Jahrbuch der Baumpflege 2016. Группа авторов

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Flechtruten und die Ständer alter Kopfbäume sind oft überaltert. Dies hat zur Folge, dass sich bei diesen Bäumen ähnliche statische Probleme wie an gekappten Bäumen entwickeln (Abbildung 8 rechts).

       Abbildung 8: Kopfplatanen als Gestaltungsmittel (links); Kopfweiden in freier Landschaft mit jungen Reiteraten (Mitte) und lange Zeit nicht geschnitten (rechts)

      Da sich Gehölze durch bestimmte Schnittmaßnahmen in unterschiedlichste Formen bringen und dann dauerhaft halten lassen, sind Formgehölze auch ein wichtiges Mittel der Gartengestaltung. Beinahe noch wichtiger als bei den nutzungsbedingten Kopfbäumen ist bei Formgehölzen der regelmäßige Schnitt im Schwachastbereich. Verjüngungsversuche alter Formgehölze durch radikale Entfernung von Starkästen führen auch hier, ähnlich wie bei den Kappungen, zu Baumruinen (BELTZ 1999; EHSEN 2002).

       2.5 Kronensicherungsschnitt

      Die Definition des Kronensicherungsschnittes (KSS) lautet: „Bei schwer geschädigten Bäumen, oftmals mit nur noch kurzer Lebenserwartung, die trotzdem erhalten werden sollen, sind entsprechend den Erfordernissen zur Herstellung der Verkehrssicherheit Kronenteile oder die gesamte Krone im Grob- und Starkastbereich einzukürzen“ (FLL 2006b). Der Kronensicherungsschnitt führt aus statischer Sicht (sehr starke Entlastung) und leider auch beim Erscheinungsbild oftmals zu einem ähnlichen Ergebnis wie eine Kappung – aber bei einem stark geschädigten Baum aus gutem Grund. Kappungen erfolgen dagegen oft an vorher gesunden und weitgehend intakten Bäumen ohne vernünftigen Grund.

      Manche Bäume erfüllen nicht nur durch ihre optische Wirkung wichtige Funktionen, sondern sie können auch aus naturschutzfachlichen, denkmalpflegerischen oder kulturhistorischen Gründen von wichtiger Bedeutung sein. Das Streben, den Baum (wenn auch nur als Torso) zu erhalten, dient dann vorrangig anderen Zielen und nicht unbedingt dem Wunsch nach einer nachhaltigen Entwicklung des Baums mit einem natürlichen Habitus. Aber auch dann sollte der Schnitt unter Berücksichtigung eines Mindestmaßes baumbiologischer Grundsätze erfolgen, denn nur so kann der Baum auch mit stark verändertem Habitus noch möglichst lange als Lebensraum für seltene xylobionte Insekten oder als Baumdenkmal usw. verkehrssicher erhalten werden. Bei der Sondermaßnahme KSS wird i. d. R. gleichzeitig alles bruchgefährdete Totholz aus der Baumkrone entfernt. Manchmal kann es aber erwünscht sein, dass auch abgestorbene, aber noch statisch feste Starkäste – je nach Baumart und Sicherheitserwartung am Standort – in der Krone (evtl. eingekürzt) belassen werden. Sie stellen einen besonders raren Lebensraum für seltene holzbewohnende Insekten dar (AMMER 2004; ZABRANSKY 2004).

       3 Auswirkungen von Kappungen

      Auf die rigorose Schnittmaßnahme und den Verlust großer Kronenteile reagieren die betroffenen Bäume in Abhängigkeit von der Art, dem Standort und ihrer Vitalität sehr unterschiedlich. Bestimmte Erscheinungen sind jedoch an allen Bäumen gleich.

       Abbildung 9: Auswirkungen von Kronenkappungen

      Kappung bedeutet immer den Verlust des größten Teils oder sogar der gesamten Blattmasse. Deshalb kann der Baum nach der Schnittmaßnahme zunächst keine Photosynthese mehr betreiben. Parallel dazu wird der Baum die verbliebenen Reserven vorrangig für den Neuaustrieb und den Wundverschluss verbrauchen. Der Verlust der Blattmasse hat aber auch noch weitere Auswirkungen (vgl. auch Abb. 9):

       Die großen Schnittflächen sind erhebliche Wunden, an denen Luft in das Wasserleitsystem eintritt. Die Embolien in den Gefäßen zerstören oder verringern den wasserleitenden Querschnitt.

       Der Wegfall der transpirierenden Blattoberfläche bringt den Transpirationssog als wesentlichen „Motor“ des Wassertransports zum Erliegen.

       Wegen der Zerstörung des Schutzes durch die Borke entsteht ein erhöhtes Risiko des Befalls durch Pathogene, bei obligatorischen Kernholzbildnern können sich Kernfäuleerreger etablieren.

       Das hormonelle Ungleichgewicht bewirkt eine langfristige Veränderung hormonell gesteuerter Vorgänge, wie die vormals spitzendominierte Kronenhierarchie und das Wurzelwachstum.

       3.1 Direkte Folgen der Schnittwunde

      Direkte Folge einer Kappung ist in jedem Fall eine sehr große Wunde und der Verlust der schützenden Borke an der Kappungsstelle. Die Verwundung führt unmittelbar in den wasserleitenden Gefäßen und Tracheiden des Splintholzes durch Lufteintritt zu Embolien. Das traumatische Ereignis führt zur großflächigen irreparablen Zerstörung des Wasserleitsystems, sodass auch bei zerstreutporigen Baumarten und bei verzögerter Kernholzbildung (Splintholzarten) erst die Neubildung von Jahrringen wieder zu einer funktionierenden Wasserleitung führt.

      Nachfolgend werden sich, je nach Jahreszeit, zunächst Schimmel-, später holzzersetzende Pilze ansiedeln. Bei Baumarten mit Kernholz wird dieses bei der Kappung freigelegt. Im Kernholz sind (im Gegensatz zum Splintholz) alle Zellen abgestorben. Hier besteht also keine Möglichkeit mehr, auf die Verwundung zu reagieren und durch aktive Prozesse ein Ausbreiten von Kernfäuleerregern einzuschränken. Kernholzfäulen an den Kappungsstellen breiten sich deshalb langfristig ungehindert im gesamten Stamm aus.

      Natürlich stehen vitalen Bäumen aktive schadensminimierende Mechanismen zur Verfügung, um (kleine) Wunden zunächst gegenüber dem restlichen Holzkörper abzuschotten. Geschwindigkeit und Effektivität dieser Kompartimentierung sind außer von der genetisch fixierten, arttypischen Konstitution vor allem von der Verfügbarkeit energiereicher Kohlenstoffverbindungen als Stoffwechselgrundlage der lebenden Parenchymzellen abhängig. Gekappte Bäume können mangels Blattmasse und Zusammenbruch der Photosyntheseleistung nur auf die verbliebenen Speicherstoffe (Reserve) zurückgreifen.

      Vor allem wegen der Wundgröße nach einem Kappungsschnitt erfolgt kein schneller und effektiver Verschluss der Wunde. Die vollständige Einkapselung der Fäule durch komplette Überwallung (Phase 4 des CODIT-Prinzips als effektivste Strategie des Baums gegen die Verletzungsfolgen, vgl. DUJESIEFKEN & LIESE 2008) wird nicht erreicht.

       3.2 Gestörte Kronen- und Wurzelentwicklung

      Mit dem Verlust der Krone sind auch die spezifischen Konzentrationsverhältnisse der verschiedenen wachstumssteuernden Hormone langfristig gestört. Die Produktion des Auxins kommt plötzlich vollständig zum Erliegen und auch die Synthese der Gibberelline wird stark eingeschränkt. Die Wurzeln produzieren aber weiterhin Cytokinine, das führt vor allem zu einer extremen Verschiebung des Auxin/​Cytokinin-Verhältnisses. Der Cytokininüberschuss fördert nun Austrieb, Knospenbildung und Streckungswachstum, also überlebenswichtige Wachstumsprozesse für die Kronenregeneration und zur Bildung einer Sekundärkrone. Dies erklärt die verstärkte Bildung traumatischer Knospen und das anschließende rasante Höhenwachstum der Austriebe bei kürzlich gekappten Bäumen.

      Zwischen den zunächst voneinander unabhängig austreibenden Reiteraten beginnt ein starker Konkurrenzkampf. Wegen ihrer starken Höhenentwicklung und dem gleichzeitig eher untergeordneten Dickenwachstum haben die Ständer hohe Schlankheitsgrade.

      Die Konkurrenz der Austriebe führt zwar zu einer gewissen Differenzierung, sodass nicht alle Austriebe an der mittelfristigen Oberkronenentwicklung beteiligt sind, jedoch kommt es insbesondere bei Laubbäumen im Prinzip nie mehr zu einer arttypischen Kronenhierarchie. Ein Teil der Ständer konkurriert zeitlebens miteinander.

       3.3 Unterversorgung von Stamm und Wurzel

      In jedem Fall ist nach der Kappung das während der langen Baumentwicklung zuvor entstandene optimale Verhältnis von Kronen- und Wurzelvolumen gestört (meist noch nach vielen Jahren). Große Teile des Sprosses und (mit weitaus schwerwiegenderen Folgen) der Wurzel werden nicht mehr ausreichend mit Assimilaten versorgt. Die Unterversorgung kann zum Absterben eines Teils der Wurzeln führen. Der Kronenschnitteinfluss wurde unter anderem auch im Obstbau näher untersucht und es wurde festgestellt, dass stark geschnittene Bäume kleinere


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