Erinnerungen eines Langensalzaer sechsten Ulanen an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Heinrich Ziehn

Erinnerungen eines Langensalzaer sechsten Ulanen an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 - Heinrich  Ziehn


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za. um 1 Uhr nachts gewesen sein, aber schon um 12 Uhr wurde ich derb aufgerüttelt und aus der Hütte hinaustransportiert.

      Es regnete was vom Himmel herunter wollte. Als ich mich eine Zeit lang mit den Pferden herumgeplagt hatte, (1/2 Std. wird es wohl nicht gewesen sein) suchte ich mit vieler Mühe meinen Nebenmann herauszubringen, was mir endlich auch gelang. Nun wurde kurzer Prozeß gemacht. Ich warf mich auf die wie tot in der Hütte liegenden Kameraden einfach mitten darauf und schlief natürlich sofort ein. Nachfolgende andere machten es ebenso. Als ich um za. 3 Uhr aufwachte, war ich unter dem immerhin etwas schützenden Laubdach herausgewürgt worden, lag daneben in einer Ackerfurche, sodaß sich das Wasser vor mir aufgestemmt hatte, und es regnete mir mit Bindfaden gerade in den Mund hinein. Ich fror entsetzlich! Da bemerkte ich, daß die 13. Husaren ein Feuer angemacht hatten und immer einer hinter dem andern um dasselbe herumliefen. Schnell hinüber und mitgelaufen war eins; aber bald war ich in dem nassen Zeug zum zusammenbrechen müde. Da ich jetzt fand, daß auf der Straße in einem kleinen Strohhüttchen 3 Personen warm schlummerten, war ich kurz entschlossen, auf die Kameraden legen und einschlafen war eins. Nach einer Stunde wurden alle munter und wer wars? Der Wachtmeister, Roßarzt und der Bursche, welche das Ding gebaut hatten. „Wie kommen Sie hierher?“ fragte mich der Wachtmeister. Antwort meinerseits: „Ja, wenn ich das wüßte.“ Vorfall erledigt, punktum.

      Mit beginnendem Tage schien der Himmel seine Schleußen zu schließen, nun wurden die Pferde auf einen andern Platz gebracht, gefüttert und sollten gesattelt werden, aber das war so eine Sache. Als die armen nassen Tiere das durch die Nässe noch schwerere Gepäck, an welchem noch eine gehörige Portion Dreck hing, aufbekamen, beugten sie sich zusammen.

      Ein unglücklicher Kamerad, klein, vom linken Flügel, noch dazu mit einer mächtig dicken Backe infolge eines heftigen Zahngeschwüres, aber rannte auf dem Platz herum und fand sein gesamtes Sattelzeug nicht. Auf einmal sieht aus dem durchkneteten Acker ein Stück Leder hervor, er zieht daran und heraus kommt sein zertrampeltes Zeug. Als er sich nun daran machte, die Schmiere mit beiden Händen abzuziehen und wegzuwerfen, da wurde der Unglückliche noch bespöttelt.

      Als es aber an das Aufsitzen gehen sollte, da kamen zumeist die Sättel wieder herunter und Infanterie wurde herübergeholt, uns auf die Pferde zu helfen. Kamerad E. Thiele, Utzberg und E. Wagner, Nieder-Zimmern sind des Zeuge, denn sie haben mir geholfen.

      Am 11. August kehrte die Eskadron wieder zum Regiment und zur Kav.-Division zurück. Die Zernierung von Pfalzburg wurde nachfolgenden Truppen überlassen.

      Die Vogesen waren durchquert und es wurde zunächst nach Saarburg vorgegangen, woselbst Biwak bei Heming bezogen wurde.

      Am 12. August. Vorgehen über Maizière, Bourdonnaye, nach Sezay, hierbei mußten wir den Kanal der Meurte passieren. Die Brücke war gesprengt, schnell wurden einige Kähne herbeigeschafft, und nach einer Stunde ging es darüber, Biwak bei Sezay.

      Ich mußte diese Nacht eine Patrouille reiten, nach der kleinen Festung Marsal. Ganz nahe schlichen wir uns bis an das Tor heran, wo wir am Schilderhaus oben deutlich den Posten, jedenfalls schlafend, lehnen sahen. Kamerad Tatsch stampfte einige mal mit dem Lanzenschaft vor das Tor, dann rissen wir aus, während es von oben in die Nacht hinein knallte.

      Am 13. August wurde vom Regiment gegen Marsal vorgegangen. Die Besatzung wurde durch einen Parlamentär zur Uebergabe aufgefordert, und da diese nicht erfolgte, von der Artillerie beschossen. Da dieses indes nichts half, ließen wir das Nest im Stich und marschierten weiter bis Moncel, wo wir zum ersten Male wieder Quartier bezogen. Leider hatte ich das Glück nicht mit, ich mußte Feldwache beziehen und Vedette stehen. Glücklicherweise wurde endlich besseres Wetter. Franzosen hatten wir keine mehr vor uns, dieselben marschierten mehr nördlich.

      Am 14. August war der erste große Schlachttag bei der I. und II. Armee in der Umgegend von Metz. Während des großen Ringens dort oben war bei uns etwas Ruhe, da man nicht wissen konnte, ob nicht unsere Armee zu Hilfe eilen müßte. Es wurden Patrouillen geritten bis Nancy, und ich hatte das Glück zugegen zu sein, als eine starke Reitertruppe an dem schönen Gittertor der innern Stadt anlangte, die Schlüssel zu der vom Feinde unbesetzten Stadt wurden vom Maire auf seidenem Kissen überreicht und um Schonung der Stadt gebeten. Die Stadt Nancy hat hiervon großen Nutzen gehabt, denn wir durften nicht in die Stadt hinein, es ist aber so viel ich weiß auch nicht darin requiriert worden.

      Ich habe später immer bedauert, daß Nancy nicht deutsch geworden ist.

      In der schönen Villen-Vorstadt St. Max bezog unsere Eskadron Quartier. Wir wurden 10 Mann und 1 Unteroffizier (Bergheim) in eine wunderschöne Villa mit schönem Park einquartiert. Endlich nach 14 Tagen der fürchterlichsten Anstrengung winkte uns ein schönes Obdach. Aber als wir in das Herrenhaus hineinwollten, vertrat uns ein alter Kastellan den Weg. Wir wurden in ein Seitengebäude gewiesen, bekamen aber gutes Essen, welches wir in einer schönen Gartenlaube verzehrten.

      Es gab tüchtig zu tun, um Mann und Pferd etwas aufzufrischen. Wir taten es aber gern, denn was war aus unseren schönen Pferden geworden. Wie sahen Sattelzeug und Waffen aus und wir erst! O! was war in 4 Wochen aus unseren neuen Uniformen geworden, wer’s nicht mitgemacht hat, glaubt’s nicht.

      Seit dem 2. August hatte ich keinen Stiefel ausgezogen. Als ich es hier tat und nach meiner kranken Zehe von Apolda her sah, da hatte ich auf einmal den abgegangenen Nagel in der Hand, darunter aber war zu meiner Freude ein neuer ziemlich lang gewachsen. Wenn wir auch hier nur auf Stroh lagen, aber so gut hatte ich lange nicht geschlafen wie in dieser Nacht. Da kam auch der Humor wieder.

      Wir waren nun immerhin neugierig, wie es im Schloß aussähe und zwangen den Kastellan uns zu öffnen.

      Zuerst führten Stufen einer Marmortreppe nach einem langen Korridor mit einer Reihe Statuen, alsdann folgte ein wunderschöner Parkettsaal. In einer Nische stand ein prächtiges Pianino, welches ich mit einigen deutschen Stücken probierte. Aber o weh! Mit einem Male kriegen sich die Ulanen beim Wickel, und flugs flogen sie nach meinem Walzer: „Auf Flügeln der Nacht“ in schweren Reiterstiefeln auf dem spiegelglatten Parkett dahin, der unglückliche Kastellan aber riß aus unter „mon dieu“-Rufen.

      Da zu dieser Zeit Pianinos noch recht selten waren, wollte ich das Instrument gern von innen besehen und öffnete es zu diesem Zweck. Was fand ich aber? Die nagelneue Uniform mit Hut und Ehrendegen eines hohen französischen Offiziers, dem Besitzer des Hauses. Dieser war demnach unser Feind, und es ist dann freilich manches passiert, was besser unterblieben wäre. Aber das ist eben im Kriege so.

      Für den 15. August war Ruhetag angesetzt, es sollte Apell mit Pistolen sein. Weil nun eine geladene Pistole (wie unsere Vorderlader immer geladen) sich schlecht reinigt, so machten wir uns im Park das Vergnügen, nach der Scheibe zu schießen, allerdings vergessend, daß wir durch die Schießerei das ganze Kantonement in Aufregung versetzten. Eben krachte mein Schuß, da hatte mich von hinten der Wachtmeister, welcher dem Geschieße nachgegangen war, beim Wickel. Erst gab’s ein Donnerwetter, und dann mußte der Unteroffizier und 5 andere auf Strafwache zu Fuß ziehen, die andern sollten morgen dran. Das war aber in einer wunderschönen Nacht eine vergnügte Strafwache. Zunächst sollten 3 Mann alle Stunden zu Fuß eine 1/4 stündige Patrouille machen. Hier hörten wir das erste Wort von Franktireurs, Menschen, die wir später genugsam kennen lernten.

      „Pardon“ gab es zwischen Ulanen und Franktireurs bis in die letzte Periode des Feldzuges eben nicht.

      Von 10 Uhr nachts an stand ich Posten vor Gewehr. Der Unteroffizier und die übrigen Wachtmannschaften gingen in die Villa, in der die Wache war, hinein, um noch etwas Eß- oder Trinkbares zu suchen. Blos eine Flasche Wein wurde mir zunächst herausgeschickt, die ich nach und nach austrank, dabei auf einem Gartentisch bei hellem Mondschein einen Brief nach Hause schreibend. Es ist wohl 1 Uhr gewesen, da erst kam die ganze schöne Gesellschaft wieder heraus, brachte vielen und schweren Wein, sowie allerhand süße Fruchtspeisen mit. Dann gings sofort ans Essen und Trinken auf offener Straße, so daß wir in kurzer Zeit alle total betrunken der Länge nach auf der Straße lagen und — schliefen. Ein Mann unserer Eskadron machte uns um 4 Uhr erst munter. Es ist aber nichts herausgekommen — sonst? Aber noch etwas! Ich hatte durch ein Souterrainfenster beobachtet, daß sich der Bursche


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