Briefe an Thomas Bernhard. Anneliese Botond
das ist aber schade, daß Sie schon am Mittwoch wieder nach Salzburg müssen. Und unsere Flugkarten und Hotelzimmer sind schon lange bestellt, so daß ich nicht mehr früher fahren kann als am festgesetzten Reisetag, Dienstag 14. Wahrscheinlich werde ich bis übers Wochenende dort bleiben und hatte eigentlich gehofft, wir könnten dies und das zusammen anschauen.
Daß Sie Ihren ersten Roman jetzt schon zur Barbarei degradieren, ist ja einerseits erfreulich, weil Sie schon das Größere vor sich sehen, aber ich bin doch dafür, daß wir zunächst einmal den ›Frost‹ ehren und feiern wollen.
Herzliche Grüße
Ihre
Anneliese Botond
[10; Anschrift: Wien; Briefbogen Insel-Verlag; 1 Bl. masch]
21. 5. 63
Lieber Herr Bernhard,
kaum aus Wien zurückgekehrt, das ich im Grunde Ihnen, Ihrer Lesung verdanke, finde ich hier die Fahne mit Ihrem Beitrag für den Literatur-Kalender und schicke sie Ihnen mit der Bitte, sie uns prestissimo mit Ihren Korrekturen zurückzugeben. Zeit werden Sie wohl haben in Salzburg und vielleicht ganz erfreut sein, zwischen Schrauben, Muttern, Motoren und Mechanik einen sauber gedruckten Text aus Ihrer Feder vor sich zu sehen. Das Manuskript dazu habe ich nicht hier. Ich erinnere mich aber, den Text ein wenig gekürzt zu haben: Der Raum des Literatur-Kalenders beschränkt den schönsten Frühling.1
Vergessen Sie auch nicht, uns die ungedruckten Manuskripte der »Ereignisse« zuzusenden, die Sie uns versprochen haben? Und lassen Sie bald wieder von sich hören.
Herzliche Grüße
Ihre
Anneliese Botond
1 Th. B., Ein Frühling, in: Spektrum des Geistes 1964. Literaturkalender. Ebenhausen bei München: Hartfrid Voss 1963, S. 36. Im Zuge der Drucklegung von Frost bat Peter Schünemann Th. B. am 23. Januar 1963 um einen Beitrag für den Literaturkalender Spektrum des Geistes, um dem »Leserpublikum« den Autor des neuen Romans vorzustellen (siehe Brief 2, Anm. 1). Einen Monat später, am 23. Februar 1963, schickte Th. B. ein »Stück Prosa [. . .] ohne Titel«, zwei Tage später »eine gekürzte bessere Fassung des Kalendertextes« mit der Bitte, die vorangegangene zu vernichten.
[11; Anschrift: Wien; Briefbogen Insel-Verlag; 1 Bl. masch]
19. 8. 1963
Lieber Herr Bernhard,
hier der Abzug einiger »Ereignisse«, die im »Insel-Almanach« erscheinen sollen. Seien Sie doch bitte so gut, ihn uns umgehend mit Ihren Korrekturen zurückzusenden.1 Ich höre gar nichts mehr von Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Anneliese Botond
1 Th. B., Zwei junge Leute, Das Mädchen, Der Vierzigjährige, Die Verwalterin (in der Buchausgabe: Die Verwalterin der Gutsbesitzerin), Eine Maschine und Der Schuldirektor, ebenfalls mit kleinen Abweichungen zur späteren Buchausgabe der Ereignisse, in: Insel-Almanach auf das Jahr 1964, Frankfurt am Main 1963, S. 60-64.
[12; Anschrift: Wien; Briefbogen Insel-Verlag; 1 Bl. masch.]
21. 8. 63
Lieber Herr Bernhard,
Verlagsleute sind Quälgeister, jedoch nur zum Besten ihrer Autoren. Kaum haben wir den »Insel-Almanach« annähernd unter Dach und Fach, bereiten wir schon das neue Heft des »Inselschiffes« vor, das unsere Romanciers vorstellen soll.1 Da die »Ereignisse« schon im »Almanach« enthalten sind, wollen wir darauf nicht noch einmal zurückgreifen. Haben Sie vielleicht einen kurzen Text (zwischen zwei bis vier Schreibmaschinenseiten), am besten eine in sich geschlossene kleine Erzählung, die Sie uns schicken könnten, oder würden Sie uns etwas Neues schreiben?
Ich hoffe, das Lob, das die Presse, zuletzt die »Süddeutsche Zeitung« Ihrem Roman zollt, wird Sie beflügeln.2 Allerdings müßten wir den Text bis spätestens 10. September hier haben. Können Sie das bewerkstelligen?
Für heute mit herzlichen Grüßen
Ihre
Anneliese Botond
1 »›Das Inselschiff‹ sollte die Öffentlichkeitsarbeit des Verlags verbessern und erschien seit März 1961 in einer ›Neuen Folge‹ [die erste Folge datiert von 1919 bis 1942] zwei Mal im Jahr mit zwölf Seiten Umfang. Die Redaktion übernahmen Fritz Arnold und Lektoren des Verlags. Die Abgabe erfolgte kostenlos. Da der Verlag wenige zeitgenössische Autoren hatte, wurden zumeist Beiträge in Auftrag gegeben (die letzte Ausgabe in dieser Form erschien im Oktober 1964).« (Sarkowski, Der Insel Verlag 1899-1999, S. 454)
2 Otto F. Beer: Endspiel im Salzburgischen. In: Süddeutsche Zeitung, 17./18. August 1963. »Nicht Abstraktion wird hier abgehandelt, nicht intellektuelle Verdünnung, sondern pulsierendes Leben, ein Stück zuckender Wirklichkeit. Der junge Thomas Bernhard […] hat sich mit diesem Romanerstling ungemein kräftig eingeführt und als ein Menschengestalter von unverwechselbarer Originalität ausgewiesen.«
[13; Anschrift: <Frankfurt am Main>; 1 Bl. masch.]
St. Veit
25. August 1963
Liebe Frau Dr. Botond,
ich schicke Ihnen heute für »Das Inselschiff« »Eine Zeugenaussage«.1
Ich gehe zwischen guter Arbeit am »Roman« durch die Wiesen und Felder und freue mich auf das Wiedersehen in Frankfurt. Ich habe, das ist sehr blöd, kein Stück, das zwei oder vier Seiten lang wäre.
Inzwischen ist mein vorausgeschicktes Kuvert sicher schon in der Feldbergstrasse eingetroffen.
Herzlich Ihr
Thomas B.
1 Th. B., Eine Zeugenaussage, in: Das Inselschiff, Neue Folge, H. 6, Oktober 1963; siehe Th. B., Werke, Band 14, S. 355-363
[14; Anschrift: St. Veit im Pongau, Land Salzburg/Österreich; Briefbogen Insel-Verlag; 1 Bl. masch]
27. August 1963
Lieber Herr Bernhard!
Ich habe mich sehr gefreut über Ihren Brief aus den schlösserklappernden Sälen, die ich mir ganz genau vorstelle und um die ich Sie beneiden würde, wäre nicht die Kälte, in der ich bestimmt nicht arbeiten könnte.
Ich habe getan, was in meiner Macht steht, damit Ihnen Ihr Domizil erhalten bleibt, nämlich veranlasst, dass Ihnen Ihr Rundfunkhonorar überwiesen wird. Ein Exemplar Beer – ich dachte, Herr Arnold hätte es Ihnen, wie versprochen, bei Ihrem letzten Besuch in Frankfurt gegeben – schicke ich Ihnen.1 Ebenso, was ich immer am liebsten tue, die jüngste und bis dato ausführlichste »Frost«-Besprechung. Schon sind Sie zum Genie avanciert, ich hoffe, Sie tragen es standhaft und mit Fassung. Aber abgesehen davon ist diese wohl wirklich bis jetzt die gründlichste und differenzierteste Besprechung Ihres Buches, das für die Kritiker doch ein recht harter Knochen ist, zu dem sie gute Gedankenzähne brauchen. Wie sehr ich mich auch über diese letzte Besprechung freue, brauche ich Ihnen wohl kaum zu sagen.2
Die