Futur 3 - Morgen nennt man Zukunft. Группа авторов
Haar?
»Wie heißt du?«, fragte ich. Der Kloß in meinem Hals ließ meine Stimme gedämpft klingen.
»Daron.«
»Und, und … warum hast du mich gerettet? Ich meine, du … du warst doch in dieser Limousine mit die… dieser Mrs. Potell und dem Bodyguard, der so eingebildet ist, und …«
»Jerome ist nicht eingebildet! Chelsea hat es ihm befohlen und er muss ihr gehorchen!«
»Und was hast du mit ihr zu tun?« Ich wusste, dass diese Frage sehr merkwürdig klang.
Doch zu meiner Überraschung lächelte er und antwortete: »Sie ist meine Cousine. Ich wohne für längere Zeit bei den Potells, weil meine Eltern auf Reisen sind. In Amerika. Sie haben sowieso nie Zeit für mich.«
Das erste Mal in dem Gespräch zwischen Daron und mir blickte ich auf meine Decke, die mit einer nicht sichtbaren Heizung ausgestattet war. Hauptsache weg von diesen graublauen Augen, dachte ich mir. Fühlte ich etwa Eifersucht? Hatte ich etwa Angst gehabt, dass Daron und dieses hochnäsige Mädchen zusammen sein könnten? Ich wusste es nicht. Ich konnte meine Gefühle plötzlich nicht mehr eindeutig auseinanderhalten.
»Ähmm … Danke, dass du mich gerettet hast«, sagte ich und blickte wieder in seine Augen.
»Gern. Die Krankenschwester wollte übrigens gleich noch mal vorbeikommen. Und wenn was ist: Hier ist meine Lisslerh-Nummer.«
Ich schaute ihn mit offenem Mund an.
»Ähh … ja!«, nuschelte er und lief rot an. Ich wusste sofort, dass er nicht der Angebertyp war.
»Du hast einen Lisslerh? Sind das nicht diese kleinen Dinger in Tierform, mit denen man telefonieren kann? Und die die jeweiligen Geräusche des Tieres machen? Die keiner abhören kann? Das ist ja cool!«, sagte ich und kleinlaut fügte ich hinzu: »Ich habe gerade mal ein CarlowMagnusC5. Und selbst das ist schon zwölf Jahre alt.«
»Echt? Ich interessiere mich für die Vergangenheit. Darf ich mal sehen?«
»Ja klar!« Ich kramte in meiner Tasche, die neben mir auf dem Nachttisch lag.
»Aber … wo ist denn mein Handy? Es ist weg!«
»Vielleicht hast du es irgendwo …«
In dem Moment klopfte es an der Plastiktür, die wie die Wand aus roten Backsteinen aussah, und eine junge Frau mit lila gefärbtem Haar kam herein. In der rechten Hand trug sie eine Zeitung.
»Guten Tag, Levina. Geht es dir besser?«
»Ja, so ziemlich.«
»Das ist gut, denn ich habe eine nicht so schöne Nachricht für dich. Der Chefarzt hat gesagt, ich solle sie dir erst überbringen, wenn es dir besser geht. Es wird ein ziemlicher Schock für dich sein, deshalb frage ich dich jetzt, ob du bereit bist, die Nachricht zu hören.«
»Ich glaube, ich bin bereit«, sagte ich mit zittriger Stimme.
»Keiner meiner Kollegen und keine der Kolleginnen wollte dir diese Nachricht überbringen.«
Ich überlegte, was das für eine Nachricht sein könnte. Sie ist so schlimm, dass sie mir keiner sagen will, also kann ich schon mal ausschließen, dass sie mein Handy kaputt gefunden haben.
»Also … Morgen kommen drei Leute von der KuJSO«, begann sie, doch ich unterbrach sie.
»Der KuJSO? Ist das nicht die KinderundJugendSchutzOrganisation? Warum kommen sie?«
»Weil … weil es … weil … Hier! Lies den Zeitungsartikel!« Sie streckte mir die Hand mit dem Artikel entgegen. Mit zittrigen Händen nahm ich ihn und las.
Zwei Personen bei Autounfall gestorben
Pürlehausen. Bei einem schweren Autounfall auf der Bröllstraße bei Pürlehausen ist ein Auto gegen die Leitplanke geprallt. Der Fahrer und die Beifahrerin sind noch an der Unfallstelle verstorben. Der Unfall ereignete sich nach Angaben der Polizei am Donnerstag, den 31. August um 21:15 Uhr. Uwe P. (Fahrer) und seine Frau Andrea P. (Beifahrerin) waren auf der Bröllstraße in Richtung Zuckleer unterwegs. Das Auto mit deutschem Kennzeichen kam auf gerader Strecke durch Schwanken auf die Gegenfahrbahn, berichteten Augenzeugen. Danach fuhr es mit hoher Geschwindigkeit gegen die Leitplanke. Bei dem Fahrer wurden nach dem Unfall 2,6 Promille Alkohol im Blut festgestellt. (Text: Angelina Flosters)
Ich musste mir den Bericht mehrmals durchlesen, um zu begreifen, was los war. Beim dritten Mal wurde mir bewusst, dass ich seit heute keine Eltern mehr hatte. Ich brach in Tränen aus, zerknüllte die Zeitung und wollte gerade aufstehen und hinausrennen, da packte mich die Krankenschwester am Arm und zog mich zurück auf das Bett.
»Ich weiß, es ist schwer für dich, aber …«
»Sie wissen gar nichts!«, fauchte ich und befreite mich aus ihrem harten Griff. Dann rannte ich los, so schnell und weit, wie mich meine Beine trugen. Ich rannte durch den schwach beleuchteten Gang, kassierte verwunderte Blicke der Krankenschwestern, doch das war mir egal, ich wollte einfach nur raus hier. Ich wollte raus aus dem nach Medizin riechenden Krankenhaus. Nie mehr würde ich auch nur einen verfluchten Schritt in diesen Kasten setzen. Nicht in das Krankenhaus, in dem ich erfahren hatte, dass meine Eltern einen Unfall gehabt hatten! Ich lief immer weiter den Flur entlang, bis ich irgendwann ganz allein war. Auf einmal sah ich Licht am Ende des einsamen Korridors. Ich rannte weiter und mit jedem Schritt wurde meine Geschwindigkeit größer. Endlich konnte ich die Tür aufstoßen. Ich rannte noch ein paar Meter über den Kies zu einer herrlichen grünen Wiese, dann blieb ich abrupt stehen, schloss meine Augen und atmete einmal tief ein und tief aus. Plötzlich war alle Last wie weggeblasen, ich fühlte mich wieder frei und glücklich. Klar war ich traurig, dass ich jetzt ohne Eltern leben musste, aber es war ein erlösendes Gefühl, wieder an der frischen Luft zu sein.
Aber sofort kam mir ein schrecklicher Gedanke: Die Krankenschwester hatte erwähnt, dass am nächsten Tag drei Leute von der KuJSO kamen. Erst jetzt wusste ich warum: Wenn ich keine Eltern mehr hatte, würden sie mich in ein Kinderheim stecken. NEIN! Das können die nicht machen! Sie konnten mich nicht in irgend so ein komisches Kinderheim stecken, wo wildfremde Kinder und Erwachsene waren, wo man nicht in den Urlaub fahren konnte und wo man ohne Eltern aufwachsen musste!
Da sagte eine vertraute Stimme hinter mir: »He, ähmm, ich bin’s, Daron. Es tut mir leid wegen deiner Eltern, aber ich … ich hätte da eine Lösung!«
Schlagartig drehte ich mich um und erblickte seine wundervollen, blaugrauen Augen. Ich hatte das Gefühl, dass sie mir Kraft und Energie gaben. »Was für eine Lösung?«, fragte ich mit einem kleinen bisschen Hoffnung in der Stimme.
»Also, ich hätte da an Flucht gedacht. Ich meine, ich glaube nicht, dass du in ein Kinderheim willst, und eigentlich will ich auch nicht mehr bei den Potells bleiben. Dort wird man sowieso nur wie ein Prinz behandelt. Also, wie findest du meine Idee?«
»Super! Aber das Problem ist, wohin? Früher oder später wird man nach uns suchen.«
»Mach dir mal darüber keine Gedanken. Ist es okay für dich, wenn Jerome mitkommt? Weißt du noch, wer das ist?«
»Ja! Euer Bodyguard, aber wieso?«
»Weil er auch keinen Bock mehr auf die Potells hat. Außerdem hatte er die Idee und er hat dich zusammen mit mir gerettet.«
»Wirklich? Na ja, ich habe nichts dagegen … Wir drei werden sicher ein gutes Team sein!«
»Oh, Mist, da kommt die Krankenschwester mit ihren Kollegen. Schnell! Renn mir einfach hinterher. Wir holen nur noch Jerome und meine Sachen. Willst du mitkommen oder hier warten?«
»Was für eine Frage! Ich komme mit!« Ich war so glücklich, wäre da nicht der Tod meiner Eltern gewesen … Aber die Flucht würde eine gute Ablenkung für mich sein.
Zuerst rannten wir eine Weile, um sicherzugehen, dass wir sie abgehängt hatten. Der Wald war relativ hell und die Sonne bahnte sich einen Weg durch die hohen Bäume. Als wir dann wieder normales