Fünf Jahre meiner Jugend. Otto Meißner

Fünf Jahre meiner Jugend - Otto Meißner


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sich auch hierein fügen! – - –

      Max, Ottos Bruder war im September 14 vor Vitry-le-France verwundet worden – Kopf- und Fingerschuß. Er war, da ihm jetzt ein halber Finger fehlte nicht wieder an die Front gekommen. Beim Landst. in Leipzig mußte er Posten als Bahnsicherung stehen. Paul war in Döbeln auch beim Militär.

      Die Tage von Ottos Urlaub verrannen schnell. Es gab ja auch viel zu tun. Besuche abstatten, seine Braut unterhalten usw. Es waren der Tage noch wenige, als er vom Komp. Führer Bescheid erhielt, sich in Ripont in den alten Unterständen wieder einzufinden. Demnach war die Komp. nach kurzer Ruhe wieder nach der Front gegangen. Otto war das nicht zum Lachen, doch es half nichts. Am 13.5. zog er mit gefülltem Rucksack nach dem Bahnhof um sich wieder nach der Front zu begeben. Arthur Patschke teilte mit ihm sein Los, er zog den gleichen Weg. Die Fahrt war wie nach Hause die gleiche. Von Rethel benutzten Beide den westlichen Teil der Ringbahn über Bazancourt, Souplet nach Ruvra4. Von dort hatte Otto ca noch 2 Stunden nach den Unterständen von Ripont zu laufen. Gegen 12h nachts am 15. Mai traf er dort ein.

      Die Front war bei weitem ruhiger wie in der Winterschlacht im März. – Am andern Tage mußte Otto gleich mit in Stellung gehen. Was für ein gewaltiger Gegensatz! Vor drei Tagen noch lieber Vater lieber Angehöriger und heute wieder das Minengekrache und Gewehrgeknatter. Oh, Krieg – was bist du doch für ein grauenvolles Gespenst, so (z) viele tausend zarte Fäden innigen Glücks zerstörst du! Die Gegensätze sollten diese Nacht noch viel stärker in Ottos Gemüt eindringen. Er war zur Hauptverbandswache bestimmt. Ihm lag das Bewachen der Schwerverwundeten ob. Im Schulhaus linkes Zimmer lagen 12 der Ärmsten, die genauester Bewachung bedurften. Der größte Teil davon lag im höchsten Wundfieber und phantasierte. In der Regel hatten diese armen Menschen nicht mehr lange zu leben, die Hoffnung der Aerzte auf ein Durchkommen war recht schwach. – Otto saß bei seiner Lampe und betrachtete all die Armen. Zwei Mann hatten schwere Kopfschüsse. Das hohe Fieber warf sie von einer zur andern Seite. Einer davon riß sich unter lautem Gestöhne den Verband vom Kopfe. Otto sprang hinzu und legte ihn wieder um. Kaum hatte er seinen Platz wieder eingenommen, war der Verband wieder herunter. Otto legte ihn wieder um. Da er aber nicht bei dem einen Verwundeten sitzen bleiben konnte sondern auch auf die andern aufpassen mußte, war er gezwungen die Hand an die Trage des Fiebernden festzubinden.

      Es war für Otto ein trauriger Dienst diese armen Menschen bei ihrem Todeskampf bewachen zu müssen. Wie Nadelstiche drang es in sein Gemüt bei dem Rufen dieser Ärmsten nach Mutter, Vater oder Gatten, – dann noch ein greulicher Ton – er hatte ausgelitten. So sah er in einer Nacht 8 Mann sterben. An Schlaf war seitens Otto nicht zu denken. Hatte er einige Minuten Zeit, so saß er sinnend in seiner Ecke und grübelte über Dinge in der Welt nach, die schon manch Andern den Kopf zerbrochen hatten. Das Wort „Kismet“ (Schicksal) gewann bei ihm mehr und mehr Bedeutung.

      Die Zeit verrann langsam, wie es in der Stellung immer ist. Endlich am 8. Juni erklang wieder das liebliche Wort „Ablösung“. Diesmal sollte die Komp. ihrer eigentlichen Division eingereiht werden. Freudig überrascht wieder aus dem Hexenkessel herauszukommen, stimmte alles die schönsten Lieder an und so gings mit der Bahn über Souplet nach Bazancourt. Dort Ausladen und Fußmarsch nach, Boult, das nur wenige Minuten von dort entfernt lag. Da die Komp. glänzend gearbeitet hatte, wieß ihr der Ortskommandant besonders gute Quartiere an. Otto hatte Glück, mit nur 4 Mann in das Haus eines Franzosen namens „Raphael“ ziehen zu können, wo sie zwei schöne Räume bewohnten. Der alte Raphael war verheiratet, seine Frau aber, weil sie lange Finger bei den Deutschen gemacht hatte, war nach dem Internierungslager Holzminden gebracht worden.

      An diesem Orte verlebte Otto mit kleinen Abweichungen ein schönes Jahr Krieg. In Stellung ging die Komp. nicht, da es hier sehr ruhig war. Deshalb wurde die Komp. zu allerlei anderer nützlicher Arbeit verwendet. Mit Ausbesserung von Straßen, Anfertigen von Pfählen für den Drahtverhau, Hereinbringen der reichlichen Ernte, Postenstehen usw. hat sie sich, wenn nur gering, verdient gemacht. Anfangs verrichtete Otto alle diese Arbeiten auch mit. Eines Tages, es war im Herbst 15, kam er mit seinem Kommando aus dem Walde.

      Am Geschäftszimmer wurde der Befehl erteilt „Sofort fertigmachen!“

      Die Herbstschlacht war im vollen Gange. Abend um 7h fuhren 80 Mann mit Wagen nach dem rechten Flügel der Herbstschlacht, vorläufiges Ziel Lavannes. Nur kurze Zeit brauchte der Zug hier zu arbeiten. Bei Prosnes mußte sie mit noch einer San. Komp. die Verwundeten nach mehreren französischen Angriffen zurückbringen. Eines Abends war Otto wieder vorn im ersten Graben um seinen Dienst zu tun. Ein Angriff war abgeschlagen, die Verwundeten mußten noch vor Tagesanbruch zurück. Otto lief den Graben entlang und hörte außerhalb des Grabens ein Lallen und Stöhnen ähnlich dem Singen eines Blödsinnigen. Er lauschte und ging diesen Tönen nach. Über die Brüstung des Grabens bog er sich und hörte angestrengt. Da! Schon wieder das Singen und Stöhnen in fremdartigen Lauten. Otto war informiert. Im Stacheldraht hing ein total besoffener Franzose, verwundet, und lallte in seinem Zustand den Anfang der Marselliase. Vor dem Angriff schien es bei denen da drüben recht viel Alkohol zu geben. Ein Ekel erfaßte Otto! Soweit war man schon bei den Franzosen gekommen, daß man die Masse mit Alkohol nach den feindlichen Gräben jagen mußte.

      Nach 2 ½ Wochen kam der Zug nach der Komp. zurück. Von Paul hatte Otto Briefe erhalten und freute sich, daß dieser auch bei seiner Division im Felde sei. Wenn Paul aus Stellung kam lag er in Boult, Borgogne oder Fresne. Am Sonntag den 10. Aug. besuchte ihn Otto in Fresne. Schöne Plauderstunden verlebten beide zusammen, gedachten der Lieben daheim und verzehrten gemeinsam die eingegangenen Feldpostpakete. – Paul war mit Leib und Seele Soldat und hatte genau wie Otto zu Anfang den entsetzlichen Drang Taten zu tun und Franzosen umzubringen. Bei Otto war die Hitze schon ziemlich gekühlt. – Im Herbst ging Paul, da er Einjähriger war, nach Deutschland zum Offizierskursus.

      Am Abend des 10. Aug. kam Otto von seinem Besuch zurück. Es war ein Stapel Pakete und Briefe eingegangen. Unter andern auch eine Nachricht, daß Marie von einem Mädchen am 5. Aug. entbunden sei. Also wieder nicht nach Wunsch. Doch Otto freute sich, daß Mutter und Kind gesund sind.

      Die Zeit verrann schnell und es kam das liebe Weihnachten. Es wurde in einem großen Spinnereisaale sehr schön gefeiert. Liebesgaben waren zur Genüge eingelaufen. Otto bekam von Marie auch noch eine große Kiste mit Stollen usw. Trotz alledem wäre er doch lieber zu Hause gewesen.

      Die Zeit eilte weiter. Der Komp. wurde von der Division eine Arbeit übertragen die zwar ehrenvoll, doch von den Mannschaften nicht gern verrichtet wurde. Es mußten die verstreut liegenden Gräber geöffnet, die Gebeine in Särge getan und diese nach dem Heldenfriedhof Boult gebracht werden. Otto wurde am 21. Jan. zu dieser „schönen“ Arbeit kommandiert. Die ersten Wochen wollte er sich nicht so recht an den üblen Leichengeruch gewöhnen, doch nach längerer Zeit sah man ihn ganz fidel auf einem der gefüllten Särge sitzen und ließ sich sein Frühstück munden. Er meinte dabei: „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, denn diese die hier in der Kiste liegen tuen niemanden etwas zu leide.“

      Am 12. März brachte die Postordonnanz den Befehl für Otto, sich nach der Komp. zu begeben und zwar feldmarschmäßig. Otto meldete sich im Geschäftszimmer und erhielt die Mitteilung, daß er ab heute als zweiter Schreiber ins Komp. Geschäftszimmer kommandiert sei. Diese Aenderung konnte ihm nur angenehm sein. Er saß nun im Trockenen und konnte sich in seinem Beruf fortbilden.

       Boult Frankreich Sommer 15, Raphael“ mit seinen 4 Allemangs.

       Bei einer Geburtstagsfeier.

      Paul kam von Deutschland zurück und war zum Unteroffizier befördert. Er hatte Berlin gesehen und bekam einen verständlichen Eckel vor der Front. Nach 2 Monaten wurde er Vizefeldwebel. Otto war stolz auf seinen Bruder, und das mit Recht.

      Der Mai ging zu Ende. In den Briefen von daheim entnahm Otto, daß die Eltern schwer zu arbeiten hatten. Da die Gelegenheit jetzt günstig war und Otto mit dem Komp. Führer persönlich in Berührung kam, bat er diesen, unter Klarlegung der Verhältnisse um Urlaub, der ihm auch gewährt wurde. Am


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