Süßer die Schellen nie klingen!. Michael Schlinck

Süßer die Schellen nie klingen! - Michael Schlinck


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do huggen die Knebb hald diefer und dann koschd des Ding hald ball des dobbelde.“ (Eine spezielle Bedieneinheit macht einen empfindlichen Preisunterschied.)

      Die Erklärung reicht mir vollkommen. Dass sich hier die Hersteller auf die Kosten von Behinderten die Taschen füllen, ärgert mich ungemein. Nun hole ich endlich meinen Filterkaffe.

      Als ich wieder im Büro bin, kann ich auf meinem Bildschirm das kleine Symbol erkennen, das mich über einen Maileingang informiert.

      Der Absender ist ein Polizeiobermeister Scholl und der Anhang beinhaltet den Polizeibericht von dem gestrigen Brückensturz, samt einem Dutzend Bilder.

      Die Bilder schaue ich mir zuerst an und schon wieder überkommt mich dieses Gefühl, dass da etwas nicht zusammenpasst.

      Nun lese ich aufmerksam den Bericht. Am Fundort ist auch alles so beschrieben, wie ich es auch gestern vorgefunden habe. Interessant allerdings ist, dass der Springer mit dem Fahrrad gekommen wäre. Zumindest war am Absprungort eines abgestellt. Das passt doch auch nicht. Ich meine die A62 ist zwar auf der Brücke nur zweispurig ausgebaut, aber mit dem Fahrrad? Also mit dem Fahrrad, das kann ich mir nicht vorstellen. Vor allem bin ich fünf Minuten zuvor über die Brücke gefahren, da wäre mir doch sicher aufgefallen, wenn einer mit dem Fahrrad herumgekurvt wäre.

      Aber ob das den Kollegen in Pirmasens ausreicht, um den Fall näher zu untersuchen? Ich versuche es einfach. Zum Glück steht die Durchwahl von dem Scholl im Bericht.

      „Ja, Scholl, was gibt es?“, meldet sich der Kollege in der unfreundlichen Art, die ich schon gestern Abend erleben durfte.

      „Die Polizeidienststelle Neustadt an der Weinstraße, hier spricht der Leiter Dieter Schlempert“, melde ich mich provokativ dienstlich, dass der nun auch einmal weiß, wie sich eine Begrüßung bei der Polizei anzuhören hat. Mein Gott, wenn das nur der Heuler erleben dürfte. »Na Schlempert, haben Sie nun auch mal gelernt, sich ordentlich zu melden«, würde dieser jetzt wohl sagen. Aber der ist zum Glück in der Nervenheilanstalt. „Ich hätte da ein paar Fragen zu Ihrem Bericht.“

      „Was passt Ihnen denn jetzt schon wieder nicht?“, motzt der Polizeiobermeister weiter.

      „Das Fahrrad. Ich meine, ich habe ein paar Minuten bevor der Mann geflogen kam die Brücke befahren. Denken Sie nicht, dass mir da ein Radfahrer aufgefallen wäre?“

      „Es hat nun einmal da gestanden, was sollte ich da machen? Hätte ich es auch von der Brücke werfen sollen?“

      „Ermittlungstechnisch untersuchen lassen“, motze ich nun zurück, „verpacken Sie es und geben es an die Spurensicherung weiter.“

      Das sollte jetzt eine klare Ansage gewesen sein. In der Hoffnung, dass er sich auch daran hält, beende ich das Gespräch. Wenn das mit dem Scholl so weitergeht, muss ich mich doch einmal mit dem Pirmasenser Dienststellenleiter in Verbindung setzen.

      Nun gibt es erst einen großen Schluck von dem guten Filterkaffee. Pfui Teufel, der ist natürlich inzwischen kalt.

      „Hey Dieter“, macht mich nun Laura darauf aufmerksam, dass sie inzwischen mit ihrem Rollstuhl vor meinen Schreibtisch gerollt ist, „hast du nun so viel Langeweile, dass du auch noch die Fälle der Konkurrenz lösen willst?“

      „Ach, mach ich das?“, fühle ich mich ertappt. „Aber es kann doch kein Zufall sein, dass sich zwei Farbige innerhalb von zwei Tagen vor meinen Augen umbringen.“

      „Anscheinend kann das doch Zufall sein und nun kümmere dich bitte einmal um unseren Fall.“

      Okay, sie hat ja recht, so grabe ich mich eben wieder in den Aktenberg. Immer wieder der graue Van, die hatten es noch nicht einmal nötig, das Auto zu wechseln. Nur die Kennzeichen waren jedes Mal andere, sofern die Nummern erkannt wurden. Alle gestohlen und alle seitdem nicht mehr aufgetaucht. Über den Hersteller des Vans haben wir auch keine genauen Angaben. Ein Zeuge meinte, dass es wohl ein Mercedes war, ein andrer glaubte einen Renault Espace gesehen zu haben. Der nächste meinte, dass es ein Ford gewesen sein könnte. Auf jeden Fall ein älteres Baujahr, darüber sind sich die Zeugen einig.

      Aktiv war das Trio in Bad Dürkheim, in Weisenheim am Sand, in Landau sogar zweimal und so weiter. Sie haben ihre Opfer gewissenhaft ausgespäht und somit ganz gezielt zugeschlagen. Und zugeschlagen hatte auch immer der Größere, der auch gesprochen hat und dies ohne eine Spur von Rücksicht. Immerhin waren die Überfallenen alle schon jenseits der siebzig. Da sollte man ja schon mit etwas Feingefühl vorgehen, damit da keiner einen Herzinfarkt bekommt.

      In einem Haus gab es sogar eine Videoüberwachung. Diese Aufnahme schaue ich mir noch einmal an, zum gefühlten einhundertsten Mal. Zu sehen sind die drei vermummten Gestalten, eine große und zwei kleine. Der Große haut dem Hausbesitzer eine rein und die beiden Kleinen schleppen den Wäschetrockner aus dem Haus. Nun schauen wir die Überwachungsvideos der Verkehrsüberwachungskameras der infrage kommenden Straßen durch. Aber auch da nichts. Jede Menge Mercedes, Fords und Renaults, aber nichts Auffälliges.

      Das ist nicht meine Stärke, hier im Trüben zu fischen. Geduld ist sicher eine Tugend, aber sicher keine, die ich beherrsche. Ich glaube, dass dies meine Kollegen besser können als ich. Mir selbst würde es nun eher Spaß bereiten, wenn ganz überraschend das Telefon läutete, und welch eine Überraschung, just in diesem Moment läutet tatsächlich mein Telefon.

      Nach einem kurzen Blick aufs Display nehme ich ab und schreie gleich: „Hansi, wenn du nun einen blöden Spruch loslässt, dann lege ich gleich wieder auf!“

      „Dann leg doch auf!“, sagt er beleidigt. „Dann wirst du nie erfahren, was in dem Bericht von dem Claus aus Kaiserslautern steht.“

      „Ist ja schon gut“, versuche ich den Piercingträger mit dem Irokesenschnitt zu besänftigen und beobachte dabei das Teelicht, das der Decoengel auf meinem Schreibtisch in den Händen hält: „Lass mal hören.“

      „Na, so klingt das doch schon besser“, scheint meine Besänftigung Wirkung zu zeigen. Die Flamme des Teelichtes droht langsam abzusterben: „Wenn ich nun noch ein »bitte Hansi« vernehme, dann kann es auch schon losgehen.“

      „Sag mal Hansi, hast du nun komplett ein Rad ab?“, bin ich empört, fest mit dem Blick zum Engel. Das nun winzig kleine Flämmchen hilft mir dabei, ruhig zu bleiben.

      „Nanananana, das hört sich aber nicht so an, als wärst du scharf auf die brandheißen News aus der Pathologie.“

      „Also bitte, liebster Hansi, lass mich an deinem Wissen teilhaben“, springe ich über meinen Schatten und mach mich hier komplett zum Affen. Laura und Timo können zumindest ihr Lachen nicht unterdrücken, weshalb ich ein »Psst« in ihre Richtung schicke. Inzwischen ist das Teelicht beinahe aus, ich sehe nur noch einen blauen Schein um den Docht.

      „Das hast du aber schön gesagt, mein lieber Dieter. Dann lass ich dich an meinem Wissensstand teilhaben und der ist Nichts.“

      „Wie nichts? Was nichts? Wieso nichts?“

      „Na, eben nichts Auffälliges. Es ist alles so, wie es bei einem Mann, der von einer Brücke gestürzt ist, sein soll. Schweres Schädeltrauma und alle möglichen Knochenbrüche. Wie gesagt, nichts Außergewöhnliches.“

      Dafür hab ich nun das Gelächter meiner Kollegen über mich ergehen lassen? Ich behalte fest den Docht meiner Kerze im Blick, damit ich hier nicht ausraste. „Hansi, ich bin mir ganz sicher, dass dort etwas nicht gestimmt hat und der Schlüssel liegt in der Leiche. Schau noch einmal genau nach, bitte!“, flehe ich den Leichenschnippler nun fast an, was Laura und Timo schon wieder ein hämisches Lachen ins Gesicht treibt.

      „Dann sag mir einmal, wo ich wühlen soll? Ich habe die Leiche doch nicht hier, wie soll ich da etwas finden?“

      „Das ist mir scheißegal, lass dir eben etwas einfallen!“, schreie ich viel zu laut und puste dabei die Kerze endgültig aus.

      „Dieter, das geht nicht einfach so. Ich kann doch nicht zum Kollegen fahren und an seinen Leichen herumschnippeln.“

      Von dem Docht meiner Kerze


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