Fünf Jahre meiner Jugend. Otto Meißner

Fünf Jahre meiner Jugend - Otto Meißner


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      Der Zug eilte mit guter Fahrt durch sehr fruchtbares Land über Kreuznach, Kaiserslautern nach Saarbrücken. Hier längere Rast. Das Rote Kreuz gab sich die erdenklichste Mühe, alle Feldgraue so gut wie möglich zu bewirten. Es gelang ihm auch in der ergiebigsten Weise, denn man hörte nach mehreren Monaten von verschiedenen Verlobungen, die mit Angehörigen von Ottos Kompanie und den Fräuleins vom Roten Kreuz geschlossen wurden. Am 8. XI. abends weiter in Richtung Trier. Nachts durch Luxemburg und am 9. XI. früh Ankunft in Sedan. – Otto hatte vielmal Sedanfeier mitgemacht. Also hier war 1870 der Hauptschlag gefallen. Dieses Fleckchen Erde und so historisch. –

      Da Vorsicht die Mutter der Weisheit oder auch der Porzellankiste ist, ließ der Komp. Führer „Karabiner laden und sichern“. Der Transportzug eilte auf franz. Gebiet weiter, hier und da Spuren aus den alten Augustkämpfen zurücklassend. Gegen Mittag erreichte er den großen Etappenort Rethel. Der Transportführer empfängt hier neuen Reisebefehl. Nach einigen Stunden läuft der Zug zu seinem Endziel und hält am 9. XI. in Assigny. Das ist vorläufiger Aufenthalt der Kompanie.

      Otto liegt mit mehreren Kameraden in der II. Etage eines Hauses. Die Möbel sind noch vollzählig, auch Betten stehen hier zur Verfügung. Er hatte sich auch eins von den letzteren sicher gestellt und auch ein Plümow dazu besorgt und ließ sich die erste Nacht, da von der Fahrt ziemlich angestrengt, bald in Morpheus Arme sinken. Alle hatten ihre Gewehre geladen, um evt. Überfällen durch Franktireure entgegentreten zu können. Doch ich wette eins gegen zehn, die Schlafenden hätte man forttragen können, keiner wäre wach geworden. Nach 2 Tagen Ruhe begannen allerlei Dienste. Übungsmärsche, Mattenflechten usw. Am verhaßtesten waren die Übungsmärsche, die zwar gut gedacht, zur Marschfähigkeit beitragen sollten, doch was sind da für wunde Füße und zerrissene Stiefel zustande gekommen.

      Nach einem Marsche lag Otto ziemlich erschöpft auf seinem Plümow, als sein Freund Ewe kam und ihn fragte, ob er Wein trinken wollte. Die Antwort konnte keine andere sein als ein vernehmliches „Ja!“ Beide bewaffneten sich mit einem Eimer und Otto wurde zum ersten Mal zum „Requirieren“ auf Deutsch „stehlen“ verleidet. An einem Keller, den sie mit vieler Mühe erreichten, lagen 6 mächtige Fässer voll abgelagerter Wein. Oben im Spundloch ging ein Gummischlauch heraus, an dem Otto lange Zeit sog, bis es ihm gelungen war, die Luft heraus zu ziehen und dann der viele Rebensaft so lange nachlief, bis der Eimer voll war. Es konnten 20 – 30 Liter sein. Mit ihrer gemachten Beute zogen Beide auf dem beschwerlichen Wege, der durch finstere enge Gänge führte zurück nach ihrer Wohnung. Noch spät abends bereiteten sie sich einen starken Glühwein.

      So ging das Leben bei der Kompanie hin, jeder Tag brachte anfangs etwas Neues. Auch die Feldpost ließ nicht lange auf sich warten und es regnete Pakete, Briefe usw. Die lieben Eltern sendeten das Erdenklichste und auch Marie hatte es sich viele Feldpostcartons mit Inhalt kosten lassen. – Vom Krieg merkte Otto bis jetzt noch nicht das Geringste. „Wenn es so weiter geht ist es doch kein Krieg. An die Front wollen wir doch mal bevor Frieden wird.“ So ähnlich waren Ottos Gedanken.

      Es war Ende November. Otto saß mit seinen Kameraden bei einem gemütlichen Scat, als plötzlich Alarm geblasen wurde. Alle sprangen ans Fenster und sahen einen mächtigen Feuerschein am Himmel. Am Ostteil der Stadt war Großfeuer ausgebrochen. Alle im Orte befindlichen Soldaten mußten das Feuer löschen helfen. Bis morgens um 4h war Otto fest damit beschäftigt die vom Feuer noch nicht angegriffenen Häuser mit auszuräumen und die letzte Habe der Franzosen zu bergen. Eine große Anzahl Gebäude brannte trotz anstrengender Arbeit, doch infolge schlechten Löschgeräts total nieder.

      Am 6. XII. wurde die Kompanie nach dem 12 Km. entfernten Orte Amange verlegt. Es ist ein kleiner Ort, nur wenige Einwohner sind zurückgeblieben.

      In diesem kleinen Orte wurde von der Komp. das liebe Weihnachtsfest in guter Stimmung gefeiert. Liebesgaben waren sehr zahlreich eingetroffen.

      Da 1914 Ortskommandenturen noch nicht eingesetzt waren, und jeder in dem Hause wo er wohnte eben „Herr im Hause war, gab es Zustände, die nicht gut zu nennen waren. Es wurde in den Wohnungen der Franzosen ziemlich aufgeräumt mit Möbeln usw. Trotzdem Kohle genug vorhanden waren, wurden Bettstellen und Schränke dem Feuertod preisgegeben. Auch nächtliche Besuche in den angefüllten Hühnerstellen und Taubenschlägen wurden von deutschen Kameraden abgestattet. Manch interessante Geschichte wäre davon zu berichten, doch sollen diese Tatsachen im Anekdotenbuch für Feldgraue in einem andern Lichte erscheinen.

      Otto wurden die dauernden Übungsmärsche zuwider, und er sehnte sich wie so viele Kameraden nach der Front. Mitzuwirken am großen Ganzen, mußte seiner Ansicht nach doch geistreicher sein, als ohne jede Tat in der Etappe zu liegen. – Nochmals erfolgte am 18. 1. 15 eine erneute Verlegung der Komp. nach Donx bei Rethel. Diese Versetzung sollte Strafversetzung sein. Der Fall lag wie folgt. Es war in der Neujahrsnacht. Ein Mann der Kompanie hatte sich sinnlos betrunken und schlug auf der Straße Lärm. Zufällig kommt der Kompaniechef aus dem Casino in nicht ganz nüchternem Zustande, und ohrfeigt den Mann derart, daß derselbe am andern Tage ganz geschwollene Gesichtsflächen hatte. Der Mann meldet diese Mißhandlung der Division. Eine lange Gerichtsverhandlung folgte, in der der Kompanieführer zu 5 Tagen Stubenarrest wegen Körperverletzung von Untergebenen verurteilt wurde und der Musketier nach der Heimat versetzt wurde. Auf diese Sache hin bekam die Kompanie beim Divisionsführer einen schlechten Stand.

      Kurz nach Einrücken der Komp. in den Ort wurde beim Führer von den Franzosen gemeldet, daß mehrere Hühner und Tauben gestohlen seien. Im eiligsten Tempo wurde Haussuchung vorgenommen, und bei verschiedenen die umhier gewesen waren, fand man noch die Hühnerbeinchen auch oft die Federn. Das Urteil lautete für die Übeltäter „14 Tage Sport“. In schlammiger schlechter Witterung wurde den lieben Kameraden das eventuell angesetzte Fett von den gespeisten Hühnern wieder abgesetzt. Große Verdienste dabei hat sich der „vielgeliebte“ Unteroffizier Einert erworben. (Zivilstellung Briefträger in Altenburg) Otto hatte ja zwar auch vom zarten Fleisch der französischen Hühner geschmeckt, doch waren alle Hausbewohner bei Ruchbarwerden der Haussuchung, eifrig damit beschäftigt gewesen, alle Spuren des Hühnermords zu beseitigen.

      Am 27. Februar 15 kam endlich die Botschaft, daß die Komp. an der Front eingesetzt werden sollte. Alle hatten das Etappenleben satt und waren froh sich endlich zu betätigen. Die große Durchbruchsschlacht „die Winterschlacht in der Champagne“ war gerade am heftigsten entbrannt. Dort bei Rigont sollte auch die San. Komp. ihre Feuertaufe erhalten.

      Die Verladung erfolgte auf dem Bahnhof Rethel.

      Der Zug setzte sich in Richtung Vouziers in Bewegung. Alle waren voll leidenschaftlichem Tatendrang. Nur heraus aus der Etappe. Mittun am großen Werk zu Deutschlands Größe. Im Klange von Vaterlandsliedern und bei strömenden Regen fuhr der Zug am 1. März 15 im Bahnhof Voziers ein. Der Kommandeur erhielt neues Reiseziel nach dem nahen Ardeul. Hier ausladen des Trains und Abmarsch nach der Reserve-Stellung bei Ripont. Otto hatte noch einen ziemlich prallen Rucksack, wo liebe Gegenstände steckten die er nicht gern missen wollte. So stapfte er mit seiner Last in der Nähe seines Gruppenführers, des Untffz. Dissau. Derselbe war auch nicht an schwere Lasten gewöhnt, und so klagten sie sich gegenseitig ihr Leid über den schlechten Weg und das Drücken des Tournisters. – Auf schlammigen Wegen – kaum zum Durchkommen – ging es der Front zu, deren bedenkliche Nähe man durch einschlagende Geschosse merkte. Immer weiter im Schlamm! Kurztreten! wird von hinten gerufen. Wahrscheinlich einer im Morast stecken geblieben! Es ist ekelhaft schlecht!

      Zu große Stiefeln darf man nicht anhaben, denn sonst sind sie futsch. Die Komp. kam nur langsam vorwärts, der Schlamm wird noch tiefer. Durch unzählige Geschirre die nach vorn die Verpflegung bringen sind die Wege grundlos gefahren. Die Munitionsprotzen fahren 6 spännig doch auch diese versinkt noch bis zur Achse in den Schlamm. Langsam kommt die Komp. über den letzten Höhenkamm vor Rigont. Sie muß einen Weg überqueren der ebenso grundlos ist wie der bereits marschierte. Ein jeder sucht so schnell als möglich nach der andern Seite zu kommen. Die Leute stiegen in dem Schlamm herum wie die Störche im Salat. Das Bild zu malen hätte sich verlohnt. Zweie, der Fausel Karl und Frenzel Kurt machten eine Schaustellung die zum totlachen war. Fausel hatte seinen Stiefel stecken lassen und bat Frenzel ihm beim Suchen und Anziehen zu helfen. Das war nach Mühe gelungen. Doch durch das Arbeiten am Platze waren sie allmählich so tief eingesunken,


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