Jeder Mensch will ankommen. Sven Lager

Jeder Mensch will ankommen - Sven Lager


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Ziel ist, auch andere Sharehäuser bzw. Refugios anzustoßen, zu inspirieren und zu beraten.

      Im Refugio arbeiten vier Angestellte verschiedener Berufsrichtungen ergänzt durch Praktikanten, und etwa zwanzig bis dreißig Ehrenamt­liche, die nicht im Haus wohnen. Die Bewohner haben sich vor Einzug verpflichtet, an der Gestaltung des gemeinschaftlichen Lebens teilzunehmen und auch ehrenamtlich einzelne Aufgaben zu übernehmen wie im Café mitzuarbeiten.

      Die Hauskosten werden durch die Mieten von Bewohnern und sonstigen Nutzern getragen. Die Personalkosten müssen durch wirtschaftliche Aktivitäten (Café, Catering), Zuschüsse und Spenden aufgebracht werden. Das Defizit der Anfangsjahre und das finanzielle Risiko trägt die Berliner Stadtmission.

      Als Kooperationspartner im Haus trägt die Gemeinde „Kreuzberg­projekt“ (eine Gemeindegründung des Bundes Freier evangelischer Gemeinden) mit der Gestaltung der Gottesdienste und der Beteiligung an Gebetszeiten und Glaubenskursen einen wesentlichen Teil zur geistlichen Arbeit bei. Geistliche Kernzelle ist die Refugio-Weggemeinschaft aus Mitarbeitenden, Mitbewohnern, Ehrenamtlichen und weiteren Stadtmissionaren.

      Geistliche Grundlage für die Entwicklung des Sharehaus Refugio ist das Vertrauen auf den lebendigen Gott. Sein Herz schlägt dafür, dass es Versöhnung gibt und nicht Hass, Frieden und nicht Krieg, Vertrauen und nicht Misstrauen, Gastfreundschaft und nicht Vertreibung, Heilung und nicht Verletzung. Wie sehr er daran interessiert ist, hat er in Jesus von Nazareth gezeigt, der mit seinem Leben genau dafür eingetreten ist und seinen Kopf hingehalten hat.

      Und Jesus hat sehr deutlich gemacht, dass das Reich Gottes oder „Himmelreich“ nicht erst in der Zukunft liegt, sondern hier und jetzt beginnt, mitten unter uns und in uns (Lukas 17,21). Das bedeutet nicht, dass wir das Reich Gottes erschaffen könnten, aber doch, das wir ihm bewusst und aktiv Raum geben können – bzw. dass der Heilige Geist durch Menschen jetzt schon beispielhaft und punktuell Reich Gottes geschehen lässt. Nämlich da, wo Gottes Wille geschieht, seine Interessen Raum bekommen, jetzt schon etwas vom Himmel sichtbar wird.

      Deshalb verstehen wir unsere Arbeit als „Werkstatt für Himm­lische Gesellschaft.“

      Wie sich die Bibel solch eine himmlische Gesellschaft vorstellt, können wir zum Beispiel im Epheserbrief (Kap. 2) und in der Johannesoffenbarung (Kap. 21) lesen.

      Daraus ergeben sich vier Kennzeichen der Werkstatt für Himm­lische Gesellschaft.

      1. Hier wohnt Gott in einer bunten WG

      Die Johannesoffenbarung zeigt sehr klar, dass Gott offenbar überhaupt kein Interesse hat an einem Himmel, der mit der Erde nichts mehr zu tun hat, einem Himmel, der nur als ewige Belohnung auf die Gerechten wartet. Da will Gott überhaupt nicht wohnen. Sondern er zieht um, höchstpersönlich: vom Himmel auf die Erde. „Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, schön wie eine Braut, die sich für ihren Bräutigam geschmückt hat. Und vom Thron her hörte ich eine mächtige Stimme rufen: ,Seht, die Wohnung Gottes ist jetzt bei den Menschen! Gott wird in ihrer Mitte wohnen; sie werden sein Volk sein – ein Volk aus vielen Völkern, und er selbst, ihr Gott, wird immer bei ihnen sein‘“ (Offenbarung 21,2-3 Neue Genfer Übersetzung).

      Genau durch diesen Umzug Gottes wird die Erde rundum erneuert. Am Ende der Zeiten. Und zwar endgültig. Aber damit bringt er ja nur zu Ende, was er längst schon angefangen hat. Einer der Berichte über Jesus, das Johannesevangelium, sagt: In Jesus ist Gottes Wort schon in die Welt gekommen und „wohnte unter uns“. Wir merken: Himmlische Gesellschaft hat eine Menge damit zu tun, wo Gott wohnt. Er liebt Wohngemeinschaften (statt getrennter Unterbringung). Wir dürfen seine Hausgenossen sein (Epheser 2,19). Aber wer wohnt da noch? Beide Bibelabschnitte machen unmissverständlich klar, dass die himmlische Gesellschaft multikulti sein wird. Weil Jesus die Zäune abgerissen und die Feindschaft überwunden hat.

      2. Ein Raum der Heilung

      „Er wird alle ihre Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid und keine Schmerzen, und es werden keine Angstschreie mehr zu hören sein“ (Offenbarung 21,4).

      Was die Werkstatt für Himmlische Gesellschaft vor allen anderen auszeichnet, ist Folgendes: Hier werden Traumata geheilt. Hier werden Geschichten erzählt und angehört, egal wie erschütternd sie sind. Familientragödien und Fluchtgeschichten. Geschichten von Chancenlosigkeit und Verzweiflung. Von Verfolgung und Gewalt. Von Perspektivlosigkeit und Einsamkeit. Da dürfen Tränen fließen und werden dann behutsam abgewischt. Und die Angst weicht – langsam aber sicher.

      Das wird nicht erst im Himmel geschehen, sondern wird jetzt möglich, wo Menschen durch den Heiligen Geist direkten „Zugang zum Vater“ (Epheser 2,18) bekommen und die überschwängliche Kraft Gottes in sich spüren (Epheser 3,20; vgl. die Erzählungen von Alex sowie die Geschichte von Meriem in Kapitel 5).

      3. Die Überwindung der Religionen

      „Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt. Der Herr selbst, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel, er und das Lamm“ (V. 22).

      Das ist eine hochinteressante Aussage. Der Tempel ist das Symbol für Religionen. Bei dem Stichwort denken viele direkt an Religionskriege. Leider zu Recht. Religionen können grausamen Unfrieden säen. Wenn jede darauf beharrt, allein recht zu haben. Auch in Epheser 2 beruht die Feindschaft ja auf der Rechthaberei von Religionen, die Christus in seiner Person überwindet, aber nicht, um eine neue rechthaberische Religionsgemeinschaft zu gründen.

      Nach der Vorstellung der Bibel werden am Ende die Religionen abgeschafft und zwar alle. Denn Religionen sind ja irdische Formen der Verehrung von Göttlichem und zugleich menschliche Gebilde mit Organisationsformen und Machtstrukturen. Auch die christliche „Religion“. Insofern hat auch das „Christentum“ in Gottes Neuer Welt keinen Platz mehr.

      An die Stelle tritt eine unmittelbare Beziehung zum lebendigen Gott. Wir Christen können dabei nicht anders als an Jesus denken, das Lamm Gottes, der mit seinem Leben und Sterben die grenzen­lose Hingabe Gottes gezeigt hat. Das bedeutet: In einer Werkstatt für Himmlische Gesellschaft kann es nicht darum gehen, dass die einen versuchen, den anderen ihre Religion überzustülpen. Sondern dass es Raum gibt, in dem Menschen jetzt schon dem lebendigen Gott selbst begegnen können. In diesem Raum bezeugen Christen fröhlich, wovon sie bewegt werden und überzeugt sind, und treten so „den Beweis des Geistes und der Kraft“ an (Lessing). Indem sie sich aber zugleich für die Glaubenszeugnisse anderer interessieren und sie ernst nehmen, schaffen sie einen Raum, der von Vertrauen statt von Rechthaberei geprägt ist.

      4. Die Wertschätzung kultureller Vielfalt

      „Die Völker werden in dem Licht leben, das von der Stadt ausgeht, und von überall auf der Erde werden die Könige kommen und ihren Reichtum in die Stadt bringen. Die herrlichsten Schätze und Kostbarkeiten der Völker werden in die Stadt gebracht. Aber etwas Unreines wird dort niemals Einlass finden“ (Offenbarung 21,24.26+27).

      Alle Völker haben etwas einzubringen. Kochkünste und Musik. Tänze und Gedichte. Sprachen und Kunstwerke. Geschichten und Weisheiten. Da wird auch nicht mehr in Hilfsbedürftige und Helfer eingeteilt, sondern jeder hat etwas beizusteuern in die himmlische Gesellschaft.

      Aber: Nicht alles hat dort Platz. Was die Gemeinschaft untereinander und mit Gott stört, bekommt keinen Raum zur Entfaltung mehr. Das gehört da nicht hin, darf nichts mehr kaputt machen. Dort wird immer wieder neu sortiert, was das Leben fördert und was nicht (hinter kultischen Begriffen wie „Unreines“ steckt in der Bibel in aller Regel die Abwehr von lebensbedrohlichen Einflüssen). Dieses Sortieren geschieht „im Licht des Lammes“ (V. 23). Das bedeutet: nicht nach dem Recht des Stärkeren, sondern nach dem Kriterium der Hingabe.

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