Das Ehepaar und ANDERE Geschichten. Annerose Scheidig

Das Ehepaar und ANDERE Geschichten - Annerose Scheidig


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      Doch dann, als ich genauer hinsah, die Tante hob erneut den Stock und meinte noch aufgeregter als zuvor, „Doch, doch, die schlagen sich!“, fand ich das gar nicht mehr so albern. Denn einer von beiden ging zu Boden.

      Da stand ich nun, fühlte mich total in die Enge getrieben, meine Gedanken flogen blitzschnell, überschlugen sich gewaltig. Schließlich mussten wir dort vorbei und ich hatte die hinfällige Tante im Arm und und und …!

      Ich sah kurz zur Seite, zu meinem Mann, der gar nicht mehr an unserer Seite ging. Wo war er geblieben? Hatte er möglicherweise etwas im Auto vergessen und ging noch einmal zurück? Waren wir jetzt alleine? In dieser Situation, alleine?

      Besorgt sah ich weiter nach hinten, noch weiter, und entdeckte ihn endlich. Auch er hatte die Situation erkannt, wie ich erstaunt feststellte, denn er hielt sich in Sprungbereitschaft auf Seitenlinie der beiden Kämpfer. Ich atmete auf.

      Langsam kamen die Tante und ich den Kämpfern näher. Ein junger Türke, uns gegenüber, kam ebenfalls näher und in geduckter Haltung, sprungbereit wie mein Mann. Er und ich nahmen kurz Blickkontakt auf.

      Die Tante hob erneut den Stock und rief: „Schluss jetzt, hört ihr wohl auf zu kloppen!“ Sie war im Begriff mit ihrem Stock dazwischen zu schlagen.

      Der nette Türke und ich erkannten rasch, dass wir den gleichen Gedanken hatten: Wir gehen nicht vorbei ohne einzugreifen!

      Inzwischen waren wir gefährlich nahe herangekommen. Die Tante hob immer wieder den Stock, fuchtelte damit in der Luft herum und schrie schweratmend mit hoher Stimme: „Schluss jetzt, aufhören!“ Sie war nicht mehr zu bremsen, alle Bemühungen waren vergebens.

      Also mischte ich mich auch ein und rief dazwischen: „Aufhören, aufhören! Wollt ihr euch das Leben ruinieren? Was soll das? Nun hört schon endlich auf!“

      Sie beachteten uns nicht.

      Flink packte der nette Türke den einen Mann an die Jacke und zog ihn dem anderen aus dem Schwitzkasten. Mein Mann half ihm dabei. Ich hob schnell, zwischen den vielen Beinen, eine Brille auf, die auf den Boden gefallen war und beinahe zertreten wurde. Dabei sah ich den Angreifer, vermutlich ein Afrikaner, direkt in die Augen und wies ihn zurecht: „Was soll der Blödsinn? Das bringt doch nichts!“

      Der Schwarze machte kommentarlos einen Rückzieher, während der andere, an der Hand des Türken hängend, um sich schlug und tobte: „Lass los, lass mich los! Ich muss den totmachen!“

      Jetzt wurde ich sauer! „Was soll der Quatsch? Willst du den Rest deines Lebens im Knast verbringen? Totmachen? Warum denn?“

      „Der hat mich angegriffen. Der kam und ging mir sofort an den Hals!“

      „Sollte vielleicht eine freundschaftliche Geste sein?“, meinte ich erstaunt und reichte ihm seine Brille.

      „Nein, nein, der hat mich angegriffen! Das, das kann ich doch nicht zulassen. Da, da muss ich mich doch wehren!“, stotterte er schon etwas ruhiger, ohne uns anzusehen.

      „Ja sicher, aber doch nicht so: Muss ich totmachen!“, äffte ich ihm nach.

      Er riss sich aus der gelockerten Hand des Türken frei und ging, ohne uns weiter zu beachten, in die Stadtverwaltung.

      Der nette Türke erklärte uns, dass er die beiden schon öfter gesehen hätte. Sie säßen immer in den Anlagen am Krankenhaus und würden dort trinken, sich später gegenseitig anpöbeln. Jetzt hätten sie sich zufällig hier alleine getroffen! Sonst wären sie immer mit mehreren zusammen.

      So ungefähr hatte ich ihn verstanden. Seine Deutschkenntnisse waren leider nicht so gut. Ich bedankte mich für seine Hilfe, er winkte ab. Es schien für ihn selbstverständlich gewesen zu sein.

      Als wir im Flur der Verwaltung noch etwas warten mussten, kam dieser junge Mann aus einem der Zimmer heraus und ich konnte ihm richtig ins Gesicht sehen. Er erinnerte mich an meinen Neffen, der auch so ein Hitzkopf war, wenn er angegriffen wurde.

      Wir sprachen noch einmal kurz miteinander und auch er bedankte sich bei uns. Er war sichtlich froh, dass nicht mehr passiert war; seine Brille nicht zu Bruch ging, was für ihn ein erheblicher Verlust gewesen wäre.

      Ich riet ihm noch, er solle in Zukunft die Fäuste in den Taschen lassen, wenn er wütend wird, und vor allem nie wieder sagen, „Muss ich totmachen!“, nicht einmal denken! Das könnte ganz böse ins Auge gehen und er säße nachher, für etwas, was er gar nicht getan oder gewollt hat, im Knast.

      „Aber ich muss mich doch verteidigen“, meinte er uneinsichtig.

      „Ja natürlich, aber nicht mit solchen Sprüchen. Daraus entstehen Missverständnisse!“ Ich sah ihm dabei wiederholt direkt ins Gesicht. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, er nahm sich von dem Gesagten etwas an. Danach zog er, scheinbar innerlich zufrieden, ab.

      Tante Gertrud hob erneut ihren Stock und rief ihm hinterher: „Musste nicht mehr tun Junge, so rumkloppen. Dat is nicht schön sowat. Nee, nee, dat iss nicht schön!“

      Ich musste immer wieder über die Tante lächeln. Irgendwie war das ganz niedlich, wie sie so mit dem Stock fuchtelte, wie sie sprach und beim „Nee, nee“ mit dem Kopf schüttelte. Und ich freute mich verhalten, dass ihr Herz, das alles ausgehalten hat und hoffentlich noch aushalten wird. Schließlich hatten wir noch den Rückweg vor uns.

      Sie können mir glauben, am späten Nachmittag hatte ich immer noch dieses unerklärliche und sonderbare Gefühl im Körper, dieser Schreck und diese Panik: Was tun, und hoffentlich das Richtige!

      Und sonderbarerweise waren es gleich vier verschiedene Nationalitäten die da zufällig und unfreiwillig aufeinandertrafen. Dazu kam, dass alle, wirklich alle, dieselbe Sprache sprachen – die Sprache über den Blickkontakt.

      Allerdings wurde mir an diesem Tag etwas ganz besonders klar: Uns allen standen gleich mehrere Schutzengel zur Verfügung.

      Und jetzt, so im Nachhinein, frage ich mich schmunzelnd immer wieder: „Ob diese Engel auch vier verschiedene Nationalitäten hatten?“

       Eisige Kälte

       weht mir von dir entgegen

       ich schließe mein Fenster

      Theater, Theater . . . wirklich nur Theater?

      „Hallo Margarete, ich habe ein Problem. Bei unserer Märchenaufführung brauche ich dich als Ersatzperson. Könntest du einspringen?“

      Eine leicht nervöse und mir gut bekannte Stimme drang aus dem Handy in mein Ohr. Verblüfft hörte ich ihr aufmerksam zu. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet.

      Die Termine zur Aufführung standen fest und die hierzu benötigten Proben waren auch schon gelaufen.

      „Wie kommt’s. Was ist passiert?“

      „Lena ist ausgefallen! Sie muss auf Geschäftsreise, dringend und nicht zu ändern!“

      „Verstehe! Und wie soll ich so schnell den Text ohne Probe hinbekommen? Wie viel muss ich überhaupt lernen? Das schaffe ich nie, ich habe im Moment auch wenig Zeit“, meine jetzt auch nervöse Antwort.

      Ich saß gerade selbst in einer Besprechung. Meine Gedanken kreisten um Verbesserungen des täglichen Arbeitsablaufes innerhalb der Unternehmung, bei der ich zurzeit beschäftigt war.

      „Es sind höchstens drei kurze Sätze. Die hast du schnell drauf!“, hörte ich am anderen Ende, die jetzt leicht bestimmte Mutmachung.

      „Wann soll ich denn einspringen?“

      „Beim zweiten und vierten Auftritt. Also am elften und sechzehnten, kommenden Mittwoch und den darauffolgenden Montag. Hast du an den beiden Tagen Zeit?“

      Jetzt konnte ich etwas Sorge aus der Frage heraushören, welche mich zu einem intuitiven


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