Herzensöffnung (3): Später. Hero Leander
mit uns geteilt hat. Als mein Vater mich und die Kinder nicht zu Wolfram fahren lassen wollte, war diese, unsere Brücke mein einziger Freund, dem ich mein Herz ausschütten konnte. Ja, diese Brücke hat auch sehr viel von meinem Leid erfahren. Zum Glück liegt das alles schon weit in der Vergangenheit.“
Ivonne begriff jetzt noch einmal so richtig, wie sehr Maria in der Zeit vor Wolfram gelitten hatte. Sie nahm sich vor, dieses Thema nie wieder anzuschneiden.
Maria sah an Ivonnes Blick, was sie bewegte. Deshalb sagte sie: „Ihr wart damals meine besten Freunde, die Einzigen, die zu mir und meinen Kindern gehalten haben, als das ganze Dorf gegen uns war. Das werde ich nie vergessen.“
Ivonne war gerührt. Sie antwortete: „Du warst uns von Anfang an sympathisch, als wir neben euch in das Haus von Olafs verstorbenen Großeltern einzogen. Auch Olaf fand dich liebenswert, trotz deiner zweiten Schwangerschaft. Damals musste ich ihn immer mal freundschaftlich daran erinnern, dass er mit mir verheiratet ist.“
Maria blickte ganz verwundert zu Olaf, der jetzt etwas verlegen wurde. „Kann man denn nicht einen anderen Menschen sympathisch finden, ohne dass gleich alle verrücktspielen?“, verteidigte sich Olaf.
Da ergriff Wolfram das Wort: „Lass dich nicht ärgern. Ich habe solche Ermahnungen auch schon von Maria bekommen, als ich damals bei unserer Hochzeitsfeier und auch während eures Urlaubs in Sonnenberg Ivonne bewunderte. Dabei denke ich nicht, dass sie Grund dafür hatte. Unsere Frauen passen eben auf uns auf. Vielleicht würde ich das sogar vermissen, wenn sie es nicht täten. Ist es nicht ein Zeichen ihrer Liebe?“
„Da könntest du recht haben“, bestätigte Olaf lachend.
Am späten Nachmittag verließen Wolfram und Maria ihre Freunde wieder und saßen pünktlich bei Andrea am Abendbrottisch.
„Hast du gewusst, dass Olaf das zehnjährige Jubiläum des Urlauberdorfs groß feiern will?“, fragte Maria ihre Schwester.
Andrea lächelte und sagte: „Ich bin doch selbst halb Bürgermeisterin. Zumal ich Olafs Idee gut finde. Das zieht noch mehr Touristen an und belebt unser Dorf.“
„Bitte achte auch du darauf, dass unser Name da nicht mit reingezogen wird. Du weißt ja, was für uns davon abhängt.“
Ihre Schwester nickte verständnisvoll.
Am letzten Nachmittag in Håp Land besuchten sie auch Mike und Wenke. Wolfram und Maria hatten Michael und Manuela, Mikes Kinder aus erster Ehe, aus Deutschland mitgebracht und mussten sie am nächsten Tag auch wieder mit zurück nehmen.
Zu Schulzens wollten Koschs Kinder merkwürdigerweise immer mit. Wolfram und Maria lächelten heimlich darüber, aber ließen sich nichts anmerken. Hier warteten drei Jungs und ein Mädchen im fast gleichen Alter. Alle acht unternahmen viel gemeinsam, wenn sie in Håp Land waren. Selbstverständlich besuchten die Großen auch immer die sonnabendliche Disko im Sovende Elg.
Jetzt waren die sechs Größeren im Zimmer von Knut und Arne. Da meinte Laura: „Michael, wie wäre es denn, wenn ihr noch ein paar Tage bei uns in Sonnenberg bleiben würdet. Dann könnten wir auch morgen Abend bei uns zusammen zur Disko gehen.“
Michael überlegte. „Ich weiß nicht, ob das geht. Bei mir ist das kein Problem, aber Manuela ist erst neun. Ob meine Eltern da auch Ja sagen?“
Michael ging in das Besucherzimmer, in dem Manuela immer schlief, wenn sie bei ihrem Vati in Håp Land waren. Hier fragte er seine Schwester, was sie von ein paar zusätzlichen Tagen in Sonnenberg halte. Manuela meinte: „Wenn Mutti und Vati nichts dagegen haben, dann will ich auch.“ Dabei sah sie Wolfram Junior mit einem merkwürdigen Blick an.
Nun ging Laura zu ihren Eltern und überbrachte ihre Idee. Wolfram fragte Mike: „Hast du etwas dagegen, wenn die beiden noch ein paar Tage bei uns bleiben? Sie haben doch noch eine Woche Ferien und es ist der Wunsch unserer Kinder.“
Mike sah seine Wenke fragend an, doch sie sagte: „Das muss deine Geschiedene entscheiden.“
„Am besten, ich rufe sie gleich mal an“, sagte Mike.
Da kam Wolfram eine Idee: „Vielleicht ist es besser, wenn Michael selbst anruft. Er wird schließlich in einem Monat siebzehn.“
„Stimmt! Er kommt mit seiner Mutter sicher besser zurecht als ich.“ Michael war auch schnell überzeugt und überredete seine Mutter nach einer Weile am Telefon. Somit war es beschlossen, dass Michael und Manuela noch ein paar Tage bei Wolfram und Maria in Sonnenberg blieben.
Knut und Arne beneideten Michael etwas. „Da habt ihr’s ja gut. So ein paar Tage Sonnenberg zusätzlich würde ich auch gern machen“, sagte Knut.
Dazu meinte Arne: „Wie soll denn das gehen? Wir müssen doch in die Schule und Vati und Mutti müssen wir auch helfen. Und was würde deine Nina sagen?“
„Wer ist Nina? Ist das deine Freundin?“, fragte Laura neugierig. „Hm! Arne, du hast recht. Das würde gar nicht gehen“, bestätigte Knut jetzt seinem Bruder und schüttelte leicht den Kopf.
„Ist deine Freundin hier aus dem Dorf?“, wollte Laura weiter wissen. „Nein“, antwortete er zögernd. „Sie ist aus Bergen und lernt mit mir zusammen Bäcker und Konditor.“
„Lernen wir sie auch mal kennen?“
„Sie war doch zur Silvesterfeier mit im Hotel“, klärte Arne Laura auf. „Ich habe niemanden gesehen“, meinte nun Julia.
„Sie war mit ihren Eltern hier und die wissen von mir noch nichts. Deshalb konnte ich nur ab und zu mit ihr tanzen. Und ihr? Habt ihr denn schon Freunde?“
Die drei Schwestern zuckten mit den Schultern.
„Laura, du auch nicht?“, wollte Knut jetzt wissen, denn das konnte er sich einfach nicht vorstellen.
„Na ja, so einen richtigen Freund nicht. Das sind immer nur QuÜPs.“
„QuÜPs? Was ist denn das?“
„Quartalüberbrückungspartner!“
„Was es bei euch alles gibt.“ Knut schüttelte schmunzelnd mit dem Kopf.
„Das ist Lauras Privatsprache“, meinte Eva lachend. „In Sonnenberg versteht das auch niemand.“
Auf dem Heimweg war Eva sehr schweigsam. Besonders Laura fiel das auf. „Hast du irgendwas?“ Eva schüttelte den Kopf. Laura überlegte eine ganze Weile, fand aber nichts, was Eva bedrücken könnte.
Nach dem Abendbrot drängelte Laura ihre große Schwester, noch etwas durchs Dorf zu spazieren. Nach einer Weile gab Eva nach und sie sagten ihren Eltern Bescheid, dass sie noch mal weg wollten.
Draußen, als sie allein waren, fragte Laura: „Eva, was ist mit dir? Du bist so verändert, seit wir bei Schulzens waren.“
„Ach, nichts weiter“, antwortete sie.
„Eva! Ich bin deine Schwester! Wir haben uns doch immer alles gesagt. Mit dir ist doch etwas.“
„Es ist nur wegen Knut.“
„Hat er dir irgendetwas getan?“, fragte Laura.
„Nein. Er kann ja gar nichts dafür, aber … ich mag ihn einfach. Aber jetzt, wenn er eine Freundin hat …“
„Eva! Hast du dich etwa in ihn verliebt?“
„Ein bisschen.“
„Und er?“
„Ach, Laura. Er weiß ja gar nichts davon.“
Spontan umarmte Laura ihre Schwester. „Arme Eva. Warum nimmst du dir aber auch alles so zu Herzen?“
So standen sie eine Weile zwischen dem Dorf und der Fernstraße. Da kam Laura auf eine Idee. „Lass uns zum Millstream gehen. Mutti und Vati sind auch immer zu dieser Brücke über den Millstream gegangen, wenn sie Sorgen hatten.“
Als sie auf der Brücke ankamen, fing Laura wieder