Das Ehepaar und ANDERE Geschichten. Annerose Scheidig

Das Ehepaar und ANDERE Geschichten - Annerose Scheidig


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das Haus und hinter das Haus. Nichts!

      Erschöpft legte er sich auf das Sofa und grübelte, grübelte und grübelte, bis er völlig erschöpft eingeschlafen war.

      Am nächsten Morgen erwachte er erschrocken, sammelte sich kurz und durchsuchte, ohne Kaffee, ohne Frühstücksei, noch einmal Haus und Garten. Dann begann er endlich zu telefonieren; doch niemand wusste wo Elfriede war.

      Karlfried holte sein Auto aus der Garage und fuhr sämtliche Strecken ab, überall dort, wo er Elfriede vermuten konnte. Nichts, sie blieb verschwunden.

      Auch die Polizei konnte ihm nicht helfen. Elfriede war weder krank noch suizidgefährdet, sie war einfach nur weg!

      „Sie kommt bestimmt bald wieder. Vielleicht braucht sie nur eine kleine Auszeit? So was passiert öfter mal“, trösteten ihn die Beamten.

      Für eine Suchmeldung sei es allerdings noch zu früh! Also fuhr Karlfried betrübt nach Hause.

      Als er dort ankam sah er Elfriede im Vorgarten; ihre Blumen blühten wunderbar! Er sah Elfriede in den Fensterscheiben, die ihn saubergeputzt entgegen glänzten. Als er zur Haustür einging, roch er Elfriede in der frischen Raumluft, die ihn sogleich umfing. Er blieb einen Moment stehen und genoss unsicher diesen herrlichen Duft.

      „Elfriede, bist du da?“, rief er schwach zwischen wissen und hoffen in den Raum hinein. Keine Antwort.

      Betrübt strich er sanft über die Türrahmen, über die Möbel, über die Fensterbänke; er ging in jedes Zimmer. Überall sah, roch und hörte er Elfriede. Aber Elfriede war nicht da.

      Von Sehnsucht erfüllt nahm er vorsichtig ihre Handarbeiten aus dem Korb, der neben dem Sofa stand. Geschickt hielt er das Nadelspiel in seinen groben Händen. Es sollten Socken für ihn werden.

      Oh wie er es hasste, wenn sie strickte. Jetzt würde er ihr liebend gerne beim Stricken zusehen, würde sie bitten, wenigstens eine Runde nur für ihn zu stricken. Aber Elfriede war nicht da.

      Er roch an ihrem Strickwerk und er roch ihre Handcreme. Dann drücke er das weiche fertige Teil an seine Wangen, mal links, mal rechts.

      „Ob sie mich doch verlassen hat?“, fragte er sich leise. Schnell verwarf er diesen absurden Gedanken.

      „Nein! Elfriede würde mich niemals verlassen. Ich war immer gut zu ihr und sie liebt mich!“

      Doch Elfriede kam nicht heim.

      War er wirklich immer gut zu ihr gewesen?

      Er schämte sich erneut, denn er erkannte plötzlich, dass er Elfriede schon lange nicht mehr gesehen hatte - nicht wirklich gesehen hatte. Tagaus, tagein kam er von der Arbeit nach Hause und sein Essen stand immer fix und fertig auf dem Esszimmertisch, lecker und frisch gekocht - kein Dosenzeug.

      Auch seine Wäsche war stets frisch und sorgfältig zurechtgelegt, wenn er nach der Arbeit schnell unter die Dusche sprang. Er musste sich nie etwas zusammensuchen oder gar einen Knopf annähen.

      Selbst die Tageszeitung lag für ihn ungelesen, so erschien es ihm jedenfalls, in Griffnähe. In der Morgenfrühe schaffte er es nicht einmal sie nur kurz durchzublättern. Darum las er sie erst nach Feierabend und das recht gründlich.

      „Ob sie mir zuliebe die Zeitung auch erst am Abend liest, wenn ich fernsehe oder mal kurz nach Heinz auf ein Schnäpschen gehe?“

      Er kratzte sich an die Stirn: „Hm, was macht Elfriede überhaupt abends, wenn sie nicht strickt?“

      Er erschrak erneut, denn er wusste es nicht! Hin und wieder ging sie zu ihren Freundinnen, oder in den Garten, oder gleich ins Bett, das bekam er so gerade noch mit. Aber war das alles, was sie am Abend tat?

      Warum sah sie nie mit ihm fern?

      Alles hatte sich im Laufe der Jahre eingespielt und festgefahren. Und sie waren dennoch zufrieden.

      Falsch! Er war zufrieden und Elfriede war weg!

      Nun begann er erneut das ganze Haus von innen zu streicheln.

      In allem fand er sie, nur sie fand er nicht.

      Die Zeit verstrich. Aus Tage wurden Wochen und aus Wochen Monate. Karlfried versuchte immer wieder vergeblich, in Gesprächen mit der Familie oder ihren Freundinnen, Elfriede zu finden.

      Seine Trauer ließ ihn blass aussehen und er magerte ab. Er mochte nicht mehr essen, denn ohne Elfriede schmeckte ihm nichts mehr. Alles war fad und stumpf; selbst der Himmel blieb bei hellem Tageslicht dunkel.

      Bald sah er auch Elfriedes Blumen nicht mehr. Alles um ihn herum wurde grau, blieb grau, und grau wurden seine Haare. Die Sonne hörte endgültig auf zu scheinen; er siechte dahin.

      Ohne Elfriede war alles leer. Und er, der bedauernswerte, der verlassene Gehörnte, so fühlte er sich jetzt, war dem Tode nahe. So nah, dass er fortan täglich starb.

      Da plötzlich – ein schriller Ton! Karlfried schoss in die Höhe. Was war das? Kam die Polizei, um ihm zu melden, dass Elfriede in die Ruhr gegangen sei und jetzt gefunden wurde - ertrunken - tot?

      Karlfried sprang auf, lauschte in das Dunkel des Raumes hinein, sein Herz schlug wild . . .

      Das Fernsehbild flackerte - er war eingeschlafen! Und wie gewohnt stand er auf, schaltete den Fernseher aus, ging ins Bad, dann ins Schlafzimmer.

      Drei kleine LED-Lämpchen leuchteten ihm den Weg zu seiner Bettseite.

      Elfriede schlief tief und fest, während er sich hinlegte und seinen Albtraum vergaß.

       Zerkratzte Wolken

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       verspricht heile Welt

      Wer war Ilona Rose

      Frau Ilona Rose war eine rothaarige, hübsch aussehende Frau im mittleren Alter. Anna vermutete, in ihr eine interessante Persönlichkeit zu finden, und meinte, es müsse sich lohnen, mehr über diese Frau zu erfahren. Sie begann Frau Ilona Rose, die ehelos lebte, drei Kinder hatte und hin und wieder Herrenbesuch bekam, zu beobachten.

      Annas Mutter lebte auch mit vier Kindern alleine und zu ihr kam auch hin und wieder ein Mann zu Besuch. Zu ihm sollte Anna „Onkel“ sagen. Aber das war etwas anderes, denn diesen Mann kannte Anna und er gehörte irgendwie zur Mutter.

      Frau Ilona Rose und Annas Mutter plauderten oft stundenlang im Treppenhaus. Das hörte sich zuweilen an, als ständen mehrere Frauen zusammen, so eilig gingen Worte und Gelächter hin und her. Frau Ilona Rose sprach schrill und schnell, Annas Mutter sanft und gedämpft; und sie tuschelten oft, so, als gäbe es etwas zu verheimlichen.

      Dabei fiel Anna auf, dass ihre Mutter im Gesicht viel jünger aussah, obwohl sie die Ältere von beiden war. Doch was die Kleidung betraf, da sah Frau Ilona Rose jünger aus, und das erschien Anna recht sonderbar.

      Die beiden Frauen lachten viel und zankten sich manchmal. Waren sie zerstritten, dann hörte Anna komische Worte wie: „Die Hure da oben . . .“

      Das verstand Anna nicht und sie wollte herausfinden, was eine Hure war. Also saß sie bald öfter und länger am Fenster und beobachtete Frau Ilona Rose und ihre Kinder noch genauer.

      Sie erkannte bald: Die vier dort oben schienen recht sonderbar zu sein!

      Dagmar war schüchtern und konnte niemandem in die Augen sehen. Sie war rundlich, wirkte langweilig, hatte dunkle Haare und traurige braune Augen. Elke war hibbelig, dünn, rothaarig, mit trotzigen grünen Augen. Und Michael, der Jüngste, war blondgelockt mit träumerischen blauen Augen. Ein niedliches Kerlchen, das aber furchtbar stotterte. Er sei vom Wickeltisch gefallen, hieß es.

      Im Gegensatz zur Mutter, wirkten alle drei vernachlässigt, äußerlich wie auch innerlich.

      Oft wurde es oben in der Wohnung laut, und


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