipp. Aber das dachte ich mir schon. Von wem ist das Bild?“, fragte sie und deutete auf ein mächtiges, modernes Ölgemälde über der weißen Ledercouch.

      „Rayk Goetze, Neue Leipziger Schule“, antwortete Philipp, der hinter der Küchenzeile stand, die in den Wohnraum integriert war. „Ich hätte noch einen Valdo im Angebot, oder doch lieber Kaffee?“

      „Beides, wenn machbar“, antwortete Frau Grossmann, ohne den Blick vom Gemälde abzuwenden. Dann, als habe sie eine Eingebung, lief sie zur Küchentheke und nahm auf einem der Barhocker Platz. „Wirklich schön haben Sie’s hier, Philipp. Wohnen Sie allein in Berlin?“

      „Nein, meine Mutter wohnt ebenfalls in der Stadt. Mein Vater und mein Bruder leben in den Staaten.“

      „Sie haben einen Bruder?“

      „Robert, ja, mein Zwillingsbruder. Allerdings bin ich der Hübschere.“ Philipp feixte.

      „Dessen bin ich mir sicher“, entgegnete Frau Grossmann augenzwinkernd.

      Philipp ließ den Korken knallen und schenkte den Prosecco in zwei Glasschalen. „Cheers, Frau Grossmann. Auf Sie.“

      „Auf uns, Philipp. Wir waren heute ein unschlagbares Team. Nennen Sie mich bitte bei meinem Vornamen, wenn wir uns privat treffen. Ich heiße Heidi.“

      „Heidi, angenehm, Philipp.“ Er hob die Sektschale in die Höhe.

      „Wollen wir nicht aufs Sofa? Ist gemütlicher.“ Heidi lächelte, rutschte elegant vom Hocker und schlenderte am Prosecco nippend zur Couch. Philipp folgte ihr und setzte sich mit etwas Abstand


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