Dunkler Paladin. Cole Brannighan

Dunkler Paladin - Cole Brannighan


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Ihr wisst, dass die Anfertigung solcher Einzelstücke sehr aufwendig ist«, bemerkte Darheisen und spuckte auf den mit Sand bestreuten Boden der Schmiede.

      Talisa griff in die Tiefen ihres Pelzmantels und förderte ein goldenes Collier in den Feuerschein der Schmiede. Sie warf das Geschmeide auf den Amboss und sah den Schmied kalt an. Der begaffte mit gierigen Augen die Goldkette. »Für solch gute Kunden lege ich noch einen drauf. Hiron, bring mir den Drachenarm!«, schrie er nach draußen.

      Etwas später stolperte der Junge mit einem großen Gegenstand in die Schmiede.

      Darheisen nahm das Teil entgegen und klopfte mit seinen Bärenpranken gegen die silbrig glänzenden Schuppen. »Die neueste Mode bei Nordmännern. Schuppen statt Ketten. Beweglich und dennoch dicht genug, um Hieben und Stichen zu trotzen. Ich habe die Technik mit dem Drachenarm kombiniert, der üblicherweise aus Schienen mit Verbundgelenken besteht.« Er fuhr stolz über die Schuppen, die sich wie Dachschindeln überlappten. »Probiert es an.«

      Er hielt Schmutzbart den Armpanzer hin und rümpfte die Nase.

      Schmutzbart ließ seinen Pelzmantel fallen und entblößte mehrere Schichten fadenscheiniger Hosen und Hemden, die er übereinander trug. Die obersten Löcher wurden von unteren Schichten abgedeckt, untere Löcher und Risse von oberen intakten Schichten. In einem Kopf, dem kein Verstand innewohnte, machten die Dinge ihren eigenen Sinn. Er hätte wie ein Bettler ausgesehen, wenn nicht diese Riesenkeule gewesen wäre, die er an der Seite trug. Er nahm den Drachenarm entgegen, zog ihn über die Hand hoch zur Schulter und ließ sich von Darheisen die Bänder an der Unterseite des Oberarms und an der Schulter festschnüren.

      »Na also, langsam machen wir aus Schmutzbart einen Krieger, was?«, murmelte Talisa.

      »Vater Klein fragt sich, warum wir keine Pferde genommen haben?« Schmutzbart legte sich den Hammer lässig über die Schulter.

      »Vater Klein sollte lieber darauf achten, dass er sich nicht seine Murmeln in der Scheißkälte abfriert! Nahende Reiter rufen immer Wachen auf den Plan und wir wollen keine Aufmerksamkeit erregen. Wenn wir zu Fuß den Haftturm betreten, werden uns höchstens zwei Stadtwachen inspizieren. Ich will sehen, in welchem Zustand meine Männer sind, danach werde ich versuchen, sie freizukaufen, was nur funktioniert, wenn wir hier keinen Aufstand machen.«

      Aus dem Schneegestöber entwand sich der graue Haftturm. Es war eine Stein gewordene Hässlichkeit, eine Beleidigung fürs Auge. Zwei Stadtgardisten vergruben ihre Münder hinter ihren Stehkragen und beäugten ihr Kommen.

      Talisa schritt erst an das Tor zum Innenhof heran, bevor sie ihr Gesicht entblößte. Kaum, dass sie es getan hatte, öffnete man ihr das Tor.

      »Hauptmann Talisa«, sprach sie ein Wachoffizier an, »wir dachten, Ihr wäret … «

      »Tot? Nein, selbst die Pest vergeht schneller als ich. Sagt, wo sind die Bezwinger untergebracht?« Sie blickte nach, wo sich die beiden Flügel des Hoftors schlossen, weil die Gardisten das Gegengewicht am Seil über einen Flaschenzug herunterließen. Der Sack plumpste neben einem aufgeschichteten Haufen aus gefrorenen Pferdeäpfeln in den Schnee.

      Ein Stallbursche, etwa zehn Sommer alt, hinterließ Trittspuren im unschuldigen Weiß, während er die Äpfel auflas und in einen Eimer legte, den er bei sich trug. Als er Talisa sah, eilte er wieder zurück zu den Ställen auf der linken Seite.

      Der Wachoffizier fuhr über sein schütteres Haar. In seinen Augen blühte Furcht. »Ich habe lediglich Befehle ausgeführt, Hauptmann Talisa, ehrlich.« Er nestelte an seinen olivgrünen Handschuhen.

      »Ist schon gut, Ihr tut Eure Pflicht. Wer hat ihre Inhaftierung angeordnet?«

      »Der Berater des Königs. Ihr wisst, ich musste das tun, Loyalität ist … «

      »Loyalität?!«, unterbrach sie ihn barsch. Sie zwang sich zur Mäßigung. Obwohl die Liste ihrer Feinde eine weitere Zeile gewonnen hatte, mussten die Dinge in einer strengen Reihenfolge bleiben. Sie besann sich zurück zur Ruhe und schluckte ihren Zorn runter. Vorerst. »Führt mich zu ihnen«, befahl sie. »Und für jeden Mann der fehlt, werde ich Euch ein Körperteil abhacken, verstanden?«

      Sie folgten dem Wachoffizier über die Außentreppe in den Haftturm. Ein paar Gardisten polierten in aller Ruhe ihre Schwerter und wickelten die Speerschäfte ab, um sie mit neuem Leder zu versehen. Sobald sie Talisa erblickten, schossen sie in die Höhe. Als Söldnerin hatte sie nicht über ihnen gestanden, doch man kannte sie und ihren Ruf. In der folgenden Stille hörte sie das Brutzeln von Hammelkeulen über dem Kaminfeuer, das die Kälte aus dem Gemäuer nicht zu vertreiben vermochte, da es aus allen Rissen und Löchern – den Hauptbestandteilen des Bauwerks – zog. Es grenzte an ein Wunder, dass das Ding überhaupt noch stand. Man konnte nicht leugnen, dass hier der Abschaum der Stadtgarde die Verdammten einkerkerte, derer sich niemand scherte. Es roch nach Kohle, Waffenfett, geschwängert vom Hauch nach Unrat und Urin. Fackeln beleuchteten die Stufen, die mehr Trittkuhlen als Treppenstufen waren.

      »Hier sind Eure Bezwinger, Hauptmann, alle wohlauf.« Am Flüstern des Wachoffiziers wurde offensichtlich, dass er sich selbst und Talisa belog.

      Von der Decke hingen Ölschalen herab, die Dämmerlicht in die Gemeinschaftszelle warfen. Einige Männer lagen auf Pritschen und schliefen, andere lungerten auf dem Boden herum und unterhielten sich. Sie sahen abgehärmt aus, ungewaschen, unrasiert und demoralisiert.

      »Heute kommt die Palastwache. Eure Männer sollen verlegt werden. Wenn Ihr mit ihnen redetet … «, begann der Wachmann.

      »Aufschließen, sofort!«, unterbrach ihn Talisa, die Schwierigkeiten hatte, ihre Mordlust im Griff zu behalten.

      Der Gardist stutzte. »Herrin, der Berater des Königs hat keinen Befehl dazu gegeben.«

      Talisa blickte auf das Elend in der Zelle. Eine der Gestalten richtete sich auf und trat auf die Gitter zu. Er hielt sich daran fest und blickte ihr in die Augen.

      »Hauptmann«, hauchte er, »Ihr seid es!« Blessuren überzogen seinen Kahlkopf, sein Gesicht wirkte eingesunken. Es war ihr Unterführer Hammling.

      »Hauptmann Talisa«, raunte ein anderer. Die Kunde ihrer Gegenwart sickerte in die Herzen der Verzweifelten und Vergessenen und sorgte für aufkeimende Hoffnung in ihren müden Augen.

      »Ausrüstung?«, fragte Talisa gefühllos.

      »Im ersten Stock. Bei allen Heiligen, es fehlt nichts! Bitte Hauptmann, der Berater … «, stammelte der Wachoffizier.

      Lebe deine Wut.

      Talisa packte den Gardisten am Hinterkopf und rammte sein Gesicht zwischen die Gitter.

      Er fiepte vor Schmerz, als sein Jochbein brach.

      »Krieger sollten in der Schlacht sterben und nicht in feuchten Kellern verrotten. Wenn der König seinen Helden, die für ihn geblutet haben, das antut, dann möchte ich nicht länger in seiner Gunst stehen!« Stahl lag in ihrer Stimme.

      Die Blicke der Bezwinger bohrten sich in die Augen des Gardisten, die sich vor Furcht weiteten. Hände griffen nach ihm, kramten einen Schlüsselbund aus seiner Tasche. Andere zogen ihn an die Gitter heran, wühlten in seinen Taschen, rammten ihm das eigene Messer immer und immer wieder in den Wanst. Er kreischte vor Schmerz.

      »Was ist da unten los?«, schrie eine Stimme aus dem Erdgeschoss. Kurz darauf schossen zwei Männer mit Schwertern und Schilden nach unten.

      Schmutzbart schlug den Schnabel seines Kriegshammers auf den Kopf eines der Männer, während sein Kollege von den Bezwingern überrascht wurde, die aus der Zelle herausstürmten und ihn überwältigten. Sie hielten ihn fest, zerkratzten sein Gesicht, hieben ihm auf Brust und Bauch, bissen und traten ihn. Es brauchte nicht lange, bis sein Körper erschlaffte. Danach stürmten die Bezwinger nach oben. Schreie ertönten, dann war es still.

      »Hauptmann, Ihr seid es. Ich habe nicht einen Moment daran gezweifelt!«, begann Hammling mit leuchtenden Augen. »Eure Befehle?« Trotz der Strapazen seiner Gefangenschaft drückte


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