Der ungeliebte Amadeus und andere Kriminalgeschichten. Dietmar Hann

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Und Anke ging es gut, hatte er erfahren, und Marie natürlich auch. Vielleicht würde sich nun doch alles zum Guten wenden! Er wünschte sich das jedenfalls sehnlichst. Kathrin hatte ihm verraten, dass sie nach Deutschland übersiedeln wolle, in den nächsten Tagen sogar schon, und dass sie vorhabe, sich ein Modedesignstudio in Berlin einzurichten. Ja, der Opi könne wirklich stolz sein auf seinen groß gewordenen „Waildfäng“. Sie würde ihn natürlich bald besuchen kommen, versprochen. Und „männi dier grietings from Mom änd Märrie“ solle sie ausrichten. Ja, auch die hätten den Opi „wärri, wärri“ lieb.

      Helga kam mit einer dicken Backe nach Hause, der Zahnarzt hatte ihr zwei Zähne gezogen. Die Wirkung der Betäubungsspritze ließ allmählich nach, die Schmerzen nahmen dafür stetig zu. Deshalb war sie übel gelaunt. Werner hätte schon Bedenken gehabt, seiner Frau die Neuigkeiten mitzuteilen, wenn sie bei bester Laune gewesen wäre. In ihrem jetzigen Zustand jedoch durfte er ihr auf keinen Fall mit Nachrichten von Anke und den Kindern kommen, selbst wenn sie noch so gut waren.

      Werner verzog sich stillschweigend in den Garten, legte sich auf die Hollywoodschaukel und grübelte.

      Frank und Melanie lagen nackt auf dem Bett und schütteten sich aus vor Lachen.

      „Ich hab dich auch ‚wärri, wärri lieb, mai dier‘“, sagte Frank und tätschelte seiner Liebsten den Hintern. „Hätt auch schiefgehen können, was? War noch nie gut im Kopfrechnen. Ich hab mich wirklich super vorbereitet, aber dass der misstrauische Exbulle so’n Scheiß fragt, konnte doch keiner ahnen.“ Frank streichelte Melanie den Rücken. „Aber du warst einfach Spitze als ‚Kässrihn from Austrälia‘. Und der ‚dier Opi from Dschörmännie‘, dieser alte Teufel, wurde bei deinen himmlischen Nachrichten fromm und frömmer. Ich glaub, ihm lief nicht nur der Rotz, der hat richtig geheult vor Rührung. Da wär ich zu gern dabei gewesen, ich hätt mich eingepisst vor Lachen.“

      „Ja, es war irre lustig, allerdings auch ganz schön anstrengend, so lange die Stimme zu verstellen. Aber ein bisschen gemein ist es schon, finde ich. Du bist so ein guter Mensch, Frank, hast du es nötig, Gleiches mit Gleichem zu vergelten?“ Melanie küsste ihn auf die eine Wange und streichelte die andere.

      „Ach was, Werner Gattermann hat einen Denkzettel mehr als verdient! Hab ich dir doch erklärt. Mach dir mal keinen Schädel. Wenn du tust, was wir besprochen haben, kann nichts schiefgehen.“ Frank schaute Melanie tief in die blauen Augen, um ihre Bedenken zu zerstreuen. „Glaub mir, es ist wirklich nur ein Streich innerhalb der Familie, mehr nicht. Wenn auch ein ziemlich böser, na und! Er soll sich ruhig bis auf die Knochen blamieren, wenn er als Kriminalhauptkommissar a. D. schon derart außer Diensten ist, dass er sogar auf den primitiven Enkeltrick reinfällt. Und das, meine Liebe, ist nicht strafbar. Und keine Sorge, die Kohle kriegt er natürlich wieder. So, Mellaschatz, eh ich wieder losmuss, lass uns doch noch mal schnell …“ Frank versuchte, Melanie auf sich zu ziehen, doch sie wollte jetzt lieber unten liegen. Das war was ganz Neues. Egal, Frank liebte es auch, missionarisch zu lieben.

      Werner war wieder allein zu Haus. Rosalie und Kinder quälten sich in der höheren Bildungsanstalt, der arbeitsscheue Schwiegersohn lümmelte wahrscheinlich in der Jobagentur herum und Helga hatte einen Friseurtermin. Färben und Dauerwelle, das konnte dauern. Je länger, je lieber, wünschte sich Werner. Er plagte sich mit der Vorbereitung des Präventionsseminars. Zwar hatte er die gesuchten Fachartikel irgendwann gefunden, gründlich studiert und sich Notizen gemacht, kam aber mit dem Entwurf eines eigenen Vortrags nicht richtig voran. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren. Schuld war seine australische Enkeltochter Kässrihn, die sich wieder Kathrin nannte, seitdem sie nach Berlin übergesiedelt war.

      Gestern hatte sie zum zweiten Mal angerufen. Ach, „Dschörmännie“ sei ja so toll, schwärmte sie ihrem „dier Opi“ dabei in einem Mix aus englischen und deutschen Brocken vor. Und „Börlinn“ habe es ihr ganz besonders angetan. Die „Piepels sein so lawli“, der „Tellewischntauer“ so „bigg“ und das „Brändenbörg Gäit“ so „gräit“. Und der Opi könne sich nicht vorstellen, wie „fanni änd sexi“ hier das „Schopping“ sei, vor allem im „KeyDieDabbeljuh“. Werner konnte das tatsächlich nicht. Kathrin ließ ihm auch keine Zeit zum Nachdenken, denn sie schnatterte ohne Luft zu holen. Das Studio sei „sooo bjutifull“, erfuhr er weiter, und „wärri“ günstig gelegen, ganz in der Nähe vom „Ännimälgaaden“, und die Miete sei nicht so „hai“, dass sie diese nicht erwirtschaften könne. Aber leider, leider sei doch nicht alles „wärri gud“. Der „bäd“ Immobilienmakler habe von heute auf morgen die „Prowischn“ verdoppelt und das sei so gemein, weil sie damit doch nicht rechnen konnte. Sie habe bereits die Mama angerufen und die würde das Geld sofort überweisen, wenn Kathrin schon ein Girokonto besäße, sie habe aber noch keine Zeit gehabt, sich eines einzurichten und würde das auch nicht mehr bis morgen schaffen, leider, aber morgen müsse sie schon die „Prowischn“ bezahlen und wenn nicht, dann hätte der Makler noch „ä lott ow“ anderer Interessenten und dann wäre es aus mit ihrem „Drihm“ vom eigenen „Fäschnstjudio“.

      „Was soll ich bloß machen, Opi?“, schluchzte es am anderen Ende der Leitung. „Ich bin ‚so wärri‘ traurig und ‚häff so männi tihrs inse Eihs‘.“ Das Schluchzen ging nahtlos in lautes Heulen über.

      „Bitte nicht, nicht weinen, mein Engelchen!“, versuchte Werner zu trösten, „vielleicht kann dir der Opa aus der Patsche helfen. Wozu sind denn Opis da, nicht wahr? Hahaha! Na sag schon, wie viel brauchst du?“

      „Zwanzig, zwanzigtausend, Opi. Besser wären fünfundzwanzigtausend. Mama hätte mir sogar dreißigtausend überwiesen, aber für die Maklerprovision würden mir zwanzig… äh, fünfundzwanzigtausend erst einmal reichen.“ Kathrin begann erneut herzzerreißend zu schluchzen: Nein, nein, nein, nicht einmal vom besten Opi der Welt könne sie so einen großen Liebesdienst annehmen, und er hätte ja auch nur seine bescheidene Rente … Ach, am besten wäre es, sie ginge wieder zurück nach „Austrälia“. Huhhuhhuh!

      Einen Moment hatte sich Werner darüber gewundert, wie perfekt seine Enkelin bereits nach so kurzer Zeit die deutschen Zahlwörter beherrschte und sogar akzentfrei aussprach. Wenn Kathrin Zahlen so am Herzen liegen, freute er sich, wird sie bestimmt mal eine großartige Geschäftsfrau. Und deshalb sagte er ihr die Fünfundzwanzigtausend zu. Er bekomme ja Pension und damit sei eine solche Hilfsaktion innerhalb der Familie schon mal für kurze Zeit zu verkraften. Kathrin überhäufte ihn mit Dankes- und Lobeshymnen und Werner sonnte sich darin.

      Ach sooo, fiel ihr plötzlich ein, eine Überweisung sei ja leider noch gar nicht möglich und sie könne das Geld dummerweise auch nicht persönlich von ihm abholen, sie müsse doch in „Börlinn“ bleiben, um zu verhindern, dass der gierige Makler die Räume an andere vermiete. Aber zum Glück habe sie bereits eine deutsche Freundin gefunden, der sie blind vertrauen könne. Die würde sich morgen Vormittag mit ihm in Verbindung setzen und das Geld abholen.

      „Ach Opi, ai law ju sooo!“, hatte sie zum Schluss ins Telefon gehaucht, noch drei Küsse hinterhergeschmatzt und aufgelegt, ehe er ihr sagen konnte, dass er sie für etwas leichtsinnig halte.

      Werner schmiss den Kugelschreiber hin, zerknüllte sein Manuskript und schaute zum x-ten Mal nervös auf die Uhr. Schon halb elf, warum meldete sich die dämliche Tussi nicht? Würde die erst anrufen, wenn Helga oder Frank zu Hause wären, käme er in arge Erklärungsnot. Verdammt, wenn er doch bloß Kathrins Telefonnummer hätte, dann könnte er schnell mal nachfragen. Aber vielleicht …

      Das Telefon bimmelte. Werner bekam einen derartigen Schreck, dass ihm das Gerät beinahe aus der Hand gefallen wäre. Kathrins Freundin war am Apparat und entschuldigte sich für den verspäteten Anruf, aber sie sei wegen eines blöden Staus auf der Autobahn gerade erst in der Stadt angekommen. Sie wolle nur schnell eine Kleinigkeit essen und warte in einer halben Stunde vor der Sparkasse auf Herrn Gattermann. An der Motorradkleidung und an den langen blonden Haaren könne er sie erkennen. Er möge sich aber bitte, bitte beeilen, sie müsse doch pünktlich zur Übergabe der Provision wieder bei ihrer Freundin Kathrin in Berlin sein. Es käme auf jede Minute an. Bis gleich. Knack, tut, tut, tut …

      Werner Gattermann verließ die Sparkasse mit einem prall gefüllten Kuvert in der Brusttasche und mit einem mulmigen


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