Stills Faszienkonzepte. Jane Stark
aufzuzeigen.
Da nicht alle Fragen relevant waren, wurden sie in drei Gruppen unterteilt: vorbereitende, abschließende und zielorientierte Fragen (siehe vollständige Fragenliste unter APPENDIX B).
Nicht alle der insgesamt rund 20 Interviewfragen wurden analysiert. Einige vorbereitende Fragen wie „ Warum waren Sie damit einverstanden, an der Studie teilzunehmen?“ dienten lediglich als eine Art Hinführung zu den eigentlichen Fragen.
Einige abschließende Fragen wie: „Wenn A. T. Still Ihnen eine Frage zu den Faszien beantworten könnte, welche würden Sie ihm stellen?“ fungierten als sanfter Ausklang des Interviews.
Mithilfe der zielorientierten und entsprechend formulierten Fragen sollte bei dem jeweils befragten Osteopathen ermittelt werden:
inwieweit er Interesse an A. T. Stills Werk hat,
wie sein eigenes Faszienkonzept aussieht,
ob und wie er Faszien einschätzt und behandelt,
wie er Stills Faszienkonzepte interpretiert.
Schlüsse ziehen
In der letzten Phase des Forschungsprojektes, wo zur Beantwortung der dritten und letzte Forschungsfrage (Weichen moderne Faszienkonzepte wesentlich von Stills Konzepten ab? Was bedeutet dies für die Osteopathie?) eine vergleichende Gegenüberstellung der Interviewantworten und der hypothetischen Antworten von Still auf dieselben Fragen vorgenommen wurde, war sich die Autorin stets der Verantwortung des Forschers bewusst, eingeholte Information aufzunehmen, ohne sie in irgendeiner Weise durch vorgefasste eigene Meinungen zu verfälschen. Um wissenschaftliche Striktheit sicherzustellen, wendete sie auf die aus dokumentarischen Quellen und Interviews gewonnenen und hier zusammengeführten Informationen die bereits erwähnten Kriterien Glaubwürdigkeit, Nachvollziehbarkeit, Angemessenheit und Beweisbarkeit an. Sie folgte dabei den Methoden, die laut Sandelowski (1986) die Glaubwürdigkeit und Angemessenheit einer qualitativen Studie gewährleisten:
Überprüfen der Repräsentativität der Daten als Ganzes und Kodieren der Kategorien und Beispiele, die zum Reduzieren und Präsentieren der Daten verwendet werden.
Überprüfen, ob Beschreibungen und Erklärungen von Daten oder Theorien über sie die typischen und atypischen Elemente dieser Daten enthalten.
Bewusst versuchen, aus den Daten gezogene Schlüsse außer Acht zu lassen bzw. zu widerlegen.
Bestätigung aus dem Untersuchungsgegenstand selbst gewinnen.
Ebenso bewusst war sie sich auch der Bedeutung der Begriffe Tatsache, Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit, da diese mit der Stichhaltigkeit historischer Forschung zusammenhängen.
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wurden die beim Entwerfen, Recherchieren, Darstellen und Schreiben der vorliegenden Studie erfolgten methodischen Schritte beschrieben, die Vorgehensweisen in der historischen Forschung und bei den Interviews umrissen, die Charakteristika einer qualitativen Darstellung erläutert und die zur Sicherstellung wissenschaftlicher Striktheit notwendigen Kriterien genannt.
Ebenso wurden die einzelnen Forschungsphasen skizziert, die der Behandlung der drei Forschungsfragen dienten, und die gewählten Forschungsmethoden beschrieben.
Kapitel 2 – Still verstehen
„Ich glaube nicht, dass wir Stills Ideen losgelöst vom historischen Kontext verstehen können.“ 1
In diesem Kapitel geht es um den historischen Hintergrund von Andrew Taylor Stills Leben. Es wird der Versuch unternommen, einige der Einflüsse zu entdecken, die ihn schließlich zur Entwicklung der Osteopathie führten und richtungsweisend waren für seine Schriften. Um zu verdeutlichen, was und warum Still schrieb, werden auch die Geistesströmungen im Amerika des 19. Jahrhundert, darunter der Spiritismus, dargestellt. Dazu kommen, in Form einer kurzen biografischen Skizze, Elemente aus Stills Lebensgeschichte, die wichtige Einblicke in Stills Charakter und Wesen geben.
Stills metaphorischer Stil lässt sich u. a. auf seine Teilnahme am Bürgerkrieg, seine Basteleien an mechanischen Erfindungen und sein Vertrauen auf einen irrtumsfreien Gott zurückführen. Ein Vertrautsein mit Stills Leben, seiner Philosophie, seiner Ausdrucksweise und seinen Zielen bildet die Basis für die Untersuchung seiner Faszienkonzepte.
Sein Leben
„Eine Reihe von Faktoren, die Dr. Still zu dem machten, was er war und noch ist, ergeben sich aus seinen Lebensumständen.“ 2
Die 89 Jahre seines Leben verbrachte Still in zehn Pioniergemeinden des mittleren Westen Amerikas. Nach dem Wunsch seiner Mutter, die für ihre Kinder eine gute Bildung anstrebte, wählte er, in die Fußstapfen des Vaters tretend, den medizinischen Berufsstand. Er wurde in den Jahren vor und während des amerikanischen Bürgerkriegs erwachsen, heiratete zwei Mal und wurde Vater von 13 Kindern. Seine beiden Ehefrauen, acht seiner Kinder und viele Freunde starben vor ihm. Zielstrebig und mit leidenschaftlichem Engagement entwickelte er eine medikamentenfreie Heilkunst, die er Osteopathie nannte. In der Folge werden wesentliche Details seines Lebens und seiner Zeit dargestellt, die sowohl Still selbst als auch die erste Entwicklung der Osteopathie prägten. Mit Einzelheiten seiner medizinischen Ausbildung beschäftigt sich dann Kapitel drei, Über die Faszien.
Die Familiengeschichte
Stills Eltern
„Will man mit einem Menschen vertraut werden, sollte man sich mit seiner familiären Herkunft beschäftigen.“ 3
Andrew Taylor Still wurde als neuntes Kind von Abraham und Martha Still geboren, die sich einer Beschreibung nach „inmitten all der schwierigen Verhältnissen“ der damaligen Zeit als „Eroberer und Helden reinsten Wassers“ erwiesen.4 Stills Eltern waren Pioniere und Landwirte, deren Genealogie amerikanische, englische5, schottische und deutsche Wurzeln aufweist6.
ABRAHAM STILL
„Mein Vater war ein Mann mit strengen Überzeugungen, die er immer und an jeder Stelle verteidigte. Er stand stets für die Abschaffung der Sklaverei ein und kämpfte so lange dafür, bis er sie von jedem Fleck Nordamerikas entfernt sah, ob sie nun von Gott gewollt oder teuflisch war.“ 7
Neben der Landwirtschaft betätigte sich Abraham als erfahrener Schlosser,8 methodistischer Prediger,9 Wanderprediger zu Pferd,10 Arzt11 und Doktor der Theologie12 der Methodistischen Episkopalistischen Kirche. Sein Abenteuergeist gepaart mit seinem Drang, als Wanderprediger den Methodismus zu verbreiten, und seine starke Abneigung gegen die Sklaverei führten dazu, dass die Familie häufig umziehen musste.
Um 1820 herum13 nahm Abraham seine Wanderpredigertätigkeit auf. Wanderprediger benötigten eine sehr kräftige Konstitution, um die zahlreichen körperlichen Belastungen zu ertragen, die mit ihrer Berufung, die Religion bis in die entferntesten Gegenden des besiedelten Grenzlandes zu verbreiten, einhergingen.14 Sie „nahmen es auf sich, so viel möglich über Krankenbetreuung zu lernen.“15
MARTHA POAGE MOORE (1800–1888)
„ Sie war zeitlebens mein bester Freund.“ 16
Als Pioniersfrau konnte Stills Mutter Martha Felle gerben, Kleidung aus Rehfellen herstellen und Schweine schlachten, um Fleisch zu erhalten.17 Still beschrieb seine Mutter als „geborene Mechanikerin“18. Obgleich einige ihrer Vorfahren von Indianern des Shawnee-Stammes umgebracht worden waren,19