Die Rose lebt weiter. Katja Stock

Die Rose lebt weiter - Katja Stock


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weitermachen. Ich sehe, wie du daran kaputt gehst, das ertrage ich nicht länger. Ich liebe dich, das muss ich mir endlich eingestehen. Du hast von mir eine Entscheidung verlangt und ich habe mich jetzt entschieden. Wir kommen nicht mehr voneinander los. Wie es hier zu Hause weitergeht, weiß ich noch nicht. Jetzt muss ich erst mal die eine Sache bereinigen, dann kommt der nächste Schritt.“

      Ich war sprachlos. Mit solch einer Entscheidung hatte ich nie gerechnet und schon gar nicht so aus heiterem Himmel. Jens sprach das erste Mal die Worte „ICH LIEBE DICH“ aus, niemand hatte das vorher gewagt. Alles war mit einem Schlag anders. Ich konnte es noch nicht richtig glauben, es war ja ein ewiges Auf und Ab mit unseren Entscheidungen. Ich konnte mich auch nicht freuen, es würden ja nun neue Probleme auf uns zukommen. Ich rechnete ihm allerdings hoch an, dass er den Mut gefasst hatte, sich zu entscheiden. Alles was ich ihm bisher an den Kopf geknallt hatte, seine Feigheit, sein Umworben-sein-wollen, war nun hinfällig. Ob er es wirklich durchziehen würde? Skeptisch sagte ich: „Jens, du wirst wieder umkippen. Sonja wird deine Entscheidung nicht akzeptieren und du wirst nachgeben.“ Jens seine Enttäuschung war nicht zu überhören: „Nein, Martina, ich dachte, du kennst mich mittlerweile. Ich brauche sehr lange für eine Entscheidung, das ist richtig. Aber wenn ich sie getroffen habe, gibt es kein Zurück mehr. Schade, dass du mir so wenig zutraust. Seit Monaten beschäftige ich mich mit unserer Zukunft. Ich wollte deine Ehe nicht zerstören, habe gehofft, du kriegst das wieder hin, indem ich mich von dir abwende. Aber wir haben es beide nicht geschafft, einander loszulassen.“

      Ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Aber es gelang mir nicht. Zu Hause wurde ich noch nicht vermisst und so ließ ich mir Zeit. Ich zweifelte immer noch an Jens’ Worten. Ich sehnte mich nach dem nächsten Tag und hatte noch tausend Fragen im Kopf, die ich ihm stellen wollte.

      Dann war es so weit, Jens und ich sprachen das erste Mal über unsere Zukunft. Was würde morgen bei Sonja passieren? Kratzte sie ihm die Augen aus? Würde sie es Petra petzen? Wahrscheinlich nicht, dann könnte ihre eigene Ehe auch Schaden nehmen. Und wenn Sonja wieder Arbeiten kommt? Wie ging es mit uns weiter? Jeder hatte eine Nacht Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Folgende Vereinbarung kam nun zustande: Wir würden es langsam angehen. Auf Arbeit gaben wir uns nicht zu erkennen und auch zu Hause noch nicht. Jens führte als Grund dafür seine Tochter an. Sie beendete im Sommer ihre Lehre, er wolle sie bis dahin nicht belasten. Bei mir gab es gleich mehrere Gründe, die Trennung von Holger hinauszuzögern. Auch mein Kleiner sollte das Schuljahr erst beenden. Holger wurde dieses Jahr 50. Die Feierlichkeiten waren schon organisiert, er sollte noch einen schönen Geburtstag haben. Auch war eine Mallorca-Reise mit unseren Freunden schon lange gebucht. Genau zu seinem Geburtstag würden wir kurz vor Mitternacht wieder landen.

      Ein weiterer Termin stand bereits fest: Anett und Bernd wollten ihre Silberhochzeit feiern. Sie hatten mich gebeten, mich um alles kümmern. Ich wollte sie nicht hängenlassen. Bis dahin waren es reichlich vier Monate und bis zum Ende der Schuljahre unserer Kinder noch sechs. Das bedeutete, wir gaben unserer Beziehung noch ein halbes Jahr Zeit bis zum nächsten Schritt!

      Über diesen Zeitaufschub war ich froh. Obwohl es auch noch andere Termine gab, die ich aber ignorierte. Roberto wollte mit uns im Juni verreisen, auch das war schon gebucht. Den Sommerurlaub im September hatte Bettina festgemacht, nach Griechenland, das erste Mal ohne Kinder. Alle diese Planungen hatte ich einfach über mich ergehen lassen. Ob und wie diese Termine durchgeführt wurden, war mir nun egal. Für mich zählten der Geburtstag, die Silberhochzeit und das Ende der elften Klasse. Alles andere würde sich ergeben. So verdrängte ich erst einmal das Ganze.

      Aber die Grübelei wurde stärker, jetzt wurde es ernst, was meine Ehe anging. Nun war ich am Zuge. Aber wie? Ich sah Holger vor mir und wusste, dass er ohne mich nicht zurechtkommen würde, ich hatte keinen Überblick über die finanziellen Auswirkungen und was mit meinen Kindern wird. Aber ich wusste eins: Wenn ich ihn verlasse, soll es ihm wenigstens wirtschaftlich gut gehen. Für mich würde es einfacher sein, bei Null wieder anzufangen, der Verzicht auf Wohlstand wäre das Mindeste, was ich für ihn tun konnte.

      Dann stand das Treffen von Jens und Sonja auf der Tagesordnung. Ob danach wieder alles anders kam …? Als er zurück war, schien er erleichtert, aber auch erschöpft. Er sagte, dass es ihr den Boden unter den Füßen weggezogen hätte, aber sie habe ihm nicht die Augen ausgekratzt. Sie tat mir wieder etwas leid, aber ich war stolz auf Jens, dass er es durchgezogen hatte. Er hatte es für uns getan. Er liebte mich anscheinend wirklich. Mittlerweile wurde mir immer mehr bewusst, dass Jens nicht mehr umkippen würde. Ich konnte es noch gar nicht glauben.

      Jetzt hatte ich Jens für mich. Nachdem ich die vergangenen Monate um ihn gekämpft hatte, war ich nun Sieger. War es das, was ich gewollt hatte? Hatte ich jetzt mein Ziel erreicht und würde feststellen, dass es gar keine Liebe gewesen war, sondern es nur ein Besitzdrang? Ich fürchtete mich vor der Antwort, die ich in diesem Moment noch nicht kannte. Doch in den nächsten Wochen würde ich spüren, ob die Sehnsucht und die Glücksgefühle blieben oder ob auf einmal alles anders wurde. Es war alles noch zu frisch und überwältigend, um darüber nachdenken zu können.

      Es begann eine neue Phase meiner Untreue. Jens besorgte mir ein zusätzliches Handy, welches ich im Haus versteckte. Ich wurde unvorsichtiger, fühlte mich mit dieser Art der Verbindung sicherer. Auf einmal gab es Pläne, es war noch unfairer, dem Partner gegenüber so scheinheilig zu tun. Aber ich wusste keine andere Möglichkeit. Bevor ich mir nicht sicher war, welche Vorschläge ich Holger unterbreiten konnte, wollte ich weiter schauspielern. Das fiel mir ungeheuer schwer, weil es für mich so untypisch war und gegen meine Prinzipien verstieß. So begann also mein „professionelles Fremdgehen“. Plötzlich gingen Jens und ich ganz anders miteinander um. Wir fühlten uns freier, wurden auch unvorsichtiger und nutzten jede Möglichkeit, uns zu treffen.

      Jens wollte am kommenden Wochenende zum Geburtstag seiner Tante fahren, zur Familienfeier. Sie wohnte im gleichen Ort und sogar im selben Viertel wie meine Freundin Martina. Als ich es ihr erzählte, fragte sie, ob Jens nicht bei ihr vorbeikommen könne, denn sie habe noch ein Buch für mich. Sie war also neugierig auf Jens? Martina war die einzige Eingeweihte, sie wusste alles von mir. Jens erzählte ich von diesem Gespräch und er war von dieser Idee sofort begeistert. Natürlich wollte er Martina kennenlernen, es wäre kein Problem, sich bei der Feier kurz abzumelden. Ich merkte, dass er schon eine Bindung zu Martina aufgebaut hatte, obwohl er sie noch gar nicht kannte, dass sie sich zu unserer gemeinsamen Bezugsperson entwickelte in diesem Drama. Also vermittelte ich beiden diesen Samstagnachmittagtermin und war glücklich über das bevorstehende Ereignis. Jens fieberte dem Samstag entgegen und ich wartete zu Hause auf eine SMS von ihm. Er schrieb mir, dass es ein angenehmes Gespräch gewesen sei. Ich war überglücklich. Auch Martina erzählte mir beim nächsten Telefonat, dass sie einen guten Eindruck von Jens erhalten hätte und dass ich ihm sehr wichtig sei. Nun war sie noch mehr involviert und es fiel ihr auch nicht leicht damit, weil sie Holger ebenfalls mochte.

      Zu Hause wurde es kühler. Holger ahnte wohl, dass etwas nicht stimmte. Am Wochenende, als alle im Wohnzimmer saßen, verkroch ich mich abends ins Schlafzimmer und sortierte die Sachen im Schrank. Holger suchte mich auf und fragte mich, was mit mir los wäre. Ich wich ihm aus, er wurde wütend, schmiss mich aufs Bett und schrie mich an, dass ich mich gefälligst ändern solle, da sonst etwas passiere. Er wollte wissen: „Oder hast du einen anderen? Sag es mir!“

      Das war doch die Chance, endlich die Lügerei zu beenden. Mein Herz raste. In meinem Gehirn war alles durcheinander. Was würde geschehen, wenn ich es jetzt zugab? Seine Wut würde ihn unberechenbar machen. Die Kinder waren zu Hause, nein, ich konnte es nicht eskalieren lassen. In dem Zustand, in dem Holger sich jetzt befand, würde er womöglich alles zusammenschlagen. Ich hörte die Warnung meines Vaters, dass Holger das Haus zusammenschieben würde, wenn ich einen anderen hätte. Also versuchte ich zu schlichten und verneinte seine Vermutung, ich versprach, mein Verhalten zu ändern. Er ließ mich los und ging die Treppe runter. An diesem Wochenende bemühte ich mich sehr um Harmonie, damit er sich beruhigte. Die Kinder hatten Gott sei Dank nichts mitbekommen.

      Meine Gefühle zu Jens veränderten sich trotz der neuen Situation nicht. Es war wohl doch Liebe und nicht nur Besitzdrang. Mir wurde immer mehr bewusst, dass ich ohne ihn nicht sein konnte. Am Sonntag hatte Jens Geburtstag, Montag wollten wir „nachfeiern“. Mit einem Überstundenschwindel vertuschte


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