Ein Blockhaus in der Einsamkeit. Nicole Lischewski
Eine Fichte wuchs in der Nähe, in der er sich vielleicht häuslich einrichten könnte: Futterstelle und Wasser hätte er gleich nebenan und wäre auch vor den Blicken der Raubvögel geschützt.
„So, schau mal – leckere Sachen für dich. Da brauchst du nicht mal eine Tüte zu öffnen.“ Ich ging ein paar Schritte zurück und blieb stehen, doch der Vogel wagte sich nicht vor. Beschämt, das hungrige Tier noch länger warten zu lassen, ging ich zurück zum Haus.
Ein Pflegling! Innerlich jubelte ich fast darüber, so unverhofft eine Aufgabe bekommen zu haben, die sich nicht nur auf meine Hunde, das Heizen und Wasserholen beschränkte.
Raben faszinierten mich schon lange – wunderschön schienen sie mir in ihrem schwarz-blau schillernden Gefieder, ihrer Luftakrobatik, in der so viel Lebensfreude lag. Es ist eine der wenigen Vogelarten, die auch im Winter in unserer Gegend bleibt. Adler und Falken, Gänse und Amseln – sie alle flüchten vor der Härte der kalten Jahreszeit. Doch die Raben blieben, kamen sogar ab und zu auf ein Schwätzchen oder um die Hunde zu foppen vorbei.
Nach einer halben Stunde ging ich nachsehen, ob der Rabe gefressen hatte. So sicher war ich mir nicht, ob er das Hundefutter anrühren würde – misstrauisch sind sie, diese Vögel. Aber die beiden Handvoll Futterbröckchen waren restlos verschwunden und die Stelle im Schnee zerfurcht mit den Zehenabdrücken der Vogelfüße.
Ich strahlte den Vogel an, der wieder in einem der Uferbäume saß. „Oh super, schmeckt dir das wohl? Da kannst du gern mehr von haben. Ich hab auch noch Eier und Käse, eingekochtes Elchfleisch … Dich päppeln wir schon wieder auf!“ Glücklich darüber helfen zu können und gebraucht zu werden, ging ich, um die Vorräte nach potenziellem Rabenfutter zu durchsuchen. Von allem war reichlich da, denn wie üblich hatten wir für den Fall, dass die Seen nicht sicher gefrieren würden, genügend Lebensmittel und Hundefutter bis zum nächsten Sommer da. Auf der Veranda waren Margarine und in Plastik verschweißte Käseblöcke in der Gefriertruhe, dem kanadischen Winter, untergebracht, während die restlichen Dosen, Säcke und Kisten in der zwanzig Quadratmeter großen Wohnküche, dem etwas kleineren Anbau und im Loft verstaut waren – in der Blockhütte, die wir damals als Jugendherberge gebaut hatten und die letztendlich unser Wohnhaus geblieben war. Ein gefiederter Mitesser war kein Problem.
Der Rabe holt sich einen Leckerbissen
Während zwei Eier für das nächste Rabenmahl in der Pfanne brutzelten, schaute ich in unserem homöopathischen Ratgeber nach Mitteln für die Flügelverletzung da. Arnika Globuli konnte ich unter das Rührei schmuggeln sowie auch einige Brösel der Schafgarbe, die ich im Sommer gesammelt und getrocknet hatte. Entzündungshemmend und schmerzstillend, das war hier gefragt. So ganz altruistisch war ich nicht – in mir war die Hoffnung, dass er vielleicht öfter vorbeikommen würde, selbst nachdem er genesen war. Mir Unterhaltung und Gesellschaft, etwas Licht in mein stilles Leben bringen würde. Gut gelaunt summte ich vor mich hin, während sich die umnebelte Sonne endlich über die Berge stahl. Meine lose Plombe war fürs Erste vergessen.
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