Süßer die Schellen nie klingen!. Michael Schlinck

Süßer die Schellen nie klingen! - Michael Schlinck


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Früher musste man noch Akten anfordern und sich dann hindurchkämpfen, heute geht so etwas mit ein paar Mausklicks.

      Allerdings ist im polizeiinternen Netz noch nichts zu finden, was ja auch nicht verwunderlich ist, immerhin haben wir noch frühen Morgen und der Kollege wird sich sicher nicht in der Nacht noch an den Schreibkram gemacht haben.

      So wende ich mich eben wieder der Einbruchserie zu. Insgesamt dreihundertachtzigtausend Euro Bargeld haben die drei inzwischen gestohlen. Dazu noch einmal den doppelten Wert an Schmuck und Edelmetall. Zusammen ist das ja schon eine satte Million. Fast täglich haben sie einen Überfall begangen, allerdings ohne erkennbares Muster, sodass wir bisher keine Präventivmaßnahmen ergreifen konnten.

      Was allerdings auffällt, ist, dass die Überfälle vor drei Tagen aufgehört haben. Vielleicht ist es eine Gangsterbande, die nun weitergezogen ist. Oder sie machen einfach einmal ein paar Tage Urlaub. Kann ja schon sehr anstrengend sein, so ein Gangsterleben.

      Dass sie in Rente gegangen sind, kann ich mir kaum vorstellen, denn die Beute, geteilt durch drei, das reicht noch nicht, um sich zur Ruhe zu setzen.

      Ich lasse meine Leute noch einmal genau schauen, ob es nicht doch irgendein Muster gibt, nach dem die Bande vorgeht.

      Ich selbst wähle mal wieder die Nummer von der Karlsruher Pathologie, obwohl ich mir dabei denken kann, dass der Hansi wieder einen blöden Spruch für mich auf den Lippen hat.

      „Kräuterpastillen-Fabrik, Sie sprechen mit dem Hansi“, trällert er mir entgegen und ich verfluche den Tag, an dem die Telefone erfunden wurden, auf deren Display man sehen kann, wer gerade anruft.

      „Mensch Hansi, du alter Kindskopf“, kommentiere ich seine blöde Art sich zu melden, „wirst du je erwachsen?“

      „Ach der Oberkommissar Schlempert von der Neustadter Polizei, was verschafft mir die außerordentliche Ehre Ihres Anrufs?“, fragt er nun und kommt sich dabei auch noch komisch vor. Wahrscheinlich würde ich auch auf solch ein niederes Niveau sinken, wenn ich den ganzen Tag mit einem Haufen Leichen im Keller hocken würde.

      „Ich habe dir gestern doch noch eine Leiche schicken lassen, kannst du mir zu der schon was sagen?“

      „Ne Dieter, gestern kam keine rein, da musst du etwas verwechseln. Die letzte hast du mir vorgestern geschickt und die musste ich auch zuerst einmal zusammenpuzzeln.“

      „Nicht der Mann vom Zug“, kläre ich nun den Hansi auf, „ich meine den, der gestern Abend bei Thaleischweiler-Fröschen von der Brücke gesprungen ist.“

      „Thaleischweiler-Fröschen? Liegt das nicht bei Pirmasens? Das ist doch schon der Hinterwald“, und schon hat er wieder einen seiner Lachanfälle, „da bin ich nicht zuständig. Da musst du in Kaiserslautern nachfragen, die sind da zuständig.“

      Kaiserslautern also. Ich bedanke mich vorerst bei Hansi und suche mir die Nummer der Kaiserslauterer Pathologie heraus.

      Kaum gewählt kommt: „Pathologie Claus“, aus dem Hörer, ohne dass ich weiß, ob nun Claus der Vor- oder der Nachname meines Gesprächspartners ist.

      „Grüß Sie Gott, Herr Claus“, sag ich mal, um die Form zu wahren und weiter komm ich nicht.

      „Ja, Sie sind mir ja ein Spaßvogel“, tönt es nun empört aus der Hörmuschel, „ich habe hier den ganzen Keller voll von denen, die Gott bereits gegrüßt haben und das persönlich.“

      Okay, meine Wortwahl war bei der Begrüßung wohl nicht die passendste, aber nun ist es eben draußen und so bleibt mir nichts anderes übrig, als weiterzusprechen: „Mein Name ist Dieter Schlempert von der Neustadter Polizei. Ich habe gestern die Leiche unter der Brücke gefunden.“

      Wieder unterbricht mich Claus rüde: „Ach Ihnen habe ich den zu verdanken. Ich habe hier das halbe Kühlhaus voll von denen, die dort runtergesprungen sind. Vielen Danke dafür.“

      Nun wird es mir aber zu bunt: „Hören Sie mal, Herr Claus, ich habe den Mann doch nur gefunden und nicht dort hinuntergestoßen. Ich hatte nur das Gefühl, dass irgendetwas nicht gestimmt hat und wollte deshalb mal nachfragen, ob Ihnen bei der Leiche etwas Außergewöhnliches aufgefallen ist.“

      „Na, davon abgesehen, dass fast alle Knochen gebrochen sind und er ein schweres Schädeltrauma hat, war alles normal.“

      Also, wenn die in Kaiserslautern alle so nett miteinander umgehen, bin ich froh, hier in Neustadt zu sein. Da ich nicht das Gefühl habe, mit dem Claus ein vernünftiges Gespräch führen zu können, leg ich nun einfach auf. Dann schicke ich eben ein Mail an den Hansi, soll er sich den Autopsiebericht zumailen lassen, um ihn nach Unregelmäßigkeiten zu durchforsten.

      So, nun gehe ich runter ins Erdgeschoss und hole mir einen schönen Filterkaffee. Hier oben steht nur so eine moderne Pad-Maschine, aus der ich zwar aus zwölf verschiedenen Sorten mein Traumgetränk wählen kann, doch an den Filterkaffee von unten kommt keine der vielen Sorten ran.

      „Ei gugge mo do, de Schlembert“ (Schau mal einer an, der Herr Dienststellenleiter ist ja auch anwesend), grölt mir munter ein mir wohlbekannter Handwerker entgegen. Den kenn ich bereits aus den Zeiten, als ich in Landau noch ein kleines Dreimannteam leitete. Um ganz präzise zu sein, es war ein Team mit zwei Männern und einer Frau. Das tut aber nun nichts zur Sache, auf jeden Fall hat er damals in der Polizeiwache ein solches Chaos angerichtet, dass das ganze Gebäude saniert werden musste. Nun steht er vor mir und möchte Konversation betreiben, was nicht ganz einfach ist, da er nur breitestes Pfälzisch redet und auch keine andere Sprache versteht.

      „Was hoschen du schunn werrer bei uns se du?“ (Und welcher Umstand hat dich zu uns in die Dienststelle getrieben?), will ich wissen.

      „Ah ehr hään doch unserm Lade de uffdrach gäwwe do än Uffzuch eisebaue.“ (In unsrer Firma ging ein Auftrag ein, hier einen Lift zu installieren.)

      „Was Uffziech machen ehr ach, gäbs ach äbbes was ehr nid mache?“ (Selbst Lifte baut eure Firma ein? Gibt es denn eine Tätigkeit, der euer Haus nicht gewachsen ist?), bin ich verblüfft.

      „Nä, nä mer machn alles meglich un ver Umegliches hämmer värzee Daach liwwerzeid“ (Den Möglichkeiten unseres Hauses sind keinerlei Grenzen gesetzt), gib er mir schlagfertig zurück und schüttelt sich vor Lachen. Bei der Gelegenheit fällt mir auf, dass sein Gebiss schon mehrere Lücken aufweist.

      „Um wu widden dänne Uffzuch hiebaue?“ (Und wo ist der passende Ort um so einen Lift zu montieren?)

      „Ah dess eschemo äh guudi Froch. Do hinn gehd äh mol ganix, wäschd, die Degge un die Wänd sinn all drachend“ (Im Innern des Gebäudes sehe ich keine Möglichkeit den Lift einzubauen, da wir ansonsten die statische Struktur des Grundgerüstes zu stark schwächen würden), mimt er nun den Fachmann.

      „Un was mache mehr jezzart?“ (Hättest du mir denn noch eine Alternative anzubieten?), frag ich ein wenig verzweifelt. Es geht eben darum, das Gebäude behindertengerecht zu gestalten, um auch Laura in ihrem Rollstuhl zu ermöglichen, sich im Haus frei zu bewegen.

      „Ah gans ähfach, denne häng ich dehr grad drause an die Fassad, do schderder nid un siet annoch scharf aus.“ (Ich würde eine Außenmontage empfehlen, was dem äußeren Erscheinungsbild des Gebäudes einen unvergleichlichen Touch verleihen würde.)

      „Un wass muss de Schdeierzahler dodefor barabbe?“ (Und welche Kosten würden dann der Landesregierung auferlegt?)

      „Ei jo, so achzich Mille wärd däs Ding schunn koschde, awwer däs brauchschd du jo nid aus deim Säggel se zahle“ (Mit achtzigtausend Euro ist der Lift auch schon bezahlt und es wird auch das schempertische Privatvermögen nicht belasten), und schon schüttelt sich der schmuddelige Kerl wieder vor Lachen.

      „Achzichdausend Knibbel? Ich gläb dehr raasd de Blogger.“ (Liegt da sicher kein Irrtum vor? Dieser Preis kommt mir mehr als leicht erhöht vor.)

      „Do kann ich doch nix devor, des Ding muss jo ach behinnerdegerächd sei.“ (Dass in einem öffentlichen Gebäude nur behindertengerechte Aufzüge erlaubt sind, ist Ihnen schon bekannt?)


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