Mein Überlebenslauf. Eva-Maria Admiral
Bestrafung waren Sätze wie: „Du weißt, dass du jetzt in die Hölle kommst.“ Das Sprechverbot war eine harte Bestrafung. Alle anderen Kinder in der Gruppe durften eine Woche lang nicht mit Frau Admiral sprechen und keinen Kontakt zu ihr aufnehmen. Es sollte den Effekt einer Einzelhaft bewirken. Wenn jemand erwischt wurde, der trotzdem mit Frau Admiral sprach, hatte dieser die gleiche Strafe zu erwarten. Das Ausstoßen aus der Gruppe war eine beliebte Strafe. („Mit einem schlechten Menschen soll man keinen Kontakt haben, damit man nicht selber schlecht wird.“)
Schon während ihres ersten Jahres im Internat entwickelte Frau Admiral gravierende Schlafstörungen, die sich im Lauf der Zeit verschlechterten. Da die Kinder mit Bestrafung zu rechnen hatten, wenn sie nicht schlafen konnten, erzeugte allein die Tatsache, wieder schlafen gehen zu müssen, Druck und Angst, erhöhte den Stress und setzte für Frau Admiral einen Teufelskreis in Gang, der es ihr beinahe unmöglich machte einzuschlafen. Die Bestrafung erfolgte nach einem Dreistufenplan. Die erste Stufe der Strafenabfolge war, dass sie alleine in der Nacht den Internatsgang putzen musste. Die Gänge schienen dem Kind zu dieser Zeit unendlich groß und lang zu sein.
Der folgende Schritt war die Aussage der Schwester: „Nimm dein Bett und geh.“ Die implizite Bedeutung dieses Satzes war, dass das Mädchen nicht wie gewohnt in ihrem Schlafsaal übernachten durfte, sondern allein in dem großen Studiersaal im Keller übernachten musste.
Die dritte Variante war das Knien auf einem Holzscheit. Seit dieser Zeit leidet Frau Admiral an Schlafstörungen. Schon vor circa zwanzig Jahren war sie das erste Mal im Schlaflabor, bei Dr. Saletu im AKH. Dieser hatte festgestellt, dass das Gehirn von Frau Admiral, sobald sie sich am Abend niederlegte, in konstanter Alarmbereitschaft war, wie das im Fall von Traumatisierung zu beobachten ist. Offensichtlich sind Schlaf und Gefahr seit dieser Zeit miteinander gekoppelt. Ausführliche ärztliche Befunde zur Traumatisierung diesbezüglich liegen vor.
Es folgen Beschreibungen sexueller Übergriffe, die ich den Lesern hier ersparen möchte. Weiter im Protokoll:
Weiter musste sich Frau Admiral im Internat zweimal in der Woche duschen. Häufig wurde dieser Vorgang von Schwester Brigitte beobachtet, mit der Begründung, dass das Kind schmutzig und nicht sauber genug sei. Ebenso unterstützte Schwester Brigitte Eva-Maria beim Waschen, indem sie das Kind mit einem groben, grünen Putzfetzen im Intimbereich abrieb.
Frau Admiral war in all den Jahren eine sehr gute Schülerin und hat das Gymnasium mit Auszeichnung beendet. Danach erhielt sie ein Begabtenstipendium für die Universität Sorbonne, Paris. Frau Admiral hat beim Verlassen des Internates ihren Vornamen sofort geändert und sobald es gesetzlich möglich war, ebenso ihren Nachnamen geändert, um eine neue Identität zu finden.
Bereits vor dem Gespräch mit Karin Roth beginnt bei mir das große Zittern. Ich kann und will diese Dinge eigentlich nicht aussprechen. Ich fühle mich schuldig, dass mir so etwas passiert ist.
Und nach meiner Aussage fühle ich mich zurückversetzt in eine alte Identität. Wieder zehn Jahre alt, wieder sprachlos. Ich stehe so sehr neben mir, dass, wenn ich mich nicht in den Griff bekommen hätte, ich mich am liebsten vor die U-Bahn geworfen hätte. Darüber zu sprechen war keine wirkliche Erleichterung. Ich hatte wirklich geglaubt, dass ich meine Vergangenheit nach all den Jahren abgelegt hatte.
Dass es ein katholisches Internat war, ist nicht entscheidend. Katholisch, evangelisch, freikirchlich, staatlich: Diese Dinge passieren in Internaten aller Couleur. Doch bei mir hatte die religiöse und missbräuchliche Erziehung dazu geführt, dass ich bis heute fromme Sprüche meide. Auch mit vielen frommen Normen kann ich nichts anfangen. Ich kann Predigten, bei denen ich vermute, dass der Prediger selbst nie Leid erfahren hat, nicht ernst nehmen. Sie machen mich aggressiv. All das erinnert mich an die frommen Sprüche meiner Peiniger. Dass ich heute Vater im Himmel sagen kann, ist für mich erstaunlich.
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