Der neue König von Mallorca. Jörg Mehrwald

Der neue König von Mallorca - Jörg Mehrwald


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Ich trinke übrigens nicht.«

      Hugo hätte vor Entzücken einen Veitstanz aufführen können.

      »Ich wünschte, dieser dusslige Ernie hätte auch nur einen Hauch deiner Intelligenz. Du bist ein Riesentalent, ich erkenne so was. Und nenn dich nie wieder Spanner, du bist ab sofort ein Scout. Klingt geiler, immer ans Marketing denken!« Sascha nickte erneut.

      »Gut, ich muss jetzt ins Zimmer 36.«

      »An der Schlüsselbar hängen die Ersatzschlüssel unter dem Tresen. Einfach reingehen, wegnehmen, wenn die Bedienung gerade ans Telefon muss.«

      Hugo grinste, überreichte noch einen Zwanziger und schnappte sich wie empfohlen den Schlüssel. Dann eilte er zu Zimmer 36.

      In selbigen trieb Ernie es inzwischen wie ein Weltmeister, der einen Freistoß nach dem anderen versenkte. Vorsichtig schloss Hugo die Tür auf und tappte in das Zimmer. Doch Ernie und seine neue Freundin ließen sich nicht stören.

      Hugo schaute zunächst entspannt, dann zunehmend begeistert zu.

      »Wenn der Kerl dabei singen könnte, würde ich ihn in die höchsten Kreise bringen«, dachte er.

      Dann platzte ihm der Kragen.

      »Hey Ernie! Bevor du kommst, lässt du mich ran. Wir wollen doch nicht schwanger werden!«

      Augenblicklich hielten beide inne.

      Die zopfige Mopsi raffte das Bettlacken zusammen und forderte: »Schmeiß ihn raus!«

      »Mann Hugo, ich darf doch wohl mal eine Muschi klarmachen.«

      Jetzt staunte seine Freundin nicht schlecht.

      »Was willst du hier machen?«

      Hugo schwieg, er wollte erst hören, was die Stimme der Emanzipation zu sagen hatte.

      »Hier ist keine Muschi klargemacht worden. Oder behaupte ich etwa, dass hier eine Nudel vernascht wurde?«

      »Sagt man so«, blieb Ernie stur.

      Hugo warf seinem Schützling die Klamotten zu, die er schon mal vom Boden aufgelesen hatte.

      »Sagt man eben nicht so. Ist geklaut. Ben Stiller. Hollywood-Zitate kommen immer gut, aber nicht wenn man dabei kommen will, merke dir das. Weiß jeder Profi«, sagte Hugo.

      »Na was nun, schmeißt du ihn raus? Das ist mein Zimmer?«, versuchte Mopsi noch einen draufzusetzen.

      Ernie zuckte mit den Schultern. Hugo wartete im Türrahmen.

      Doch kam die neue Konkurrentin mitsamt dem Lacken auf ihn zu.

      »Er hätte es wenigstens versuchen können, meinst du nicht auch, Hugo? Ich heiße übrigens Wanda Hesch, und ich kann singen.«

      Sie ließ das Lacken fallen und reichte ihm die Hand.

      Hugo war beeindruckt von so viel Unverfrorenheit und einem absolut überzeugenden Body.

      »Sie wissen, dass mich allenfalls Ihre Gesangskünste begeistern können?«, antwortete Hugo.

      »Naja, der Rest kann ja nicht schaden«, sagte Wanda und hob das Lacken auf, nicht ohne mit einer raffinierten Drehung ihren eindrucksvollen Hintern zu präsentieren.

      Hugo war nun vollends überzeugt, dass er gegen diese Konkurrenz absolut machtlos war, wenn er nicht zu allen Skrupellosigkeiten bereit war, die ihm gerade einfielen. Ernie hatte sich angezogen und wollte gehen.

      »Wanda, vielleicht sollten Sie mal zum Vorsingen kommen.«

      »Sie wissen ja, wo Sie mich finden.«

      »Gern.«

      Ernie gab ihr einen Kuss.

      »Vielleicht in meinem Backgroundchor.«

      Hugo biss sich auf die Lippen und wünschte sich, dass Wanda jetzt ebenfalls mit einer Beleidigung antworten würde. Doch leider tat sie es nicht. Dazu war sie zu raffiniert. Und das beeindruckte Hugo nun wirklich.

      *

      Müller und Stefest betraten das ›Kakadu‹ und warteten an der Rezeption auf die Rückkehr des Portiers, um ihre Schlüssel in Empfang zu nehmen. Eine dicke Rheinländerin mit rotem Gesicht, blond gefärbt und von bunten Leggins entstellt, machte sich rhythmisch an der Tischklingel zu schaffen. Als Müller und Stefest sich stumm neben sie stellten und ihr Tun beobachteten, erläuterte sie ungefragt: »Frechheit, meine Dusche geht nicht. Kein Tropfen! Wozu stelle ich mich wohl unter die Dusche?«

      Müller bedauerte jeden Wassertropfen einzeln, der sich an diesen Fettmassen entlangkämpfen musste, um den rettenden Abfluss zu erreichen. Stefest ließ solcherlei Gedanken gar nicht erst aufkommen und stimmte der Matrone zu: »Wer Dusche bezahlt, soll auch Dusche haben!«

      In ihrer Meinung bestätigt, malträtierte die Dicke mit ihren mächtigen Patschhänden die Tischklingel nun noch heftiger.

      »Es ist erst Mitternacht, keiner geht ans Telefon, niemand ist an der Rezeption. So kann man doch einen Deutschen nicht behandeln! Sie sind Zeugen!«

      Stefest ahnte Schlimmes. Noch zwei Minuten, und dieser klingelnde Pfannekuchen würde ein Protokoll zücken, um Müller und ihn als Zeugen die Mängelliste unterschreiben zu lassen. In solchen juristischen Tricksereien kannte er sich aus. »Nee nee, so nich!«, dachte er und holte kurzerhand die Schlüssel vom Brett. Beide verabschiedeten sich, verließen fluchtartig die Rezeption. Die Dicke war jetzt weniger freundlich: »Das ist aber auch keine Art!«, war ihr letzter Kommentar, bevor die beiden Dienstreisenden im Fahrstuhl verschwanden und die Tischklingel in ihre Einzelteile zerflog.

      Müller musste als Erster aus dem Lift aussteigen. Sein Zimmer lag im dritten Stock. Stefest würzte seinen Gute-Nacht-Gruß noch mit dem ausdrücklichen Wunsch nach einem pünktlichen Erscheinen zum Frühstück. »Punkt acht Uhr möchte ich dich mit fröhlichem Gesicht vor mir und meinem Frühstücksei sehen. Wenigstens einer muss am Frühstückstisch gute Laune haben. Und ich weiß nicht, wie mein Frühstücksei drauf ist.«

      Markus gönnte seinem Chef das letzte Wort und ein schelmisches Grinsen. Er war müde. Stefest fuhr in den fünften Stock, wo ein komfortables Doppelzimmer mit quietschendem Bett und Fernsehanschluss, aber ohne Fernseher auf ihn wartete.

      Müller sank erschöpft auf sein Laken. An das darunter befindliche Bettgestell mochte er in diesem Moment gar nicht denken. Die Matratze war durchgelegen, was ihn nur mäßig beeindruckte. Fast schmerzlich vermisste er aber die sonst in Hotelbetten übliche Kuhle, die er diesmal als Rettung empfunden hätte. Müllers Rücken stand vor einer schweren Belastungsprobe. Über die gesamte Matratzenlänge zogen sich zwei Querwülste im Schulterblatt- und im Oberschenkelbereich. Keines der Zwischenteile war groß genug, dass er sich entspannt hätte hineinlegen können. Zwei gemeine Hügel in der Nierengegend taten ein Übriges zur peinigenden Wirkung. Müller lag und hoffte, dass er vor Übermüdung einschlafen würde. Die Matratze wollte er morgen auswechseln lassen. Aus dem Zimmer nebenan kamen eindeutige Geräusche. Unverkennbar handelte es sich um eine ausgelassene Nummer eines urlaubsgestimmten Pärchens. Müller grinste vor sich hin und dachte an seinen eigenen sexuellen Notstand, den er möglichst schnell beenden wollte. In diesem Zusammenhang kam ihm das rothaarige Blauvögelchen in den Sinn, aber sie war zu weit weg. Er wusste noch nicht einmal ihre Zimmernummer. Plötzlich beunruhigte ihn ein dumpfes Rumpeln, mit dem ein schleifendes Geräusch einherging. Aus der Entfernung anschwellende Stimmen riefen Markus ins Gedächtnis, dass sich der Fahrstuhl ganz in der Nähe befand. »Warum schalten die dieses Ding nachts eigentlich nicht ab?«, sprach er halblaut in Richtung Wand, die wie ein Sexfunk-Dauerprogramm ganz andere Geräusche wiedergab. Müller hörte eine Weile interessiert zu. »Zuhause müsste ich dafür eine teure Sex-Hotline anrufen, hier bekomme ich das gratis«, stellte er zufrieden fest. »Wenn schon all-inclusive, dann richtig.« Er hielt sein Ohr an die Wand. Die artistischen Einlagen im Appartement nebenan interessierten ihn nun doch etwas genauer. Auf das übliche Bettwippen folgte ab und an eine kleine Pause und ein gemeinsames lautes »Ooooohhhpps«, wonach ein kräftiger Aufprall zu hören war. Markus versuchte sich vorzustellen, wie die beiden jeweils die Positionen


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