Seniorenknast - wir kommen!. Christa Mühl
dann lächelt sie Paul zu: „Ein schönen juten Tach!“ Sie macht sich weiter am Fenster zu schaffen.
Paul sieht sie irritiert an.
„Ick konnte den Dreck hier einfach nich ertragen! Wat sich da in 3 Wochen anjesammelt hat …“
Interessiert schaut Mira nun zum Fernseher und stellt den Ton wieder lauter. Es läuft nämlich die neue Folge ihrer Telenovela. Umständlich erklären zwei Männer einen Vorfall, der wahrscheinlich in der vorigen Folge passiert ist.
Katharina will jetzt mit Paul allein sein.
„Mira, ich hab Ihnen meine Situation hinreichend erklärt!“ Doch die gibt sich nicht so leicht geschlagen – vor allem jetzt nicht, in Pauls Gegenwart. Sie steigt von der Leiter und schließt das Fenster. „Ick will keene Kohle! Es bereitet mir einfach Freude, Ihnen zu helfen! Mit meine Rente komme ick schon irjendwie zurecht.“ Noch einmal lächelt sie Paul zu. Da der nicht reagiert, richtet sie ihr Interesse wieder auf das Geschehen im Schlosshotel am See, wo gerade eine feine, aber finster blickende Dame zu den beiden Herren tritt. Katharina stellt den Fernseher ab. Mira reagiert ernsthaft entsetzt. „Det war doch die Bitsch!“
Paul schaut sie irritiert an.
„Das Biest! Ick muss diese Folje sehen, sonst weeß ick doch morgen ooch wieder nich, wat Neuet passiert ist.“
Paul nickt vorsichtshalber. Katharina sieht von ihm zu Mira und versteht die Welt nicht mehr.
„Jetzt machen Sie uns mal einen Kaffe – sonst werde ich zur Bitsch!“ Mira lässt ihr Fensterleder fallen und strahlt. Sie geht zum Tisch und mustert Paul.
„Herr Leichenfinger – jut schaun Sie aus!“
Katharina hüstelt kopfschüttelnd. Mira schaut sie fragend an und stellt dabei Tassen zurecht.
Katharina flüstert ihr zu: „Das ist mein ehemaliger Kollege Professor Doktor Paul Herr!“
Mira nickt und wendet sich an Paul. „Ick weeß! Als ick noch berufstätig war, hab ick doch ooch in der Pathologie jeputzt!“
Paul scheint sich nicht zu erinnern. „Aha …“
Mira kann ihre Enttäuschung kaum verbergen.
„Na ja – Sie haben sich immer nur für die interessiert, die nicht mehr zum Putzen oder zu irjendwat anderem fähig waren …“ Paul zuckt mit den Schultern. „Das war mein Job.“ Mira nickt unzufrieden.
„Ick habe zu Frau Katharinas 65. Geburtstag – also vor einer Ewigkeit – det Essen bereitet. Heute nennt man det Catering. Und denn durfte ick mitfeiern, und da habe ick Sie und die anderen Herren Kripobullen bisschen näher kennenjelernt.“
Paul versucht krampfhaft, sich zu erinnern. Er zieht die Stirn in kräftige Falten und vertraut auf die Wirkung. „Aha …“
Mira ist noch enttäuschter.
„Kaffee ist schon fertig!“ Sie greift nach der Thermoskanne, die auf dem Tisch steht und will einschenken. Katharina zieht die dritte Tasse weg.
„Danke, Mira. Und nun genug für heute!“
Mira schraubt die Kanne wieder zu und räumt beleidigt ihr Putzzeug zusammen.
Paul schaut versonnen in seine leere Kaffeetasse und wendet sich konspirativ an Katharina.
„Also: Diese Nonnen haben mir erzählt, dass es in besagtem Knast einen schönen Innenhof gibt, sogar einen kleinen Teich!“ Mira stellt ihre Utensilien beiseite und sieht Paul interessiert an. „Im Knast?!“
Katharina geht verärgert zum Regal, greift nach einer Sparbüchse, die als Polizeiauto verkleidet ist, öffnet sie und zieht einen Schein heraus.
„Jetzt zittern Sie endlich ab!“
Sie reicht ihr einen Zwanziger entgegen. Mira ist nun endgültig sauer. „Haben Sie wat mit die Ohren? Ick kann Ihnen ein günstiges Hörjerät empfehlen! Stecken Sie Ihr Jeld weg!“
Katharina gibt es auf. Sie holt eine Dose mit Keksen aus dem Schrank und stellt die dritte Tasse wieder in Reichweite.
Paul schüttelt verwundert den Kopf und geht Richtung Korridor. „Ich bin sofort wieder hier“, sagt er vorsorglich.
Er lässt die Tür offen. Katharina behält seinen Weg zum Klo im Auge. In vertraulichem Flüsterton wendet sie sich an Mira. „Dieser Mann will allen Ernstes in einen Seniorenknast eingeliefert werden! Ich bezweifle ja, dass es so was überhaupt gibt.“ Mira, die sich gerade wieder um den Kaffee kümmern wollte, ist begeistert. „Soll ick det mal im Internet recherchiern?“
Katharina wendet kurz den Blick von der Klotür. „Ich habe kein Internetz!“ Mira stellt die Thermoskanne beiseite, nimmt sich einen Keks und versucht, ein Stück davon anzubeißen.
„Mann, sind die Dinger hart! Wahrscheinlich noch aus dem vorigen Jahrhundert!“
Sie spuckt das harte Scheibchen auf die Untertasse und holt ihre Handtasche. Zerrt schnell ein kleines, flaches Gerät heraus. „Internet muss man einfach haben!“
Sie klappt das Ding auf und tippt irgendetwas ein.
Katharina beobachtet sie misstrauisch.
„Können Sie sich so einen modernen Schnickschnack überhaupt leisten?“
Mira reagiert nicht, sie ist beschäftigt.
„Na bitte! Das hab ick’s doch schon! In der EU jibt es nur zwee Einrichtungen dieser Art: Een Seniorenknast befindet sich bei Konstanz am Bodensee. Nur für Männer. Und der andere zwischen Vogtland und Erzjebirje. Also in Sachsen. In einer alten Festung! Jemischt!“ Katharina starrt sie entgeistert an. Da steht Paul in der Tür und strahlt. „Meine Rede!“
Katharina ist verwundert. Mira reicht ihr das Gerät und deutet auf den Bildschirm. Während es von dem Männerknast eine genaue Beschreibung und sogar Fotos gibt, findet sich über die „gemischte Festung“ nur ein kurzer Text. Katharina liest: „Hier waren schon seit Hunderten von Jahren berühmte Persönlichkeiten inhaftiert …“ Sie überfliegt den Rest. „Gräfin Soundso, berüchtigte Straßenräuber und Wilddiebe, Hofräte und Minister. Und sie lebten dort glücklich und zufrieden bis an ihr Ende!“
Paul nickt, ebenfalls zufrieden. „Meine Rede! Eine Unterkunft mit ordentlicher Vergangenheit.“
Mira stahlt ihn an.
„Zuhause kann ick’s Ihnen ausdrucken. Dann haben Sie det Schwarz auf Weiß!“
Paul schwenkt den Döner-Beutel, den er aus dem Korridor mitgebracht hat. „Wollen wir die Dinger jetzt zu Kaffee und Keksen essen?“ Mira ist schon dabei, die Alupäckchen zu öffnen. Bei dem Duft, der ihr da entgegenschlägt, verdreht sie genüsslich die Augen. „Man sollte det mal probieren!“
Katharina putzt ihre Lesebrille und bemüht sich um Fassung. Paul nutzt die Gelegenheit, denn Mira ist Richtung Küche verschwunden. „Vielleicht könnte man sich diese Festung ja mal anschauen – so weit von Leipzig ist es anscheinend nicht!“
Er steht auf.
„Aber doch nicht sofort“, faucht Katharina.
„Jenau!“ meint auch Mira, die mit drei Tellern und drei Gabeln zurück kommt, verfolgt von Quasimodo, der durch den Fleischgeruch angelockt lauernd vor dem Tisch Platz nimmt.
Mira verfrachtet den Inhalt der Döner auf die Teller und teilt das Fladenbrot.
Paul greift nach der Rotweinflasche, öffnet den Schraubverschluss und riecht daran. Er schüttelt sich, gießt aber dann trotzdem jedem ein paar Schlückchen in die Kaffeetassen. Und bleibt beim Thema.
„Warum nicht sofort? Früher, als du noch bei der Kripo warst, konnte dir nichts schnell genug gehen. Gescheucht hast du alle, zu jeder Tages- und Nachtzeit.“
Mira grinst.
Katharina sieht Paul verwundert an.
„So