Die Nadel des Todes. Joachim Bräunig
schließlich hast du mir vor noch nicht langer Zeit gesagt, dass du mich liebst.“
„Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt habe ich dich auch geliebt.“
„Dieser Zeitpunkt ist jetzt vorbei oder wie soll ich deine Worte verstehen?“
„Ja.“
„Was habe ich falsch gemacht?“, fragte Elvira.
„Du hast nichts falsch gemacht, meine Liebe ist einfach verflogen.“
„So einfach ist das bei dir. Wie lange geht dein Verhältnis mit der Schülerin bereits. Ich denke sie ist der Anlass für deinen Sinneswandel mir gegenüber.“
„Seit wann hast du Kenntnis von dieser Liaison?“, erkundigte sich Hans.
„Das wird dich nicht echt interessieren, du hast nur Angst, dass andere davon erfahren.“
„Du hast Recht, aber es ist nichts Ernsthaftes.“
„Du spielst demnach mit dem Mädchen, so wie du mit mir nur gespielt hast.“
„Nenne es, wie du willst, für mich ist das Gespräch beendet“, wollte Hans die Aussprache beenden.
„So einfach kommst du mir nicht davon, schließlich bekommen wir ein gemeinsames Kind“, sagte Elvira Kunze mit entschlossener Stimme und bestimmten Blick.
„Du bekommst ein Kind, nicht ich.“
„Was soll das heißen, willst du dich nicht zu dem Kind bekennen?“
„Endlich hast du mich verstanden. Das Kind ist deine Angelegenheit, nicht meine. Ich schlage vor, du lässt es abtreiben oder schiebst es deinem Mann unter, das dürfte dir nicht schwerfallen“, schmunzelte Hans Lohse und sah seine ehemalige Geliebte mit einem heuchlerischen Lächeln an.
„Ich kann es nicht fassen, was du sagst, wie konnte ich mich nur dermaßen in dir täuschen. Ich hatte auf eine gemeinsame Zukunft mit dir gehofft und jetzt lässt du mich fallen, als hätte es unsere zärtlichen Stunden nie gegeben.“ Die hübsche Elvira war den Tränen nahe.
„Hast du jemand von meinem gestrigen Treffen mit Nicole erzählt?“, fragte Hans.
„Du hast Angst, dass dein Verhältnis aufgedeckt wird. Du weißt, dass du von der Schule fliegst, wenn die Behörde davon erfährt. Ich würde dafür sorgen, dass du keinen Fuß mehr in ein Schulgebäude setzt, zumindest als Lehrer nicht.“
„Ich hoffe, du wirst nichts weiter erzählen. Ich kann dich noch immer gut leiden“, versuchte Hans die Situation mit Schmeicheln zu retten.
„Das ist von deinem weiteren Verhalten abhängig“, versuchte Elvira ihren ehemaligen Geliebten wieder für sich zu gewinnen.
„Ich lasse mich auf keinen Fall von dir erpressen.“
„Ich frage dich noch einmal, wie du zu unserem Kind stehst.“
„Daran hat sich nichts geändert, das Kind ist nicht von mir“, beharrte Hans.
„Ich kann einen Vaterschaftstest beantragen.“
„Wenn du dich unbedingt blamieren willst.“
„Warum sollte ich mich blamieren?“, fragte Elvira verdutzt.
„Wenn du einen solchen Test beantragst, werde ich allen erzählen, dass du mich verführt hast und ich an dem ganzen Geschehen unschuldig bin“, lächelte Hans.
„Das würdest du tun?“
„Worauf du dich verlassen kannst. Ich rate dir, wie ich schon sagte, das Kind deinem Mann unterzujubeln. Wie ich ihn einschätze, wird er sich über das Kind freuen und mit dir glücklich werden.“
„Du bist ein Schuft“, sprach Elvira und konnte die Worte von Hans nicht begreifen.
„Zwischen uns ist alles gesagt und ich gebe dir den gutgemeinten Rat, dich nicht mit mir anzulegen, du weißt der Arm meines Vaters ist sehr weit reichend“, drohte nun Hans.
Hans Lohse schaute Elvira nochmals mit wütendem Blick an, stieg in seinen gelben Porsche und raste davon. Elvira stand wütend auf dem Parkplatz und wirkte sehr einsam und verlassen. Sie hatte das Gespräch noch nicht restlos verarbeitet und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sie wollte zurück zur Schule gehen, als sie von einem Kollegen angesprochen wurde. „Hattest du Ärger mit dem Kotzbrocken?“, wurde sie gefragt. Hinter ihr stand Peter Nicolai, ebenfalls Lehrer an der Schule. Er unterrichtete Mathematik und Physik und war an der Schule nicht besonders gut angesehen, aber für seine unbestechliche Haltung bekannt.
„Wie kommst du darauf?“, fragte Elvira überrascht.
„Eure Unterhaltung schien nicht sehr freundlich.“
„Du kennst Hans, er kann sehr verletzend sein.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, wieso er dich verletzen kann. Hat es etwas mit unserer Arbeit an der Schule zu tun?“, fragte Peter Nicolai gespannt.
„Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen“, antwortete Elvira.
„Du weißt, dass du mit mir über alles sprechen kannst. Ich bin immer für dich da und werde dich immer unterstützen, gleichgültig, welche Probleme du hast.“
„Ich habe keine Probleme.“
„Dann kannst du mir auch sagen, worüber du mit Hans gestritten hast“, beharrte Peter weiter, der schon immer eine Schwäche für Elvira hatte.
„Lass uns in die Schule gehen, der Unterricht wird gleich beginnen“, wollte Elvira das für sie unangenehme Gespräch beenden.
„Ich hoffe, du steckst nicht in Schwierigkeiten.“
„Wenn ich Schwierigkeiten hätte, müsste ich allein damit klarkommen.“
„Für solche Fälle gibt es gute Freunde und ich bin dein Freund.“
„Ich weiß, dass du mir jederzeit helfen würdest, aber es gibt Angelegenheiten die muss jeder für sich selbst klären“, sprach Elvira.
„Hast du Probleme mit deinem Mann. Du weißt ich bin kein Fan von ihm.“
„Ich habe keine Eheprobleme und mir ist bekannt, dass du meinem Mann nicht positiv gegenüber stehst. Warum eigentlich, Peter?“, fragte Elvira nun leicht erzürnt.
„Ich halte ihn für hochnäsig und habe den Eindruck, er bildet sich ein, etwas Besseres als eine Lehrerin verdient zu haben“, gestand Peter.
„Wie kommst du zu solch einer Meinung?“, fragte die immer wütender werdende Elvira.
„Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein. Zu unseren Zusammenkünften erweckt er einen überheblichen Eindruck und ist nicht zu offenen Gesprächen bereit. Er spricht selten mit uns und bewacht dich wie sein Eigentum, wenn du mit jemanden tanzt, lässt er dich nicht aus den Augen.“
„Das ist ein Zeichen, dass er mich liebt.“
„Lass uns zu einem anderen Zeitpunkt weiterreden. Ich bin mir sicher, dass du ein Problem hast und ich dir meine Hilfe nur anbieten und dir meine Verschwiegenheit garantieren kann“, sagte Peter Nicolai mit einem Lächeln und nahm Elvira am Arm und führte sie Richtung Schule. Die verstörte Elvira ließ es geschehen und in diesem Augenblick war sich Peter Nicolai sicher, dass sie ein Verhältnis mit Hans Lohse hat oder gehabt hatte.
3
In der Gaststätte „Rondell“, welche sich direkt am Strand von Tossens befand, war zur späten Nachmittagsstunde wenig Betrieb und der Inhaber hatte sich an einen Tisch auf der Terrasse vor der Gaststätte gesetzt. Der stets gut gelaunte und immer freundliche Inhaber der Gaststätte liebte es, sich mit seinen Gästen zu unterhalten und damit eine positive Atmosphäre zu schaffen. Viele der Gäste waren direkt am Strand und damit in Gaststättennähe campierende Urlauber. Der Campingplatz war riesig und zu neunzig Prozent mit Wohnwagen belegt. Die Atmosphäre