Briefe an Thomas Bernhard. Anneliese Botond
Aber dazu wäre es gut, wenn Sie es uns zuschickten. Im übrigen würde ich es auf jeden Fall gern sehen, auf die Erzählungen warte ich so wie so.
Schönen Dank für Ihre Karte, ich las sie wie ein Traumfragment.
Herzliche Grüße
Ihre
Anneliese Botond
P. S. [hs]
29. 10. 63
Eines habe ich gestern ganz vergessen: ich hatte kurz nach der Messe den Besuch von Miodrag Pavlović, seines Zeichens Dichter und lit. Berater des Prosveta Verlages in Belgrad. Er kennt und schätzt Ihre Gedichte, er nahm »Frost« in Option mit und bat mich, Ihnen zu sagen, Sie möchten ihn doch unbedingt in Belgrad besuchen, wenn Sie schon nach Jugoslawien fahren. Pavlović ist ein sehr netter Mann, ich glaube, daß Sie sich gut mit ihm verstehen würden.
Sonst habe ich nichts Wichtiges mehr im dichten Morgennebel vor meinem Fenster.
Herzlichst
Ihre
AB
1 Jahresring. Ein Schnitt durch Literatur und Kunst der Gegenwart, erscheint seit 1954, hg. von Kulturkreis der Industrie.
2 hrb: »Die krankhaften Denkprozesse des Neurasthenikers, die ungeheure Flut seiner desparaten Bekenntnisse und Wahnvorstellungen sind meisterlich gebändigt, und zur Auflockerung oftmals im Konjunktiv vorgetragen. Daß ein Autor sich die bis zum Aeußersten vorangetriebene Verdeutlichung solch finsteren Martyriums zu seiner Erstlingsaufgabe setzte […] ist schwer zu fassen, kennzeichnend aber für den hohen Anspruch, den er an sich selber zu stellen gewillt ist.« (23. Oktober 1963)
3 Livio Garzanti (1921-2015) leitete ab 1961 den gleichnamigen Verlag. Joseph Breitbach publizierte 1962 im Insel-Verlag Bericht über Bruno. Roman. Die erste Begegnung zwischen Th. B. und Breitbach fand Ende 1962 in Frankfurt am Main statt.
4 Auf der Buchschleife wird Carl Zuckmayer mit der Bemerkung zitiert: »Eine epische Kraft, an die man hohe Maßstäbe anlegen kann.« Auf der Schleife der zweiten Auflage findet sich der Satz (aus einer Besprechung in der Neuen Zürcher Zeitung, siehe Brief 18, Anm. 2): »Die Sprache dieses Autors ist klar und schneidend. Sie bekundet in ihrer Strenge ein Exerzitium ungewöhnlichen Ranges.«
[19; Anschrift: <St. Veit im Pongau>; 2 Bl. hs]
24. 11. 63
Lieber Herr Bernhard,
am Freitag bekam ich eine ›Calavara‹ geschickt, einen Plastik-Tod, ein fingerlanges Kunstmännlein mit dem bösen Blick. Um 7 Uhr hatte ich es noch nicht in der Hand, um acht war Kennedy tot. Der Plastikknochenmann trägt einen Texashut (man liebt dort die halb euphemistischen, halb horriblen Maskeraden des Todes). Seither betrachte ich den Calavara-Mann mit Mißtrauen. Was nicht [...] derzeit für Poe und Cie (und alle Weiblein)?
Aber das nur am Rand. Was ich Ihnen eigentlich schreiben wollte: Wir kündigen in den nächsten Wochen unser Frühjahrsprogramm an. Es sollte doch eine Erzählung von Ihnen dazu kommen? Sie müßte schleunigst aus dem Schubladenschlaf gerissen werden, wenn sie im Frühjahr unter die Leute kommen soll.
Neulich hatte ich hier ein Manuskript, das erinnerte mich auf den ersten Seiten in vielem so merkwürdig an Sie. Ich dachte schon, ich sähe Gespenster. Aber Herrn Maier fiel es dann auch auf.
Bleiben Sie noch in St. Veit? Kommen Sie mit der Arbeit voran? Denken Sie an die »Jahresringe«?
Es kommt nun Ihr geliebter Winter.
Herzliche Grüße
Ihre
Anneliese Botond
[20; Anschrift: <Wien>; 1 Bl. hs]
[Frankfurt am Main]
18. 12. 1963
Lieber Herr Bernhard,
wie gut, daß es reiselustige Verleger gibt – sonst wüßte ich gar nichts von Ihnen, nicht einmal, daß Sie wieder in Wien sind. Ich sammle im Geist Ihre Erzählungen, aber wie gern hätte ich eine auf meinem Schreibtisch. Was melden Ihre Schubladen?
Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage und ein gutes neues Jahr – mir eine Zeile von Ihnen.
Herzlich
Ihre
Anneliese Botond
Ich schicke Ihnen separat den Potocki. Hoffe, daß er Gnade vor Ihren Augen findet.1
1 Jan Potocki, Die Handschrift von Saragossa. Aus dem Französischen von Louise Eisler-Fischer und dem Polnischen von Maryla Reifenberg, hg. und mit einem Nachwort von Roger Callois, erschien 1961 im Insel-Verlag.
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