Die Welt der Illusionisten. Eberhard Saage

Die Welt der Illusionisten - Eberhard Saage


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ist denn das?«

      »Musst du doch erkennen.«

      »Nein, keine Ahnung.«

      »Das ist mein Zyklus. Am dunkelgrünen Tag, also an dem Tag, an dem du verreisen willst, habe ich den Eisprung. Die anderen vier Tage sind auch noch fruchtbar.«

      »Du willst?«

      »Ja, ich will.«

      »Schon seitdem wir Lena getroffen haben, nehme ich an.«

      »Ich kann dir auf die Sekunde genau sagen seit wann. Als wir mit ihr holla hupp gespielt haben.«

      »Ach so. Und ich habe mich in der letzten Zeit gewundert, warum du so oft wolltest. Also bist du nicht sexsüchtig geworden.«

      Sie lachte auf: »Aber es hat bisher nichts gebracht. Also müssen wir uns jetzt ganz genau an meine fruchtbaren Tage halten.«

      »Aber die Reise am 15. muss ich noch machen. Die kann ich nicht mehr absagen.«

      Magda atmete tief ein und lächelte. Und weil sie ihm das nicht erklären wollte und musste, sagte sie schnell: »Gut, wenn es sein muss, aber danach musst du deinen Terminplan mit mir abstimmen.«

      »Wie du sagst, wenn es sein muss.«

      Joseph lachte amüsiert. Noch! Er war ja nun fast vierzig und hielt es schon aus, mal einen ganzen Tag lang nicht an Sex zu denken. Andererseits glaubte er aber noch, allzeit bereit zu sein. Doch Sex nach Plan, sozusagen mit der Stoppuhr in der Hand, gefiel ihm nicht lange. Sex nicht aus Liebe, nicht zum beiderseitigen Vergnügen, sondern als Pflicht mit einem konkreten Ziel, befriedigte ihn nicht so wie vorher.

      Die Lehre seiner ersten, reifen Geliebten, nicht nur an sich selbst zu denken, hatten sie immer beide beherzigt. Aber als es nach vielen Versuchen nicht klappte, einfach nicht klappen wollte, vielleicht nie mehr klappen würde, dachte Magda nicht mehr an ihn, auch nicht mehr an sich selbst. Nach Monaten ging es nicht mehr nur um ihre fruchtbaren Tage, nun musste es an jedem Tag sein. Kündigte er eine Dienstreise außerhalb ihrer Periode an, kamen ihr sofort die Tränen: »Du denkst ja nur noch an deine Karriere, ich bin dir doch scheißegal.«

      »Bitte Magda, jetzt bist du aber ungerecht.«

      Sie schluchzte auf: »D...d... du interessierst d...d...dich nicht mehr für m...m...mich.«

      Sie warf sich auf die Couch. Ihr Oberkörper zuckte. Sprachlos stand er wie erstarrt neben ihr. Dann setzte er sich zu ihr und versuchte, sie zart zu streicheln. Sie schlug seine Hand weg: »B...b...bleibst d...d...du?«

      »Bitte, Magda, ich muss doch meine Arbeit machen.«

      »D...d...dann liebst d...d...du m...m...mich nicht mehr.«

      Völlig ratlos, wie er sie beruhigen sollte, versucht er es anders: »Jetzt ist aber Schluss, Magda so können wir doch nicht miteinander umgehen.«

      Sie sprang auf und stürzte hinaus.

      Und dann kamen die mitleidigen, oft spöttischen Blicke ihrer Kolleginnen, Bekannten und Freundinnen. Joseph fragte einen Freund direkt: »Spricht Magda denn mit jeder darüber?«

      »Mit jeder! Sie kennt nur noch dieses Thema. Du solltest, entschuldige, wenn ich das so unverblümt sage, dich mal untersuchen lassen.«

      Joseph rührte fast der Schlag. Ohne nachzudenken, was er damit verriet, platzte er raus: »Aber ich habe den Fruchtbarkeitstest doch schon bestanden.«

      »So, meinst du? Die Mutter ist immer sicher.«

      Joseph schluckte auch das noch runter und entschied sich für die Offensive: »Wenn es einfach nicht klappt, obwohl wir zusammen schon ein Kind gezeugt haben, sollten wir uns testen lassen. Wir beide.«

      Magda erwies sich als kerngesund, und zu Joseph sagte der mit ihm befreundete Arzt anerkennend: »Wenn du mal einen anderen Job brauchen würdest, könntest du als Zuchtbulle arbeiten. Du schaffst 6 Milliliter mit weit über 100 Millionen Spermien, von denen mehr als 80 Prozent leben. Das ist das beste Testergebnis in meiner Laufbahn.«

      Also war alles in bester Ordnung, nur eins nicht, Magda wurde nicht schwanger.

      Gold! Goldene Wände, goldene Decke, goldene, wuchtige Ledersessel mit goldfarbenen Kissen, goldener Tisch, für die 10 Gäste gedeckt mit goldenem Service und Besteck, goldfarbener Teppich. Acht Gäste, die einzeln die breite Esskabine des privaten Jumbojets von Berkel Zorbas betraten und dabei nicht ahnten, dass sie gefilmt wurden, blieben wie der Ehrengast, Superbanker Müller, dem Joseph Adam ja schon vorgestellt worden war, überrascht und tief beeindruckt in der Eingangstür stehen. Nur der letzte, Joseph, dessen Teilnahme an dieser hochrangigen Wirtschaftdelegation alle anderen überraschte, blickte für einen Moment angewidert. Als er saß, irrte sein Blick unruhig hin und her und fand endlich in den drei grünen Lampenschalen über dem Tisch und in den hellen Wolken hinter den Flugzeugfenstern einen Halt.

      »Die Farben gelb, goldgelb waren in Asien alleine dem Kaiser vorbehalten«, erläuterte sein Sitznachbar, Herr von Söben, den Joseph schon von der Inbetriebnahme des ersten Windrades kannte, »sie stehen ja auch heute noch für Wärme, Sympathie, Ewigkeit, ja sogar für die Sonne, der Quelle allen Lebens.«

      »In Asien schon, aber bei uns bezeichnet sie kaum einer als seine Lieblingsfarbe, uns erinnert sie auch an Gier, Neid, Ruhmsucht oder Verrat.«

      »Aber wir fliegen ja nach Asien. Und dort ist gelb auch die Farbe der Männlichkeit, für deren Schöpferkraft und Weisheit.«

      Joseph fiel auch noch ein, dass die Nazis den schwarz umrandeten Judenstern aus zwei gelben Dreiecken gebildet hatten, aber er lenkte ein: »Auch in unserer Kultur ist gelb mit positiven Assoziationen verbunden. Helios ist im gelben Gewand über den Himmel gefahren.«

      »Eben! Aber ich verstehe Ihre Vorurteile durchaus, dieser Speiseraum überrascht mich auch. Ehrlich gesagt, die Privatsphäre unserer Großaktionäre blieb mir bisher verschlossen. Ich hätte nicht erwartet, dass sie so offen mit ihrem Reichtum protzen würden.«

      Der Konzernchef dachte kurz nach: »Ich habe versucht, mich über unseren Gastgeber zu informieren. Der hat sich zwar dieses riesige Schloss gebaut und nutzt es nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten als Amtssitz, aber er soll darin eine Jurte bewohnen, sicherlich eine luxuriöse. Dieser Raum hier passt vielleicht gar nicht zu ihm. Vielleicht will er damit nur seinen Gästen imponieren.«

      »Und das gelingt ihm auch.« Joseph deutet zu den anderen, die immer noch die Einrichtung bewunderten, ohne zu bemerken, dass der livrierte Kellner den Aperitif einschenken wollte.

      »Kennen Sie eigentlich dessen Werdegang?«

      »Ja«, antwortete Joseph, »sehr interessant!«

      »Stimmt, diese Oligarchen konnten sich selbst hochkatapultieren.«

      Früher hatte es Berkel Zorbas als Generaldirektor eines riesigen Kombinates für wichtig gehalten, die Meinung der Partei über den faulenden, absterbenden Kapitalismus zu verbreiten.

      »Die Einführung des Privateigentums vor zehntausend Jahren war der Anfang vom Ende der Menschheit«, pflegte er zu sagen, »der Erste, der sich vor einen Acker stellte und behauptete, der wäre sein eigener, hätte gleich erschlagen werden müssen. Die Menschheit kann nur überleben, wenn wir wieder eine klassenlose Gesellschaft einführen.«

      Aber dann kam die so genannte Wende auch in sein Land und mit ihr die Privatisierungswelle. Als Generaldirektor konnte er unbemerkt Geld des Kombinates auf ein Privatkonto überweisen und damit die meisten Vouchers seiner Betriebe kaufen. Als der Neustart dieser Firmen alles andere als vielversprechend verlief, waren die Arbeiter und Angestellten bald froh, wenn sie ihre Vouchers gegen geringe Erlöse versilbern konnten, und quasi über Nacht erwarb sich Zorbas mit Millionen ein Milliardenvermögen. Aber nur für kurze Zeit befriedigte ihn das, er kaufte sich Banken dazu, eine 110-Meter Yacht, diesen Jumbo Jet, und einen westeuropäischen Fußballclub, der die Champions League gewinnen sollte. Während sich Superreiche in anderen Ländern Politiker kauften, an die Macht brachten und völlig unsichtbar aus dem Hintergrund die Strippen zogen, wollte


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