Phantombesuch. Gaby Peer
auch ganz schnell wieder weg!“
„Faule Ausreden, immer nur faule Ausreden und immer zählt nur dein Job. Du hättest dich gedanklich ja auch auf unser Schäferstündchen einrichten können. Du bist schließlich wieder eine ganze Woche weg. Aber ich bin dir eben wieder nicht zuerst in den Sinn gekommen, sondern deine Arbeit. Ich fühle mich einfach vernachlässigt – und immer nur die Nummer zwei oder gar drei, vier zu sein, ist echt deprimierend. Wahrscheinlich musst du manchmal überlegen, wie ich heiße!“
„Komm, sei nicht so ungerecht. Du warst, bist und wirst immer die Nummer eins in meinem Leben sein. Die nächste Woche ist so unglaublich wichtig für mich. Dieser Ärztekongress ist eine große Chance, meine neue Operationsmethode vorzustellen. Ich muss aber perfekt vorbereitet sein – ich werde viele Fragen beantworten müssen und auch die Fachpresse wird vor Ort sein.“
„Ich weiß, aber ich bin gerade trotzdem echt sauer.“
„Du siehst mit deinem Schmollmund so unglaublich süß aus – ich mache dich immer absichtlich böse, nur um deinen Schmollmund sehen zu können.“
„Sehr witzig – Herr Schrader beliebt zu scherzen. Kannst du mich bitte einmal ernst nehmen? Auch wenn ich nur eine dumme kleine Krankenschwester und nicht hoch studiert bin?“
„Süße, wer so sexy Augen hat, so genial, perfekt geformte Kurven – genau dort die richtigen Erhebungen vorzuweisen hat, wo ein Mann sie sehen will, einen Hüftschwung erster Sahne beherrscht und das verführerischste Lächeln auf dieser Welt hat, der braucht nicht hoch studiert zu sein.“
„Du reduzierst mich immer auf meinen Körper. Ich bin wahrscheinlich nur ein Objekt deiner sexuellen Begierde.“
„Jetzt reicht’s aber! Manchmal unterhalten wir uns ja auch.“
„Du bist so unmöglich! Willst du heute Abend unbedingt streiten?“
„Nein, mein Schatz, das will ich nicht. Komm her zu mir!“
„Schon wieder behandelst du mich so, so …“
„Bin ich so ein schlechter Ehemann? Würdest du mich nicht mehr heiraten?“
„Natürlich nicht! Was ist das schon für eine Ehe mit dir? Du bist so gut wie nie zu Hause. Der komplette Haushalt bleibt an mir hängen, meine Karriere – schließlich war es mein Plan, eines Tages Stationsschwester zu sein – ist futsch und zur Krönung hast du mir auch noch zwei Kinder aufs Auge gedrückt. Du nagelst mich hier zu Hause fest und lebst dein Leben. Du wirst immer gescheiter und berühmter! Ich verblöde hier. Du baust uns ein unglaublich schönes und supermodernes Haus, du kaufst mir schöne Kleider, teuren Schmuck und führst mich hin und wieder, wenn es deine kostbare Zeit erlaubt, schick aus. Wenn dann noch etwas Zeit übrig bleibt, kommst du deinen sexuellen Verpflichtungen nach, wobei du währenddessen bestimmt an was weiß ich für Bakterien und Viren denkst. Ja, und als ob das nicht schon genug wäre, planst du auch noch zwei zusätzliche kleine Nervensägen, um mich noch mehr ans Haus zu binden, damit ich auch ja keine Zeit habe, mich nach einem neuen, wunderbaren, liebevollen, aufmerksamen Mann umzuschauen. Einem Mann, der sich für mich Zeit nimmt, der sich nach meinen kleinen alltäglichen Sorgen und Schwierigkeiten erkundigt. Einem Mann, der abends mit mir auf der Couch sitzt und sich mit mir schnulzige Filme anschaut. Einem Mann, der zwei Wochen – nicht nur fünf Tage – mit uns in den Urlaub fliegt, ohne dass er alle zehn Minuten auf sein Handy schaut, weil er mit der Einbildung lebt, dass er in der Klinik einfach unentbehrlich ist. Dass alles zusammenbrechen wird, weil er sich für ein paar Tage mit seiner Familie an irgendeinem Strand dieser schönen Welt vergnügt. Und als ob das nicht alles schlimm genug wäre – nein, neuerdings muss mein Mann auch noch in der Forschung mitmischen, weil das ohne ihn ja sonst nichts wird.“
„Du bist also enttäuscht von unserer Ehe und liebst mich nicht mehr. Sehe ich das richtig? Seit wann denkst du so?“
„Ich bin schon ziemlich lange sehr enttäuscht von dir und unserem Leben, aber ich habe beschlossen, bis zu deiner Rente zu warten. So lange dauert es ja auch nicht mehr, bis es so weit sein wird. Die dreißig Jahre werden doch sicherlich wie im Flug vergehen!“
„Ich bin entsetzt, ich dachte, du wärst glücklich mit mir.“
„Ich bin schon glücklich mit dir – aber wann bin ich denn mal mit dir zusammen?“
Manuel sah seine Frau hilflos an. Er wusste nicht, was er zu ihren Vorwürfen sagen sollte. Elena hatte noch nie so mit ihm gesprochen. Sie hatte ihn immer unterstützt und ziehen lassen. Oft hatte sie gesagt, dass es ihr lieber sei, wenn er nur ein paar Stunden zu Hause sei – wenn er diese wenigen Stunden dann wirklich intensiv mit ihr und den Kindern verbringe. Sie sagte immer wieder: „Was nützt mir ein Mann, der jeden Tag um 16.00 Uhr zu Hause, aber unzufrieden, unerfüllt und mürrisch ist.“ Manuel war ihr immer sehr dankbar für solche Aussagen gewesen, denn das schlechte Gewissen plagte ihn schon hin und wieder.
Elena fing an zu lachen.
„Was ist los? Was ist plötzlich so lustig?“
„Dein Gesicht, mein Liebling! Deine Augen! Du siehst irgendwie verzweifelt aus.“
„Ja, wunderst du dich, wenn du mich plötzlich mit solchen Vorhaltungen überschüttest? Ich hatte immer das Gefühl, dass wir am gleichen Strang ziehen und du mit deiner Rolle als Mutter und Hausfrau vollkommen zufrieden und glücklich bist. Wenn du wieder arbeiten willst, kann ich …“
„Nein, mein Schatz. Das will ich nicht. Ich wollte nur einmal ausprobieren, wie es ist, eine nörgelnde Ehefrau zu sein. Gefällt mir aber nicht. Wir hätten in dieser Zeit lieber knutschen sollen.“
„Du bist unmöglich! Du und dein furchtbarer Humor.“
„Ich hatte immer den Eindruck, dass du den an mir besonders liebst.“
„Du bist eine kleine Hexe, ehrlich. Mir ist vor Schreck fast das Herz in die Hose gerutscht!“
„Das habe ich mit Genuss beobachtet. Meinst du im Ernst, dass ich unsere Abmachung vergessen habe? Du wolltest niemals heiraten und eine Familie gründen, weil du schon immer gewusst hast, dass dein Beruf unglaublich wichtig für dich ist. Du wolltest niemanden verletzen, vernachlässigen oder auch nur traurig machen. Ich habe das alles nicht vergessen. Das wäre auch unfair von mir, denn ich habe dir in nächtelangen Gesprächen eine Familie praktisch aufgedrängt.“
„Na ja, gib jetzt nur nicht so an. So eine harte Arbeit war das nun wirklich nicht. Mach dich nicht so wichtig! Ich habe dich von der ersten Minute an geliebt und verehrt. – Also, ich mag diese paar Stunden, die uns jetzt noch bleiben, nicht mit Grundsatzdiskussionen verbringen. Ich wüsste etwas viel Besseres. Das könnte dir unter Umständen auch ganz gut gefallen.“
„Eine Idee hätte ich da auch. Meinst du, wir denken an das Gleiche?“
„Ich glaube schon, Frau Schrader. Dann stellt sich nur noch die Frage, wie Sie es heute denn bevorzugen würden. Eher sanft oder etwas stürmischer?“
„Wie wäre es mit einem Überraschungsprogramm – vielleicht bunt gemischt? Von allem etwas.“
Elena sah Manuel tief und frech herausfordernd in die Augen. Sie liebte diesen Mann so sehr. Sie konnte ihr großes Glück auch heute, nach all den Jahren, manchmal nicht so richtig fassen. Immer noch hatte sie ganz klar das Bild vor Augen, als Manuel in der Klinik vorgestellt wurde. Er stand locker, sehr selbstbewusst und mit einem leichten Lächeln neben Professor Maier, während dieser ihn in einer Kurzfassung bekannt machte und alle seine fachlichen Titel und Kenntnisse aufzählte. Wahrscheinlich hörte aber keine der weiblichen Kolleginnen wirklich zu. Das war so unwichtig – denn die Frauen benötigten definitiv alle Gehirnwindungen, um das optisch Gebotene zu verarbeiten. Diesen Mann würden sie also in Zukunft fast täglich sehen? Sie würden mit ihm zusammenarbeiten „dürfen“. Mindestens eins neunzig groß, ein wunderschönes, kantiges, sehr männliches Gesicht – geschmückt mit zwei blauen Edelsteinen. Sein Mund war wunderschön geschwungen – wie gemalt. Eine Figur wie Adonis – sportlich, muskulös und ein knackiger Po, der in seiner weißen und recht eng anliegenden Hose sehr gut zur Geltung kam. Wow,