Dunkler Paladin. Cole Brannighan

Dunkler Paladin - Cole Brannighan


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sich mit dem Ärmel die Säure von den Lippen und ließ sich gegen die knirschende Bretterwand der Kate sacken.

      Beim Betreten der Kate meinte sie, ihren Augen nicht trauen zu können.

      Finn hatte sich aufgerichtet und rieb sich den Nacken. Er sah etwas zerknirscht aus, nichts, was man nicht mit Wasser und einer Rasur wieder hinkriegen konnte.

      »Hast du noch immer keine Angst, dass ich dich ausliefern könnte?«, fragte er mit kratziger Stimme.

      »Gestern hast du noch gezittert und heute machst du einen auf starken Krieger? Du hättest ruhig schon früher aufstehen können, das hätte mir viel Arbeit erspart!«, frotzelte Khalea. Sie wollte sich nicht die Blöße geben, ihm zu zeigen, dass sie sich freute, ihn am Leben zu sehen. Einsamkeit hatte ihr nie viel ausgemacht, aber sie musste sich eingestehen, dass sie schon zu lang auf sich allein gestellt war.

      »Wie lange war ich weg?«

      »Zwei Tage, zwei Nächte. Ich werde dir das in Rechnung stellen.«

      »Viel zu lange! Was ist mit dem Höllenschwamm?«

      »Der hat sich verkrochen, nachdem du ihn angekokelt hast.«

      »Dann ist gut«, meinte Finn und verlor sich im Tausendmeilenblick. »Ich muss meine Aufgabe erledigen, der Großmeister verlässt sich auf mich.«

      »Und jetzt?«

      »Ich muss Wolfsblut Meena finden.«

      Khalea nickte in Richtung seiner Wunde. Dann sah sie auf den Boden, wo der Verband lag. Eine eitergrüne Paste klebte an ihm. Sie trat an Finn heran und drückte ihm in die Seite.

      »Au, verdammt, lass das!«, schrie Finn und zuckte von ihr weg.

      »Hab dich nicht so.« Sie ließ sich nicht beirren und fingerte weiter herum. »Ich wusste nicht, dass ihr Kampfpriester solche Mädchen seid.«

      Finn schob ihre Hand weg. Bevor er etwas sagen konnte, klatschten ihm bereits seine Klamotten ins Gesicht.

      »Die dürften jetzt trocken sein. Den Plattenharnisch solltest du flicken lassen.«

      »Kannst du dich umdrehen, damit ich mich anziehen kann?«

      »Ich habe schon alles gesehen. Was glaubst du, wer dich gepflegt hat, die heilige Henne?«

      Er schob die Decke beiseite und zog sich an, während er hin und wieder vor Schmerz das Gesicht verzog. »Was hat es mit diesem Turmalinsplitter auf sich?«

      Khalea gab Farnkraut in den Kupferkessel und rührte ihn mit einem Stock in den Sud, damit entzog sie sich der Antwort, die ihr selbst Kopfzerbrechen bereitete. Ein Tee würde helfen, ihre Gedanken zu sortieren. »Der alte Leuchtturm«, wechselte sie das Thema.

      »Welcher Leuchtturm?«

      »Du hast mir bei meiner Suche geholfen und jetzt helfe ich dir bei deiner. Wolfsblut Meena oder Schwester Meena, wie du sie nennst, lebt im alten Leuchtturm an der Trümmerküste, eine halbe Tagesreise zu Fuß entfernt.«

      Finn stand auf und griff nach der Lahras, die neben dem Kamin ruhte. »Gut. Ich suche Flöckchen und dann fliegen wir. So sparen wir Zeit.« Er warf einen Blick durch das Fenster. »Es dämmert. Ich will vor Einbruch der Nacht dort sein.«

      »Ich habe geahnt, dass du das sagen würdest. Dieses Vieh wartet seit gestern hinter der Kate. Keine Ahnung, wie es dich gefunden hat, aber es scheint einen Narren an dir gefressen zu haben«, erwiderte Khalea. Sie mochte das Tier nicht. Es hatte Reißzähne und Eigenheiten, die einem die Nackenhaare zu Berge stehen ließen. Wenn es schlief, konnte man nicht daran vorbeigehen, ohne dass ein Augenlid hoch flatterte und die Nickhaut darunter sichtbar wurde. Es wirkte wach, obwohl es schlief.

      Finn zog die Halskette nach rechts und ließ Flöckchen in einen Sinkflug um den Leuchtturm gleiten. Großlaibs Firmament mit seinem Heer aus Sternen glänzte, spiegelte sich auf dem Ozean, dessen Wellen an die schroffe Felsküste unter dem Leuchtturm brandeten. Finn wunderte sich nicht, dass oben in der Leuchtkammer kein Licht brannte, der Schiffsfriedhof hatte schon erahnen lassen, dass hier niemand mehr die Kapitäne vor der Gefahr warnte.

      Finn landete mit Khalea am Waldsaum und ließ Flöckchen freien Lauf, damit sie sich zwischen den Bäumen ihr Nachtmahl jagen konnte.

      Khalea grummelte etwas von Schuppen und Nickhäuten, während sie Flöckchen nachsah.

      Sie standen nur einen Steinwurf vom Leuchtturm entfernt und nahmen das alte Gebäude in Augenschein.

      »Sieht unbewohnt aus«, bemerkte Finn und kratzte sich die Oberlippe mit Daumen und Zeigefinger. »Sicher, dass sie hier leben soll?«

      »Ich war gestern erst zum Kuchenessen bei ihr. Wir haben Tee getrunken und einen Plausch gehalten. Schon mal daran gedacht, dass Menschen mit dem Beinamen ›Wolfsblut‹ auch wölfisch leben?«

      Finn prüfte den Sitz seiner Lahras, zog seinen Umhang glatt und straffte den Rücken, dann machte er sich auf den Weg. Er trat zwischen dem Kies auf die Grasbüschel, um möglichst wenig Geräusche zu verursachen. Über zwei Granitstufen gelangte er an die Tür, die aus ein paar stümperhaft zusammengezimmerten morschen Brettern bestand.

      Er klopfte und lauschte, aber außer dem Meeresrauschen und dem Rascheln der Bäume hinten am Waldsaum hörte er nichts.

      Niemand öffnete.

      Finn fasste sich ein Herz und stieß die Tür auf.

      Großlaibs Licht flutete durch Sichtschlitze ein gewendeltes Treppenhaus mit glatten Stufen, über die der Wind mit einem Pfeifen nach oben fuhr.

      Er wartete, bis auch Khalea drinnen war, zog seine Lahras und ging nach oben. Obwohl das Gebäude verlassen wirkte, musste es nicht verlassen sein. Jeder Schritt brachte sie höher und spitzte seine Aufmerksamkeit zu.

      Oben angelangt, war er enttäuscht. Ein Stapel Trockenholz ruhte an der Mauer eines kleinen Raums. Tisch, Stuhl und auch die Wände waren beladen mit brüchigen Landkarten, deren lose Enden in der Zugluft wogten. Sonst gab es nichts zu sehen.

      Finn bestieg auf der anderen Seite eine Holztreppe und schlüpfte durch die Luke in die Leuchtkammer. Außer einer Feuerschale und milchig angelaufenen Bleiglasfenstern war sie leer. Also ging er ans Fenster und blickte auf das Meer hinaus, dem er seit der Begegnung mit dem unsterblichen Höllenschwamm nie wieder sorglos begegnen würde.

      »Was ist das?«, flüsterte Khalea, die bereits hinter ihm stand.

      Er drehte sich zu ihr und folgte ihrem Blick landeinwärts. Unten, am Waldsaum, bewegte sich etwas. Für einen Moment blitzten nachtaktive Augen auf.

      »Riesenwölfe«, wisperte Khalea.

      »Sicher?«

      »Diese Tiere vergisst man nicht. Mein ehemaliger Meister, Firuwahr, hat sich eines seiner Geschäfte mit einem Riesenwolf bezahlen lassen. Das Tier lag Stunden ohne einen Mucks im Käfig, bis ein Diebeskollege auf die Idee kam, ihn zwischen den Gitterstäben hindurch streicheln zu wollen. Wahrscheinlich putzt er sich noch heute den Hintern mit einer Hakenhand ab.«

      »Bei den Verfluchten Sieben«, raunte Finn. »Sonst trauen die sich nicht so nah an Menschen heran. Sie müssen ausgehungert sein.«

      »Mach mir ruhig Mut. Kommen die hier hoch?«

      »Nein, sie betreten keine Gebäude. So lange wir hier sind … Flöckchen!«

      »Du wirst dir doch keine Gedanken um dieses Reptil machen? Kann es sein, dass du noch Fieber hast?«

      »Bleib du hier in Sicherheit. Ich muss nach Flöckchen sehen, sonst dreht mir Bruder Malesen den Hals um.«

      »Du willst da jetzt echt rausgehen?«

      Finn wartete keine weitere Sekunde und eilte zum Treppenhaus. Schon nach zwanzig Stufen wehrte sich sein Gleichgewichtssinn gegen den Drehwurm, der ihn leicht schwindeln ließ.

      Unten


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