Chefvisite. Die unerwartete Rückkehr des Auferstandenen. Albrecht Gralle

Chefvisite. Die unerwartete Rückkehr des Auferstandenen - Albrecht Gralle


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ist Unsinn“, meinte er.

      „Aber es steht doch im … ich glaube im Markusevangelium.“

      „Oh ja, das stimmt schon. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, von Gott verlassen zu sein, weil ich alles Menschliche durchleben musste, aber natürlich war mein Vater da. In meiner schlimmsten Stunde zieht er sich doch nicht zurück, schließlich sind wir eine untrennbare Einheit. Ich bin seine menschliche Seite. Er ist immer gegenwärtig.“

      „Musste sich Gott nicht zurückziehen, weil die Sünde der ganzen Welt auf dir …“

      Jeschua blickte mich streng an, und ich hörte auf zu sprechen.

      „Wenn Gott sich jedes Mal vor der Sünde zurückgezogen hätte, wäre die Welt gottlos geworden und schon längst untergegangen.“

      „Aha“, sagte ich nur. „Aber … aber wenn Gott gegenwärtig ist, gilt das auch für die Hölle?“

      „Sicher“, nickte er, „natürlich indirekt. Es gibt keine Energie, die an Gott vorbei existiert. Aber die Leute dort wissen es nicht oder wollen es nicht wissen.“

      Das war mir neu, und ich musste es erst mal verdauen. Wenn Gott in der Hölle ist, dann müsste er auch in den Überschwemmungsgebieten, in der Wüste, bei den Terroristen und im Unterhaltungsprogramm des Fernsehens sein.

      „Übrigens: Hast du Hunger?“, fragte Jeschua, der Auferstandene.

      „Na ja, es ist Mittag und seit dem Frühstück habe ich nichts mehr gegessen.“

      „Gut, dann gehen wir etwas essen“, meinte er, drehte sich um und ging den Gang zurück. Ich folgte ihm. Was sollte ich auch sonst tun als getaufter Nachfolger?

      Wir fanden ein argentinisches Steakhouse in der Georgstraße, bei dem man draußen sitzen konnte.

      „Ich lade dich ein!“

      „Oh“, meinte ich, „vielen Dank. Wie machst du das eigentlich mit dem Geld? Wo bekommst du es her?“

      „Das würdest du gerne wissen, was?“

      „Das wäre praktisch.“

      „Alles Materielle kann unendlich vermehrt werden, aber nur von Leuten, die sich in einer übergeordneten Dimension befinden …“

      „Aber du konntest es doch vor deiner Auferstehung auch schon, oder nicht?“

      „Ich bin die Ausnahme.“

      „Okay.“

      Der Kellner kam und erklärte uns, dass man sich einen Salatteller selbst zusammenstellen sollte, wir müssten ihm nur sagen, welches Fleisch und wie viel wir wollten.

      Ich bestellte das Beste und Teuerste und dachte mir: Jemanden, der Geld vermehren kann, den kann man eigentlich kaum schädigen.

      Jeschua bestellte sich Wein zu seinem Steak. Warum war er eigentlich nicht Vegetarier?

      Ich nahm lieber Wasser und verzichtete auf den Wein, damit ich nicht während der nächsten Stunden müde wurde. Für mich war das ja eine Art Arbeitsessen.

      „Ich habe mich oft gefragt“, fing ich an, als wir unseren Salat zusammengestellt hatten und unsere Steaks gebracht wurden, „was du eigentlich die ganze Zeit im Himmel so machst.“

      Er sagte nichts und deutete auf unsere Teller.

      „Erstmal essen und genießen“, meinte er.

      Wir aßen schweigend.

      Dann sagte er: „Ich weiß, dass du viele Fragen hast, du liebst ja die Details, aber ich möchte dich schon mal vorwarnen, dass du nicht alles verstehen wirst. Manchmal muss ich zu Bildern greifen oder zu Symbolen. Weißt du, der Himmel ist ein Ort, wo die Urbilder zu Hause sind. Was auf der Erde eine irdische Ausprägung hat, das gibt es im Himmel im Original. Stell dir vor, du hast einen wunderschönen Garten, und du entwirfst Zeichnungen davon für Leute, die so platt sind wie ein Blatt Papier ….“

      Es fiel mir schwer, mir das vorzustellen.

      „Zu deiner Frage: Was ich oder was wir so machen? Bei uns im Himmel ist es nicht so, dass wir mal was machen und mal nicht. Ich bin mit dem ganzen Universum verbunden, und wenn ich mich jetzt konzentrieren würde, wüsste ich, womit Menschen, Pflanzen, Tiere in einem anderen Sonnensystem und in einer anderen Milchstraße sich gerade beschäftigen. Du siehst einen himmlischen Menschen vor dir, aber ich bin nur die Oberfläche Gottes, sein abgemildertes Bild. Gott in seiner Herrlichkeit könntest du keine Sekunde ertragen …“

      Er blickte mich an, und vor meinen Augen ging eine Verwandlung vor sich, Licht schien durch ihn hindurch, und die Erde begann zu beben, oder es kam mir so vor.

      Ich ließ meine Gabel fallen und sagte: „Hör auf!“

      Ein paar Leute drehten sich um.

      „Verstehst du, die ganze Wirklichkeit ist mit mir verbunden, jede Sekunde. Wenn nicht, würde alles auseinanderbrechen. Das ist unsere Arbeit, wir halten alles am Laufen.“ Er überlegte und sagte dann: „Die Kraft, die die Welt im Innersten zusammenhält, um Goethe zu zitieren.“

      „… und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns …“, flüsterte ich.

      „So ist es!“, nickte er und trank einen Schluck Wein.

      „Hm“, sagte er, „ich hätte die wirklich teure Sorte nehmen sollen, aber als Begleitung zu einem Steak ganz okay.“

      „Und was hast du vor, während du deine … ahm … Inspektion oder Chefvisite machst?“

      Er lächelte. „Ich inspiziere nichts. Was hier läuft, das weiß ich alles schon, aber ich muss Dinge anstoßen, Worte, wie Samen auf die Erde streuen, Anregungen geben, nach dem Rechten sehen.“

      „Merkwürdig“, sagte ich. „Jemand, der allmächtig ist und mit einem Fingerschnipsen alles zum Guten wenden könnte, müsste doch keine Entwicklungen anstoßen!“

      Jeschua seufzte. „Es ist immer wieder das Gleiche. Die Menschen hier verstehen einfach nicht das Konzept der Allmacht Gottes. Als Gott seine Energie von sich wegschickte, um eine Schöpfung entstehen zu lassen, schuf er gewisse Gesetzmäßigkeiten. Er hat gemacht, dass die Dinge sich machen und kann das nicht dauernd umstoßen. Er konnte die Evolution in gewisse Bahnen lenken, das schon, aber die Welt der Menschen muss sich in einer bestimmten Freiheit entwickeln können, sonst taugt sie nichts. Und deshalb muss ich Entwicklungen anstoßen und kann nur darauf hoffen, dass Menschen sie annehmen. Ich kann Menschen nicht einfach wie ein Zauberer verändern. Wäre ja auch sonst ziemlich langweilig. Wir sind allmächtig in dem Sinn, dass alle Macht von uns kommt. Aber …“, er deutete mit der Gabel auf meinen Teller. „Dein Fleisch wird kalt.“

      Wir aßen weiter, und schließlich fragte ich ihn nach seinen konkreten Plänen.

      „Ich werde wohl die muslimische Welt besuchen müssen“, sagte er, „da läuft gerade etwas schief. Gott ließ den Islam entstehen, um die Menschen, die den christlichen Glauben nicht annahmen, wenigstens von ihrer Vielgötterei abzubringen, aber zur Zeit läuft es wirklich aus dem Ruder.“

      „Und Deutschland?“

      „Deutschland ist gar nicht so schlecht. Nach der großen Katastrophe haben die Deutschen immerhin dazugelernt, aber klar, ein paar Dinge muss ich hier auch in Gang bringen …“

      „Und wie … wie kommen wir da hin? Fliegen wir durch die Luft wie Superman?“

      Jeschua wehrte ab: „Nein, nein, wir fliegen ganz normal mit dem Flugzeug oder reisen mit der Bahn. Ich möchte nicht auffallen.“

      Oh, dachte ich, dann muss ich mit meiner Frau doch ernsthaft reden, wenn ich so oft unterwegs bin. Das wird ihr nicht gefallen.

      „Ich begleite dich nach Hause“, sagte er. „Deine Frau wird es verstehen.“

      Es klang, als ob er meine Gedanken hören konnte, wahrscheinlich war es auch so.

      „Ich


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