Herzensöffnung (3): Später. Hero Leander
ganz anders. Mutti hatte keine Arbeit. Knut lernt hier und wird einmal die Bäckerei übernehmen. Du aber willst nach dem Abitur studieren. Glaubst du wirklich, dass ihr dann noch zusammengepasst hättet? Vati hat einmal gesagt, dass ein Partner immer das gleiche Niveau wie man selbst haben sollte.“
Eva entgegnete: „Und wie ist das bei Vati und Mutti? Vati hat doch auch studiert und Mutti nicht.“
„Aber das lag doch daran, dass Opa zu wenig verdiente. Sonst hätten Mutti und Tante Andrea sicher auch studiert.“
„Ja, vielleicht. Du hast ja recht, aber ich kann doch nichts dafür, wenn mir Knut gefällt.“
„Ach, Eva. Ich würde dir so gern helfen, wenn ich könnte. – Was finden Mutti und Vati eigentlich an dieser Brücke?“
„Ich weiß auch nicht. Vielleicht gefällt sie ihnen deshalb, weil man hier allein sein kann“, antwortete Eva.
„Komm, wir gehen wieder zurück“, schlug Laura vor.
2. Sonnenberg – Disko-Queen
Am folgenden Sonnabend flog Familie Kosch mit Michael und Manuela zurück nach Sonnenberg. Zu Hause erwartete sie der Alltag. Wolfram hatte die Kinder für zwei Tage in der Schule entschuldigt, denn Ferien waren nur bis vergangenen Mittwoch gewesen.
Noch am Sonnabendnachmittag gingen alle vier Kinder zu ihren jeweiligen Schulfreundinnen und Wolfram Junior zum Schulfreund, um eventuelle Hausaufgaben für die kommende Woche zu erfahren. Michael und Manuela begleiteten sie. Dadurch waren Maria und Wolfram ganz allein zu Hause. Nachdem die Koffer wieder leer waren, setzten sie sich auf die Couch im Klubzimmer und ließen das Erlebte noch einmal Revue passieren. Zu viele Erinnerungen waren bei ihrem Besuch in Håp Land wieder hochgekommen. Sie erlebten noch einmal die traurigen und auch die schönen Momente ihrer Liebe. So saßen sie eng umschlungen auf der Couch und träumten vor sich hin. Alles war am Ende gut ausgegangen und so gingen sie einer sorgenfreien Zukunft entgegen.
Als die Kinder am späten Nachmittag wieder da waren, schimpfte besonders Junior über die Lehrer, die den Schülern so viele Hausaufgaben aufgaben. Laura hingegen lächelte nur. Sie machte sich keine Sorgen. Bei ihr gab es immer einen Jungen, der ihre Aufgaben mitschrieb, wenn sie nicht konnte. Außerdem fiel ihr das Lernen nicht schwer. So machte sie sich auch wenig Sorgen um das Abitur in zweieinhalb Jahren. Bei Eva sah das schon etwas anders aus. Bei ihr stand die Abiturprüfung ein Jahr eher vor der Tür. So konzentrierte sie sich auf die Schule, denn sie lernte nicht so leicht wie ihre jüngere Schwester.
In Sonnenberg war jeden Sonnabend Disko im großen Saal, der auch sonst für die verschiedensten Veranstaltungen genutzt wurde. Der Bürgermeister hatte zum Wohle der Bürger durchgesetzt, dass alle öffentlichen Veranstaltungen 2.00 Uhr enden mussten. Das galt auch für die Disko. Laura war hier ständig anzutreffen. Unter den Jugendlichen hieß sie die Disko-Queen. Manche nannten sie auch Wohnheim-Queen. Eva begleitete Laura sonnabends hin und wieder in die Disko. Sie tanzte genauso gern wie ihre Schwester, aber sie war gegenüber Laura eher schüchtern. Wenn sie tanzte, dann kannte sie den Jungen oft nicht, denn es kamen viele aus Nachbarorten. Laura hingegen schien alle zu kennen und alle kannten Laura.
Heute war Sonnabend und sie wollte auch diesmal die Disko nicht verpassen. Sie verließ mit Michael das Haus, als die Kleinen ins Bett gingen. Eva saß noch einige Zeit über dem Schulstoff. Sie wollte das Abitur in eineinhalb Jahren möglichst mit „Gut“ bestehen.
Michael war noch nie mit Laura in Sonnenberg zur Disko gegangen. Deshalb war für ihn vieles neu. Aber da Laura sich sehr gut auskannte, hatte er keine Probleme. Im Saal tanzte er manchmal mit Laura. Doch meistens sah Michael nur zu, wie sie tanzte. Es blieb nicht aus, dass er von der Seite angesprochen wurde: „Du bist wohl Lauras neuer Freund?“
„Und wenn?“, antwortete er schnippisch. „Hast du etwas dagegen?“
Der junge Mann, der ihn da fragte, war vielleicht drei Jahre älter, aber das störte Michael nicht. „Du bist doch gar nicht von hier!“, bohrte er weiter.
„Hast du damit vielleicht ein Problem?“, fragte Michael zurück. Langsam wurden ihm die Fragen lästig. „Und wenn ich aus Neuseeland wäre, könnte es dir auch egal sein!“
Und wieder stichelte der Lästige: „Dann scheinst du gar nicht zu wissen, was Laura für eine ist.“
„Wie meinst du das?“, fragte Michael bissig zurück. Sein Blutdruck stieg. Auf Laura ließ er nichts kommen; und von so einer halben Portion schon gar nicht.
„Nimm deine Nutte wieder mit und hau ab!“ „Nimm das zurück!“, fauchte ihn Michael an.
Doch der andere lachte und sagte: „Ich denke gar nicht daran.“ Er war gerade fertig mit dem Satz, als es einen dumpfen Hieb gab und er am Boden lag. Sofort bildete sich ein Kreis um die beiden Kampfhähne.
Als Michaels Gegner langsam wieder hochkam, drängelte sich ein anderer junger Mann durch die Zuschauer. Er kam gerade rechtzeitig, als die beiden wieder aufeinander zugingen. Energisch rief der Neuankömmling: „Schluss! Was ist hier los? Prügeln könnt ihr euch draußen. Martin, du weißt ganz genau, dass es das hier im Saal nicht gibt!“
„Der hat doch angefangen.“ Damit zeigte er auf Michael.
Bei Michael waren jetzt alle Muskeln gespannt. Mit diesem Neuen, der mindestens fünf Jahre älter war, würde er es auch noch aufnehmen. Aber dieser blieb ruhig und löste erst einmal den Zuschauerkreis auf. „Und? Warum hast du angefangen?“, fragte er dann mit zusammengezogenen Augenbrauen.
„Was geht’s dich an? Der weiß schon, wofür er die Abreibung bekommen hat. Frag ihn selbst.“
„Hör zu. Du scheinst hier neu zu sein. Ich achte hier im Saal mit auf Ordnung. Also, was war los?“
„Er hat Laura schwer beleidigt!“
„Was? Unsere Laura? Du kennst sie?“
„Ja! Ziemlich gut. Ich lasse sie von niemandem beleidigen!“, ereiferte sich Michael.
„Hör zu. Ich heiße Harald. Was hat Martin gesagt?“ „Er hat sie als Nutte beschimpft.“
Mit einem Ruck stand Harald bei Martin. „Ist das wahr?“ „Na ja, du kennst sie doch auch“, versuchte sich Martin herauszureden. „Na, dann muss ich ihm … wie heißt du eigentlich?“ „Michael.“
„Dann muss ich Michael aber recht geben. Sei froh, dass Laura das nicht mitbekommen hat.“
„Wieso? Du kennst sie auch. Die pennt doch mit jedem.“ „So? Hat sie das mit dir schon gemacht?“
„Nein.“
„Siehst du, mit mir auch nicht und mit vielen anderen ebenso nicht. Behaupte nicht solchen Unsinn. Sei froh, dass Michael sich zurückgehalten hat. Hättest du das von meiner Freundin behauptet, dann würdest du jetzt anders aussehen. Entschuldige dich bei ihm und gib ihm einen aus. Dann wollen wir die Sache vergessen.“ Es vergingen einige Sekunden, dann sagte Harald gereizt zu Martin: „Ich warte!“
Nun gab Martin Michael die Hand und sagte: „Entschuldige! Es war nicht so gemeint. Was trinkst du?“
„Ist mir egal. Ein Bier reicht.“
Martin verschwand und Harald fragte: „Wie lange kennst du Laura schon?“
„Ungefähr zehn Jahre.“
„Was? Oh! Wie das?“
„Unsere Eltern sind befreundet. Wird das jetzt ein Verhör?“ „Ganz sicher nicht.“ Harald klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. Inzwischen kam Martin mit dem Bier und stieß mit Michael an. Damit war das Problem aus der Welt. „Und jetzt ist Laura deine Freundin?“, fragte Harald weiter.
„Nein. Ich bin nur mit ihr mitgekommen, weil ich für ein paar Tage in Sonnenberg bin.“
„Dann ist Laura gar nicht deine Freundin?“, fragte jetzt auch Martin. Michael schüttelte den Kopf.