Die Magie der Sucht. Joachim Bräunig

Die Magie der Sucht - Joachim Bräunig


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die Angst, möglicherweise gesehen und später von einer anwesenden Person wiedererkannt zu werden und er bezahlte schnell die Zeche und ging. Er verließ das direkte Ufergelände und setzte sich auf eine Bank am Parkplatz gegenüber. Er grübelte über seine Tat nach und war sich sicher, dass alles nach seinen Vorstellungen abgelaufen war. Die Füßlinge und die Handschuhe knotete er zusammen und wollte sie bei einer passenden Gelegenheit mit einem Stein verbunden in die Müritz werfen, sodass diese für immer verschwinden. Er wusste, dass sein gesamtes Vorhaben noch nicht zu Ende war, aber er war fest entschlossen, seinen Plan bis zu Ende durchzuführen.

      Christoph Scholz, der zweite Anwalt der Kanzlei „Sorge und Partner“, wohnte in Klink. Dieser kleine Ort lag direkt zwischen Waren und Röbel und zählte circa zweitausend Einwohner. Es war ein sehr sauberes Örtchen und völlig auf Tourismus eingestellt. Der Anwalt hatte vor zwei Jahren ein Haus erworben, welches zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben war. Gemeinsam mit seiner Frau und den Verwandten hatte er das Haus mit einigen kleinen Veränderungen nach ihren Bedürfnissen umgebaut. Das Haus stand in einem Gebiet mit mehreren Eigenheimen und hatte circa 500 Quadratmeter. Zum Grundstück gehörte ein kleiner Garten, der jedoch nicht zur Anpflanzung von Obst oder Gemüse geeignet war, sondern nur zum Ausruhen diente. Das Ehepaar hatte eine kleine Terrasse angebaut, um dort mit Freunden und Bekannten gesellige Stunden verbringen zu können. Eigentlich besaß das Ehepaar beste Voraussetzungen für ein glückliches Zusammenleben, aber seit einigen Monaten hatte die Ehe einen Riss bekommen. Der Anwalt war stark in sein Berufsleben eingebunden und dadurch bedingt oft nicht zu Hause und auch an den Abenden und an den Wochenenden viel unterwegs. Er sagte seiner Frau stets, dass schließlich das Geld zur Abzahlung der Kredite erarbeitet werden muss. Seine Frau hatte anfangs dafür volles Verständnis, aber in den letzten Monaten häufte sich die Abwesenheit ihres Gatten stark und sie gewann immer mehr den Eindruck, dass er sich bewusst von zu Hause fernhielt und ihrer Meinung nach konnte dies nur mit einer anderen Frau in Zusammenhang stehen. Sie hatte ihren Mann darauf angesprochen, aber er stritt ein Verhältnis ab und versprach ihr, in Zukunft sein Verhalten zu ändern, was er jedoch nicht einhielt. Ihrerseits hatte sie vor vier Wochen ein Verhältnis mit einem Arbeitskollegen begonnen, der sich bereits seit längerer Zeit um ihre Gunst bemühte. Ihr Verhältnis konnte sie gut vor ihrem Mann verbergen, da dieser weiterhin sehr häufig abwesend war. Anfangs hatte sie sich gegen die Affäre gesträubt, gab dann aber dem Werben ihres Kollegen nach. Sie war überzeugt, dass ihr Ehemann gleichfalls eine Affäre hatte, war sich jedoch nicht schlüssig, wie es mit ihrem Verhältnis weitergehen sollte, da sie trotz aller Widrigkeiten noch immer ihren Mann liebte und sich eigentlich nicht von ihm trennen wollte. Sie versucht immer wieder auf ihren Mann einzugehen, aber er blockte ihre Versuche zur Rettung ihrer Ehe stets mit allgemeinen Floskeln ab.

      An diesem Freitagnachmittag war sie zu Hause und wartete auf Christoph. Überraschenderweise kam er heute pünktlich und gut gelaunt nach Hause und seine Frau wollte deshalb nochmals den Versuch einer Aussprache wagen. Sie hatte für den heutigen Tag ein Treffen mit ihrem Verehrer abgesagt, da sie den weiteren Verlauf ihrer Affäre überdenken wollte.

      „Du bist ja heute bereits vor 20 Uhr zu Hause“, begrüßte sie ihren Mann.

      „Ja, aber es ist möglich, dass ich nochmal weg muss“, erwiderte Christoph.

      „Du könntest heute zu Hause bleiben und wir machen es uns gemütlich.“

      „Wenn kein Anruf kommt, bleibe ich zu Hause.“

      „Wir könnten grillen“, schlug die Ehefrau vor. „Eine gute Idee, hast du Würste da?“

      „Wir haben immer einen Vorrat da.“

      „Gut, dann könnte ich den Grill vorbereiten.“

      „Wir könnten uns bei dieser Gelegenheit aussprechen“, schlug die Frau vor.

      „Lass uns das auf später verschieben, der Abend ist noch lang genug“, entgegnete Christoph.

      „Einverstanden, ich werde alles vorbereiten.“

      „Brauchst du nicht, dass kann ich erledigen. Du kannst dich noch etwas ausruhen, hattest heute bestimmt auch einen schweren Tag auf Arbeit.“

      „War eigentlich ein Tag wie jeder andere“, sprach Christophs Frau.

      „Wie gefällt es dir auf Arbeit?“, wollte Christoph wissen.

      „Ich kann nicht klagen, bin ganz zufrieden.“

      „Wie kommst du mit deinen Kollegen zu Recht?“, fragte Christoph.

      Bei dieser Frage stutzte Frau Scholz, denn ihr Mann hatte sich bisher wenig um ihre Arbeit gekümmert und noch weniger nach ihren Kollegen gefragt. Sie befürchtete sofort, dass Christoph etwas von ihrer Affäre erfahren haben könnte und lenkte das Gespräch sofort in eine andere Richtung und fragte: „Hast du viele Klienten?“

      „Ja.“

      „Komplizierte Fälle?“

      „Ein Fall bereitet mir große Schwierigkeiten.“

      „In welcher Beziehung?“

      „Es ist ein Scheidungsfall, wobei ich den Eindruck habe, dass eigentlich beide Parteien keine Scheidung wollen, sondern sich wieder versöhnen wollen. Es ist viel Geld im Spiel und zudem denke ich, dass die Frau des Paares, die eine Affäre mit einem anderen Mann hat, sich nicht schlüssig ist, ob diese Affäre ihr Lebensglück sein kann.“

      „Weiß ihr Mann von der Affäre seiner Frau?“, fragte die leicht verwirrte Ehefrau.

      „Ja, aber er liebt seine Frau dennoch.“

      „Was spielt das Geld für eine Rolle?“

      „Der Mann ist Geschäftsführer eine Firma, die seiner Frau gehört, welche sie von ihren Eltern geerbt hat.“

      „Du denkst der Mann müsste die Firma verlassen.“

      „Im Augenblick und bei dem Stand der Scheidungsklage deutet alles darauf hin.“

      „Willst du eine Scheidung verhindern?“

      „Ja, denn ich habe den Eindruck, dass die Frau von ihrem Liebhaber zu der Scheidung gedrängt wird und er nach der Scheidung die Stelle als Geschäftsführer in der Firma übernehmen möchte.“

      „Du denkst, dem Liebhaber geht es um die Firma und nicht um die Frau?“

      „Das ist mein persönlicher Eindruck“, sagte Christoph mit einem Lächeln.

      „Du kannst den Grill anwerfen. Ich freue mich auf unseren ersten gemeinsamen Abend seit längerer Zeit“, sprach Christophs Frau und ging in die Küche, um die Würstchen zu holen. Er schaute ihr nach und es war deutlich zu spüren, dass der Anblick seiner Frau ihn noch immer erfreute und nicht kalt ließ. Christoph Scholz erweckte den Eindruck eines ruhigen und prinzipiell ausgeglichenen Mannes und es war sein Bestreben, dieses Verhalten auch gegenüber seinen nächsten Mitmenschen zum Ausdruck zu bringen, wobei es ihm bislang perfekt gelungen war, seine Spielsucht vor allen zu verbergen, was nicht immer leicht war, besonders gegenüber seiner von ihm geliebten Frau. Die vielen Abende, die er nicht zu Hause verbrachte, war er in einem Spielkasino und hatte schon einiges an Geld verloren, was er bestrebt war, vor seiner Frau zu verbergen. Beide hatten zu Beginn ihrer Ehe beschlossen, getrennte Konten zu führen, wobei anfallende Kosten und die Kreditraten stets getrennt von beiden Partnern gezahlt wurden und es hatte diesbezüglich bisher nie Streitigkeiten gegeben. Christoph hatte seine Vermögensverhältnisse stets vor seiner Frau verheimlicht und sie hatte sich nie direkt danach erkundigt, da sie selbst finanziell auf eigenen Füßen stand. Sie war Inhaberin eines gutgehenden Friseursalons und finanziell nicht von Christoph abhängig. Beide hielten sich stets an die Absprachen und führten ein friedliches Nebeneinander und ihre Freunde und Bekannten hatten stets den Eindruck einer glücklichen Ehe.

      Wenn Christoph auf sein Leben zurückschaute, so war er eigentlich schon unbewusst immer spielsüchtig. Er hatte jede Gelegenheit ausgenutzt, um an jeder Art von Spielen teilzunehmen, aber in der letzten Zeit, besonders im zurückliegenden Jahr, war diese Spielsucht


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