Trilogie des Mordens. Ulrich W. Gaertner

Trilogie des Mordens - Ulrich W. Gaertner


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Verantwortung zu übernehmen.

      Sie kennt nach den langen, nicht immer harmonischen Ehejahren jeden Gedanken und die Stimmungen ihres Mannes sehr genau. Wie oft hat er auf ihr Drängen hin über die internen Schwierigkeiten im Dienst berichtet. Diese, verursacht durch kurzsichtige, inkompetente Vorgesetzte, erschweren ihm das Leben. Sie weiß, dass er mit seiner Geradlinigkeit und Offenheit, den Ecken und Kanten seiner Persönlichkeit, längst nicht bei allen Entscheidungsträgern beliebt ist. Aber es gibt immer noch genügend ähnlich Denkende, sodass er seine Ideen und Vorschläge meistens umsetzen kann. Ihr entfährt ihr ein leiser Seufzer. So manches Mal kommt er aber auch enttäuscht und niedergeschlagen nach Hause.

      Fast zeitgleich blicken sich beide über den Tisch hinweg an. Zu Kluges prüfendem Blick gesellen sich Zuneigung und Zärtlichkeit. Dasselbe strahlen auch ihre Augen aus. Dann tritt eine ruhige, gelassene Entspannung ein, begründet in der inneren Harmonie beider Partner. Elaines Wangen haben sich leicht gerötet, als sie belustigt bemerkt, dass es Bernhard auch so geht. Mit einem lauten Räuspern hält Kluge die aufgeschlagenen Zeitungsseiten so hoch, dass seine Frau nur die Reste seines ehemals dunkelblonden, üppigen Haares erblicken kann. Über allem sonntägliche Stille. Kluge liebt diese morgendlichen Stunden.

      Als er konzentriert die Fortsetzung der Berichterstattung von Seite eins – Unbekannter Toter im Erste-Klasse-Abteil des ICE – beendet, nehmen ihn die Schlagzeilen über den Rinderwahn-Skandal in Großbritannien und die erfolglose Fahndung der Hamburger Sonderkommission in der Entführungssache Jan Philipp Reemtsma in Beschlag.

       Lebt der Mann noch? Wo und wie? Auf jeden Fall müssen Profis bei diesem Verbrechen am Werk gewesen sein. Wie mag sich der Entführte jetzt fühlen?

      Vor Kluges innerem Auge kocht seine hilflose Situation im Stasi-Gefängnis wieder hoch. Zwar nicht eins zu eins vergleichbar, aber Kluge kann sich in die Angst und Hilflosigkeit des Entführten versetzen. Schon ist er mit seinen Gedanken mitten im Dienst. Demnächst ist eine große Übung geplant, mit Beteiligung unterschiedlicher Polizeieinheiten. „Geiselnahme/ Entführung“, lautet das brisante Thema, das als fiktiver Fall angenommen wird. Er leitet den Abschnitt „Ermittlungen“, der den Zeitpunkt des Bekanntwerdens der fiktiven Entführung/Geiselnahme als Beginn der Ermittlungen voraussetzt. Für ihn und die anderen Kommissariatsleiter bedeutete das zusätzliche Arbeit. Nachdenklich legt er seine Zeitung auf den Frühstückstisch. Ein Griff zur Kaffeetasse – natürlich ist der inzwischen kalt geworden.

      „Liebes, nun dürfen wir kein Roastbeef aus England essen, sonst bekommen wir alle den Rinderwahnsinn in den Kopf.“ Mit einem nahtlosen Übergang und dieser bewusst banalen, aber auch abschreckenden Botschaft aus der Presse, erreicht er erneut die Aufmerksamkeit seiner Frau.

      „Du bist wohl nicht ganz bei Trost, mon cher! Rohes Roastbeef von diesem Inselvolk, ein Gräuel, Bernhard Kluge. Das weißt du genau!“

      Ihre Augen blitzen kämpferisch.

      „Ich wiederhole es hiermit noch einmal deutlich: Es ist für mich ein Gräuel. Ende, Herr Kriminalhauptkommissar.“

      Der so Angesprochene steht lachend auf und geht zu seiner plötzlich zickig blickenden Frau.

      „Ich liebe dich, mein Schatz.“ Er küsst einmal, zweimal und schließlich ein drittes Mal ihre warmen Lippen. Der dritte Kuss dauert noch an, als das Telefon in der Diele leise anschlägt.

      Kluge reagiert nicht, auch nicht beim fünften Läuten . Heute ist Wochenende, verdammt noch mal. Die Kinder können es nicht sein, da mit ihnen ein Anrufsignal vereinbart wurde.

      „Nun geh’ schon, die Kollegen brauchen dich“, sagt sie leise, aber deutlich. Sie kennt das schon.

      „Scheiße“! Dann reißt Kluge den Hörer an sich.

      Sein Ton ist unfreundlich, als die Stimme eines unbekannten Kollegen aus der Nachbarstadt etwas von einem Toten mit aufgeschlitztem Hals berichtet.

      „Und was haben wir in Lüneburg damit zu tun, Herr Kollege?“ Die aufmerksame Elaine, die anfängt, das Frühstücksgeschirr zusammenzuräumen, hört nur die Antworten ihres Mannes. So knapp hatte sie ihn auch schon erlebt.

      „Dann rufen Sie eben meinen Chef an und klären das mit dem. Der soll entscheiden, wer die Ermittlungen übernimmt.“

      Ärgerlich legt Kluge auf. Das ist ein Ergebnis der Polizeireform. Die Arschgeigen da oben haben die Fachkompetenz der Kriminalpolizei zerschlagen – und jetzt fehlen die notwendigen Leute. Seine Frau kommt mit dem Tablett aus der Küche, um den Tisch abzuräumen.

      „Meinst du, dass das so richtig war? Der Anrufer steht doch viel mehr unter Druck als du.“

      Kluge taucht wie aus einer trüben Wolke auf.

      „Ach, so ist es doch immer. Die Leute, die am Wochenende erreichbar sind, erwischt es ständig. Und du weißt doch, mein Herz, was mir ein gemeinsames Wochenende bedeutet.“

      Sein Blick taucht tief in ihre Augen ein.

      „Aber du bist ein Verantwortlicher, Bernhard, und keiner von diesen Weicheiern mit ihrem Acht-Stunden-Schreibtischtag. Und das wissen die, die dich anrufen.“

      Nachdenklich blickt der Grollende seine Frau an. Eine kluge Frau hast du. Im Prinzip hat sie ja Recht … aber nicht immer.

      „Zu Befehl, Madame General“, lacht er. „Wenn also mein Chef anruft, bist du mich für heute los.“

      Es gilt nun, die Einsatztasche zu packen.

      „Schmier’ mir bitte zwei Scheiben Brot mit der guten Landleberwurst. Ich habe das Gefühl, es könnte wieder mal spät werden.“

      Ein Blick auf die antike Dielenuhr. 10.15 Uhr. Sonntag, ade, denkt er abschließend, als er nach oben ins Bad eilt, um sich fertig anzukleiden.

      Einen Tag später, annähernd zur gleichen Zeit, findet der jüngere der beiden WG-Bewohner und Mieter im hohen, alten Stadthauses im Hamburger Stadtteil Stellingen zurück in den nüchternen Alltag. Der Kopf schmerzt und ihm ist speiübel, als er im Garderobenspiegel mit Mühe sein verquollenes Gesicht erkennt. Gaumen und Mund sind wie ausgetrocknet. Nur mit einem Slip bekleidet stolpert er an die großen Fenster und zerrt die einfachen Vorhänge zurück.

      Ungewohnter Sonnenschein blendet ihn. Verdammt, stinkt das hier immer noch nach Nuttendiesel! Frische Luft muss rein. Dann zum Kühlschrank, die Mineralwasserflasche herausziehen und das kalte Getränk in die Kehle laufen lassen. Die Reaktion ist zunächst hilfreich. Entspannt lässt er sich in den alten zerschlissenen Sessel plumpsen. Noch einen langen Schluck. Als sich wenig später die aufgestaute Kohlensäure einen Ausgang sucht, zerstört ein gewaltiger Rülpser die sonntägliche Stille. So laut, dass nebenan aus dem Zimmer seines Kumpels ähnliche Geräusche erkennen lassen, dass auch dieser wieder ins Leben zurückfindet.

      Der Mann, Hans-Frieder, genannt Fred, blickt sich abwesend im Raum um. Mühsam registriert er das Chaos, entstanden durch herumliegende leere Sekt- und Bierflaschen und umgekippte Gläser. Mit leerem Blick betrachtet er das Ganze, bis seine Gedanken langsam ihren Weg finden. Krampfhaft versucht er sich an die vergangene Nacht zu erinnern. Aber die bohrenden Kopfschmerzen lassen das nur eingeschränkt zu. Wie war das bloß noch? Ach ja. Alex und er waren am frühen Abend mit dem Taxi zur Reeperbahn gefahren. Ganz lässig. In seiner Gesäßtasche hatte er reichlich Patte, den verdienten Lohn für eine Nacht außerhalb Hamburgs.

      Damit hatten beide in den Kneipen und Clubs so richtig die Sau raus gelassen. Lange hatte es nicht gedauert, bis sich zwei Schnallen aus dem Club „Ritze“ oder ähnlich, bei ihnen eingehängt haben, um Billigsekt zu teuren Preisen loszuwerden. Zwischendurch heizten sich beide so richtig an den Tanzkünsten der scharfen Tussys auf.

      Alex, der andere Mann, groß geworden in einer stillen Region des Bayerischen Waldes und der so etwas bisher nur aus Pornoillustrierten kannte, war rattenscharf wie ein Terrier. Deshalb war es naheliegend, dass sie sich in den frühen Morgenstunden in ein Taxi pflanzten und dem Fahrer den Auftrag gaben, zwei geile Bräute aufzureißen.

      Er, Fred, hatte dem Driver


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