Das große Sutherland-Kompendium. William Garner Sutherland
wir über diesen Bereich nachdenken, führen Sie sich noch etwas anderes vor Augen: Wenn das Os sphenoidale sich in Exhalation so bewegt, dass es die Anguli laterales der Ossa frontalia nach innen zieht, tritt die Sutura metopica nach vorne. Gleichzeitig verengen und verlängern sich die Orbitae. Dies verändert ihre Gestalt ähnlich charakteristisch, wie dies auch bei Kurzsichtigkeit der Fall ist. Die Incisura ethmoidalis ist in diesem Moment verengt, und die Lamina perpendicularis des Os ethmoidale hebt sich zusammen mit der Spina ethmoidalis des Os sphenoidale. Während also alles enger wird, was passiert nun mit den Conchae nasales? Was machen die Bulbi olfactorii? Was geschieht mit all den luftgefüllten Hohlräumen? Wenn Sie sich das alles vor Augen geführt haben, sehen Sie, was Sie Ihren Patienten zeigen können, was diese alles für sich selbst tun können. Sie werden überrascht sein, zu erfahren, wie diese einfachen Techniken Ihren Patienten nützen können.
8. ‚KRUMME ZWEIGE‘: KOMPRESSION DER KONDYLÄREN ANTEILE DES OS OCCIPITALE
Der Ausdruck ‚krumme Zweige‘ basiert auf Dr. Stills Ausspruch ‚das Loch im Baum‘.50 Ich nehme an, dass er mit jenem ‚Loch im Baum‘ das Foramen magnum meint und dass er sich darauf bezieht, dass das Os occipitale bei der Geburt aus vier Anteilen besteht – zwei Partes laterales oder condylares, Pars sqamosa und Procc. basilaris. Diese Teile sind um das Foramen angeordnet und tragen direkt zur Form des ‚Loches‘ bei. Zum Zeitpunkt der Geburt besteht das Os sphenoidale aus drei Teilen – dem Corpus und den beiden Einheiten, die jeweils aus einem Ala major und Proc. pterygoideus bestehen. Das Os temporale besteht bei der Geburt ebenfalls aus drei Teilen: dem Pars petrosa, dem Pars sqamosa und dem tympanischen Ring.
Wenn man darüber nachdenkt, ist der lebendige menschliche Kopf zum Zeitpunkt der Geburt schon eine bemerkenswerte Struktur. In diesem Alter kann man ihn leicht als ein weichschaliges Ei oder einen modifizierten Globus bezeichnen, wohingegen es später im Leben schwieriger ist, ihn sich so vorzustellen. Alle Knochenanteile werden durch die Dura mater, die ‚Mutter Dura‘, zusammengehalten, die wie eine Membrana interossea funktioniert. So hält der Kopf des Neugeborenen zusammen und passt sich gleichzeitig an, um eine sichere Passage durch den Geburtskanal möglich zu machen. Denken Sie darüber nach!
Das Gelenk zwischen den Kondylen des Os occipitale und den Facetten des Atlas ist das einzige Gelenk, das bereits bei der Geburt voll ausgebildet ist. Sonst gibt es keine Gelenkflächen, da es zum Zeitpunkt der Geburt noch keine Gelenke mit ‚Führungen‘ gibt.
In der Tat wachsen die unterschiedlichen Teile der einzelnen Knochen der Schädelbasis, bis die einzelnen Knochen verknöchert und ihre Teile miteinander verschmolzen sind. Als Teil des Wachstumsvorganges treffen die verschiedenen Knochen aufeinander, und so beginnen sich zwischen ihnen allmählich Gelenke und Gelenkflächen zu entwickeln. Gelenkführungen für die gelenkige Bewegung zwischen den Knochen des menschlichen Schädels, an den Suturen, werden um das siebte bis neunte Lebensjahr oder sogar noch später gebildet.
Diese Tatsachen erfordern eine Analyse der vorherrschenden Bedingungen im Skelettsystem und insbesondere im Kopfbereich während des Säuglingsalters und der frühen Kindheit. Der von der Dura mater geführte Mechanismus ähnelt dem Bild zweier Telefonmasten mit einem von Mast zu Mast gespannten Kabel. Bei einem Schneesturm werden die Kabel vom Schnee so beladen, dass die Masten aus der Senkrechte geneigt werden, aber miteinander verbunden bleiben, sodass sie im gleichen Winkel schief stehen.
Ich möchte, dass Sie dieses Bild auf den Kopf des Kleinkindes übertragen, wenn äußere Kräfte seine Gestalt beeinflussen. Denken Sie an irgendein Trauma, entweder aufgrund der Anpassung an den Geburtskanal oder aufgrund späterer Stürze. Stellen Sie sich einen Zug an der ‚Mutter Dura‘ vor, der die Knochen aus ihrer normalen Stellung und ihren normalen Beziehungen herauszieht. Man muss die Membranen benutzen, um diese kleinen Knochen wieder in ihre normale Position zu bringen. Die Membranen werden bei der Wiederherstellung der normalen Stellung wie die Kabel zwischen den Masten funktionieren.
Sogar nach einer normalen Geburt finden wir eine Situation vor, die beachtenswert ist. Der Kopf des Kindes hat sich während der Geburt an den Geburtskanal mechanisch angepasst. Wenn das Neugeborene schreit und unter Mithilfe des atmosphärischen Drucks einatmet, ist der Schrei normalerweise kräftig, ein besonderer Schrei, mit oder ohne Klaps auf das Sakrum. Dieser Vorgang bringt die Zerebrospinale Flüssigkeit in Bewegung. Im Anschluss daran machen sich die Membranen an die Arbeit und ziehen die Knochen in Position.
Die Merkmale der okzipitoatlantalen Gelenke sind bei diesem Vorgang wichtig. Die Facetten des Atlas sind konkav. Sie konvergieren anterior und divergieren nach hinten. Sie konvergieren ebenfalls inferior und divergieren superior. Das Lig. transversum des Atlas hält sie in dieser Position. Die kleinen Kondylen auf der unteren Oberfläche der kondylären Teile des Os occipitale sind konvex und passen in die Facetten des Atlas. Die Kondylen laufen ihrerseits anterior zusammen und posterior auseinander, inferior zusammen und superior auseinander. Denken Sie daran, dass die Gelenke zwischen den Kondylen des Os occipitale und den Facetten des Atlas in diesem Lebensabschnitt die einzigen am Kopf bestehenden Gelenke sind.
Oberflächlich betrachtet ähneln jene Gelenke bikondylären Gelenken, die zwei Gelenkaktivitäten haben, sich jedoch funktionell als Einheit verhalten. Die atlantookzipitalen Gelenke etwa sind paarig angelegt. Man betrachtet sie aber besser als ein einzelnes Eigelenk mit einem großen zentralen Defizit an seinen Gelenkflächen.51
Die konkaven Facetten des Atlas nehmen die Kondylen des Os occipitale auf. Die Gelenke reichen auf beiden Seiten vom vorderen Ende der kondylären Anteile bis zum Proc. basilaris des Os occipitale.
Die Squama occipitalis grenzt an die hinteren Enden der Partes condylares. Die okzipitoatlantalen Gelenke sind bandgestützte Gelenkmechanismen.
[Anm. d. am. Hrsg.:] Die folgenden Informationen wurden während des Kurses von Howard A. Lippincott D.O.52 präsentiert. Dr. Sutherland beschrieb diese Lektion so: Sie liefert Informationen, die für das Verständnis einiger Probleme notwendig sind, welche in diesem Mechanismus unter verschiedenen Umständen vorkommen.“
Dieses Zusammentreffen der vorderen Enden der Kondylen und des hinteren Endes des Proc. basilaris ist keine transversale Gelenkverbindung. Die Gelenkfläche auf dem Proc. basilaris orientiert sich nach lateral; diejenige des Pars condylaris zeigt nach medial.
In vielen Fällen befindet sich die Verbindungsstelle beinahe auf der Sagittalebene. Der Pars basilaris ist zum Zeitpunkt der Geburt ziemlich gut ausgebildet: Er ist bereits verknöchert, aber zwischen den drei Teilen befindet sich Knorpel. Wenn die Partes laterales zusammenkommen, zusammengedrückt aufgrund der Konvergenz der Facetten des Atlas, beginnen sich die Kondylen gegen den zwischen dem Proc. basilaris und den Partes condylares liegenden Knorpel hineinzudrücken. Sie neigen dazu, aufeinander zuzugleiten. Da das Lig. transversum den Facetten des Atlas nicht erlaubt, nachzugeben, ist ein bestimmter Grad von Kompression die Folge.
Asymmetrien des Foramen magnum erscheinen häufig als Verengung des vorderen Anteils. Manchmal ist die Verformung nur minimal; in anderen Fällen zeigen seine Umrisse jedoch Variationen mit beträchtlichen Asymmetrien. Diese werden direkt durch die Position beeinflusst, in welcher sich der Proc. basilaris befand, während er komprimiert wurde. Selten gibt es in diesem Bereich Fälle von Entwicklungsanomalien. Abgesehen davon gibt es kaum etwas, was eine Divergenz der Kondylen verursachen kann, wenn sie in die Konvergenz des Atlas hineingedrückt wurden.
Eine Kompression oder ein Abknicken kann auch am posterioren Ende der kondylären Teile, also an der condylosquamalen Verbindung auftreten. Die Squama occipitalis ist kreisförmig, mit dem Inion als Zentrum. Der zentrale Orientierungspunkt am hinteren Rand des Foramen magnum befindet sich am Ende eines Radius vom Inion. Er wird als Ophisthion bezeichnet. Die Squama kann sich im oder gegen den Uhrzeigersinn um das Inion herum drehen. Diese Bewegung positioniert das Ophisthion nach rechts oder nach links. Diese Information sollte Teil einer strukturellen Untersuchung sein.
Abhängig davon, wie sich das Squama gedreht hat, kann man den Druck auf das hintere Ende der Partes condylares analysieren. Es besteht ein anterior-posteriorer Druck auf einer und ein mediolateraler