Die Nadel des Todes. Joachim Bräunig

Die Nadel des Todes - Joachim Bräunig


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antwortete Mike.

      Mike Lichte war von großer, stattlicher Figur. Im Rahmen seiner Tätigkeit war er für die Aufrechterhaltung der Lehreinrichtung betreffs ihrer Ausstattung und der baulichen Gegebenheiten, was die Elektrik und die Sanitäreinrichtungen betrifft, verantwortlich, hatte jedoch keinen Abschluss als Elektromeister. Er hatte eine gute fachliche Ausbildung was die Elektronik betrifft und die Erledigung der anderen anfallenden Arbeiten hatte er sich im Laufe der Zeit angeeignet. Er war in der Schule sehr beliebt, sowohl bei dem Lehrpersonal als auch bei den Schülern, was im Wesentlichen auf seine ruhige und besonnene Art zurückzuführen war. Er wirkte niemals aufdringlich und war dennoch immer freundlich und den Problemen gegenüber offen, was dazu führte, dass viele Lehrer beziehungsweise Schüler ihn oft nach seiner Meinung fragten. Bei solchen Gesprächen hielt er sich mit festen Meinungen stets zurück und äußerte nur seine persönliche Meinung, ohne dem Gesprächspartner direkte, sogenannte gute Ratschläge zu erteilen. Er vertrat immer die Auffassung, dass jeder seine eigenen Erfahrungen sammeln muss und danach die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen sollte. Mike Lichte wollte niemals als guter Ratgeber für persönliche Probleme verstanden werden, da er seiner Meinung nach selbst einige Fehler in seinem privaten wie beruflichen Leben gemacht hatte. Er hatte eine gute Ehe geführt und war seiner Frau stets treu geblieben, obwohl er beim weiblichen Geschlecht immer gern gesehen war und es von einigen Frauen mehr oder weniger deutliche Hinweise für ein näheres Kennenlernen gegeben hat. Seine Ehefrau war vor zwei Jahren an den Folgen eines Verkehrsunfalles, an dem sie selbst keine Schuld hatte, verstorben, obwohl die Ärzte mehrere Tage um ihr Leben gekämpft hatten. Die folgende Zeit war für ihn sehr schwer gewesen, da er ziemlich allein blieb. Ihre Kinder waren bereits vor einigen Jahren aus dem Elternhaus ausgezogen und hatten sich mit ihren Männern in der Nähe von Hamburg eine eigene Existenz aufgebaut. Das Verhältnis zu seinen Kindern war gut, aber die Entfernung und das beruflichen Leben, indem seine Kinder eingebunden waren, ermöglichte leider zum Bedauern beider Seiten nur ein seltenes Treffen, sodass er viel Zeit allein zu Hause auf dem Grundstück verbrachte. Das Grundstück war circa 350 Quadratmeter groß und mit Bäumen und zahlreiche Sträuchern bepflanzt. Seine Frau hatte sich mit viel Liebe und großem Aufwand um den Garten und dessen Bepflanzung gekümmert, während er sich um die bauliche Substanz des Hauses kümmerte. In den zurückliegenden Monaten hatten einige Frauen versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen, aber er hatte sie bisher immer freundlich aber bestimmt abgewiesen, da er sich nicht wieder binden wollte, obwohl er erst Mitte Fünfzig war. Die Abende allein zu Haus fielen ihm nicht immer leicht, weshalb er sich in letzter Zeit immer öfter Freunden am Stammtisch im „Rondell“ anschloss und die gemeinsamen Stunden genoss. Auf dem Grundstück waren die meisten Arbeiten, außer Rasen mähen und ähnliches, erledigt, sodass er Zeit für schöne Stunden hatte, wenn nicht dringende Arbeiten in der Schule zu erledigen waren.

      „Ist in der Schule noch alles in Ordnung?“, fragte der Elektromeister des Ortes. Er hatte im letzten Jahr die gesamte Elektroanlage der Schule, die zum damaligen Zeitpunkt noch auf DDR-Niveau war, neuninstalliert.

      „Ja, alles bestens“, antwortet Mike.

      „Der Umbau war dringend erforderlich“, sagte der Elektromeister.

      „Vor der Zeugnisausgabe ist bestimmt Hektik in der Schule“, wollte ein anderer wissen.

      „Ja, das ist jedes Jahr das gleiche. Die Aufregung ist groß und zugleich die Vorfreude auf die bevorstehenden Ferien“, erwiderte Mike.

      „Erzähl von der Schlägerei, die du erwähnt hast“, wurde er aufgefordert.

      „Ich halte mich grundsätzlich aus wilden Spekulationen raus.“

      „Die Schlägerei ist aber Tatsache.“

      „Gewisse Rangeleien kommen zwischen den Schülern schon vor, das war in eurer Schulzeit sicherlich nicht anders oder seid ihr alle Musterschüler gewesen?“, schmunzelte Mike Lichte.

      „Mit Sicherheit nicht“, gestanden die Stammtischbrüder.

      „Für die Schlägerei muss es einen Anlass gegeben haben“, bohrte der Elektromeister weiter.

      „Wie ich schon sagte, es ging um ein angebliches Verhältnis von Hans mit einer Schülerin, die eigentlich mit einem Mitschüler enger befreundet war.“

      „Ist an dem Gerücht etwas Wahres dran?“

      „Woher soll ich das wissen.“

      „Mit dir reden die Schüler wie mit einem Beichtvater.“

      „In privaten Angelegenheiten versuche ich mich zurückzuhalten.“

      „Musst du heute nochmals in die Schule?“, fragte ein anderer?“

      „Ich hoffe nicht, wenn im Hort nicht noch Unvorhergesehenes geschieht.“

      „Mit dem Hort hast du sicherlich viel Arbeit.“

      „Ja, aber das ist normal, bei den kleinen Rackern geht immer etwas kaputt, aber sie zerstören nicht mit Absicht, sondern es geschieht beim Spielen.“

      „Deine Arbeit macht dir Freude, wenn man dich reden hört.“

      „Ja, ich liebe meine Arbeit, sie bringt zudem ständig Abwechslung.“ Mike Lichte lächelte seine Stammtischbrüder an und hob das Glas.

      „Ich gebe eine Runde aus“, sagte der Elektromeister.

      „Spitze, das kann ein sehr gemütlicher Abend werden“, lachten die Freunde.

      Einer der Kellner trat an den Tisch: „Herr Lohse, die neuen Gäste am Tisch drei hätten sie gern gesprochen.“

      „Ich komme sofort. Wenn ihr länger bleibt, gebe ich noch eine Runde aus“, sagte Ulf Lohse und erhob sich, um sich zu den Gästen zu begeben. Die Stammtischbrüder stießen mit einem Glas Bier an und der Abend verlief noch sehr feuchtfröhlich.

      4

      Zur gleichen Zeit, in der das Gespräch im Restaurant „Rondell“ stattfand, saßen die Kriminalisten Ullmann, Schlosser und Jans Schubert mit ihren Partnern vor ihren Wohnmobilen. Sie waren bereits den dritten Tag ihrer zweiten Urlaubswoche auf dem Campingplatz in Tossens und es gefiel ihnen ausnehmend gut. Es war ihnen gelungen, analog ihrem Aufenthalt auf dem Campinggelände in Markgrafenheide ihre Wohnmobile U-förmig anzuordnen, sodass sie sich einen separaten Platz geschaffen hatten. Ihre U-förmige Gestaltung war Richtung Düne geöffnet und in Richtung des Strandes durch das querstehende Wohnmobil geschlossen, sodass der teilweise recht böige Nordseewind die Urlauber verschonte und diese die strahlende Sonne in vollen Zügen genießen konnten. Diese von ihnen gewünschte ungewöhnliche Aufstellung ihrer Wohnmobile hatte zunächst bei dem sehr konsequent wirkenden Platzmeister Unmut hervorgerufen und er hatte es untersagt. Der Platzwart war ein kräftiger Mann um die 50 Jahre und konnte mit seiner Figur und seinem sicheren Auftreten jedem Urlauber Respekt einflößen.

      Das Campinggelände war in einem sehr sauberen und sicheren Zustand, die Bereiche der Wohnwagen und der wenigen Zelte waren abgegrenzt und durch befestigte Wege gut zu erreichen. In den letzten Jahren hatten Wohnmobile gegenüber Zelten die Vorherrschaft übernommen, wobei die echten Zelter niemals ihren Urlaub in einem Wohnmobil verbringen würden, zumal die heutige Technik und die Möglichkeiten eines Zelters im Vergleich zu früheren Jahren sich bedeutend verändert und verbessert hatten. Die Zelte waren größer und erlaubten deutlich besseren Komfort.

      Der Platz war zu circa 90 Prozent mit Wohnwagen belegt, die ihren eigenen Bereich hatten, aber gelegentlich gestattete der Platzwart Ausnahmen, wenn es sich um Familien handelte. Zum Campingplatz gehörten ein Spielplatz und weitere Möglichkeiten zur Ausübung sportlicher Tätigkeiten, wie Volleyball, Federball, Kegeln und so weiter. Der Toiletten- und Waschbereich war stets sauber und für die Urlauber ausreichend. Die Wasch- und Duschgelegenheiten wurden zwar oft benutzt, aber es kam nie zu Streitigkeiten unter den Nutzern, da viele der Urlauber Wohnwagen mit Duschgelegenheiten besaßen.

      Viele der Urlauber hatten ihre Fahrräder mitgebracht und erkundeten die Gegend per Rad. Im Ort gab es eine Fahrradausleihstation, die es auch anderen Urlaubern ermöglichte,


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