Business-Analyse. Axel-Bruno Naumann
bereits eine Lösung bzw. ihre eigene Umsetzung vorgeben. Anforderungen mit großer Determiniertheit beinhalten bereits Vorgaben, wie sie (technisch) umzusetzen sind. Anforderungen mit schwacher oder keiner Determiniertheit sind lösungs- und umsetzungsneutral beschrieben.
Weitere Ausführungen zu Lösungsanforderungen finden sich in Kapitel 2.
G.2.2.4 Transitionsanforderungen
Eine Transitionsanforderung ist eine Beschreibung der Aspekte einer Lösung, die den Übergang vom Ist-Zustand zum Soll-Zustand ermöglichen.
Transitionsanforderungen sind analog zu Stakeholder- und Lösungsanforderungen zu ermitteln, zu analysieren, zu dokumentieren und zu genehmigen. Das Besondere an Transitionsanforderungen ist, dass sie erst definiert werden können, wenn die Lösung (zumindest grob) beschrieben oder entworfen ist. Transitionsanforderungen sind in der Regel nur für den Übergang vom Ist-Zustand zur (neuen) Lösung gültig und befassen sich damit,
wie Daten migriert werden sollen
welche neue Qualifikation oder welche erweiterten Kompetenzen bei den Mitarbeitern notwendig sind, damit sie die Lösung nutzen können
wie Geschäftsprozesse oder Geschäftsvorgänge fortgeführt werden, die im Ist-Zustand begonnen, aber vor Einführung der Lösung noch nicht abgeschlossen werden.
Sollte ein neues Warenwirtschaftssystem bei TREND eingeführt werden, müssen Transitionsanforderungen an die Überführung der Daten aus dem alten ins neue System definiert werden. Ob die Mitarbeiter ein neues Warenwirtschaftssystem erst nach einer Schulung und einer begleiteten Einführung nutzen können, ergibt sich u.a. aus der Benutzerfreundlichkeit des Systems und aus der optischen und technischen Nähe zum alten Warenwirtschaftssystem. Die Business-Analysten müssten u.a. prüfen, ob eine begonnene Bestellung im neuen System fortgeführt werden kann oder ob sie dort neu angelegt werden muss.
Weitere Ausführungen zu Transitionsanforderungen finden sich in Kapitel 3.2.2.
G.2.3 Annahmen und Restriktionen
Nicht alle Äußerungen seitens der Stakeholder sind tatsächlich Anforderungen.
Eine Annahme ist ein noch nicht überprüfter Einflussfaktor auf eine Lösung, die als Arbeitshypothese in die Untersuchung eingeht.
Die TREND Möbelhäuser vermuten, dass junge Kunden fehlen, da kein Online-Shop vorhanden ist. Daraus ließe sich unmittelbar eine Anforderung nach einer Verkaufsmöglichkeit im Internet ableiten. Sinnvollerweise prüfen Business-Analysten aber zunächst erst einmal diese Annahme und entscheiden dann gemeinsam mit den Stakeholdern, ob sie valide ist und weiterverfolgt werden kann, oder ob sie verworfen werden sollte.
Eine Restriktion ist eine zwingende Vorgabe, die eine Lösung einschränkt oder bestimmte Lösungskomponenten erzwingt.
Restriktionen sind wichtige Informationen. Sie werden häufig nicht in einer Lösung umgesetzt, beeinflussen diese allerdings maßgeblich. Daher sollten sie als Restriktionen kenntlich gemacht werden und nicht mit Anforderungen „vermischt“ werden.
Das Management nannte die zwingende Vorgabe, dass das bestehende Warenwirtschaftssystem nicht abgelöst wird. Zudem soll eine Lösung spätestens in 12 Monaten umgesetzt sein.
Die Unterscheidung zwischen Annahmen und Anforderungen bzw. Restriktionen und Anforderungen ist nicht immer offensichtlich. Business-Analysten fragen besser einmal mehr nach, um herauszufinden, womit sie es gerade zu tun haben.
Weitere Ausführungen zu Annahmen und Restriktionen finden sich in Kapitel 2.3 „Anforderungsermittlung“.
G.3 ibo-Anforderungstür®
G.3.1 Übersicht
Business-Analyse ist eine ganzheitliche Methode, die Veränderungen auf ihren Nutzen prüft, Anforderungen an Veränderungen ermittelt, analysiert und dokumentiert, die Einführung von Lösungen begleitet sowie die Business-Analyse selbst plant und steuert.
Die ibo-Anforderungstür® bildet das grafische Modell für die grundlegende Struktur der Business-Analyse. Sie dient dazu, den Überblick über das gesamte Thema zu gewinnen und zu bewahren. Die ibo-Anforderungstür® hat sich in den letzten Jahren als Rahmenwerk (Framework) mit Vorgehensschritten und verknüpften Techniken in Training und Praxis bewährt und etabliert. Sie dient hier als Leitfaden in der Business-Analyse und als Gliederung für dieses Buch.
G.3.1.1 Konzepte
Vier Konzepte beschreiben die Anwendungsfelder, in denen Business-Analysten tätig werden: Business-Case-Erstellung, Requirements Engineering, Lösungseinführung, Business-Analyse-Planung und -Steuerung.
Das Konzept der Business-Case-Erstellung bietet vier Schritte, in denen vorab untersucht wird, ob es sinnvoll ist, sich weiter und detaillierter mit einem Vorhaben zu beschäftigen. Dazu werden unter anderem Geschäftsanforderungen, wirtschaftliche Aspekte, der Kontext und Risiken betrachtet, die die angedachte Veränderung mit sich bringen kann.
Schwerpunkt der Arbeit von Business-Analysten ist normalerweise das Ermitteln, Dokumentieren und Analysieren von Anforderungen. Im Konzept Requirements Engineering werden sinnvolle Vorgehensschritte beschrieben, die von der Vorbereitung bis hin zur Genehmigung der Anforderungen reichen, so dass diese später umgesetzt und eingeführt werden können. Bildlich gesprochen schlägt im Requirements Engineering das Herz der Business-Analyse.
Das Konzept Requirements Engineering beschreibt den Weg der Anforderungen von der Quelle, also von denjenigen, die Anforderungen einbringen, hin zu Entwicklern und Umsetzern. Bildlich gesprochen ist das der „Hinweg“ der Anforderungen.
Das Konzept Lösungseinführung beschreibt den „Rückweg“. Die Einführung einer neu erstellten oder veränderten Lösung (sei es ein IT-System, ein Geschäftsprozess oder eine andere Veränderung im Unternehmen) muss geplant werden, damit sie möglichst gut ihre gewünschte Wirkung entfalten kann. Business-Analysten sollten die Einführung der Lösung begleiten, da sie sich intensiv mit den Anforderungen an die Lösung auseinandergesetzt haben.
Das Konzept Business-Analyse-Planung und -Steuerung ist das verbindende Konzept zu den drei anderen Konzepten, mit dem gesamten Vorgehen vom Business Case über das Requirements Engineering bis zur Lösungseinführung. Durch die Schritte Planung, Ist-Erfassung, Diagnose und Steuerung soll eine effiziente und effektive Business-Analyse sichergestellt werden.
Die verbindende Klammer zwischen Business-Analyse-Planung und -Steuerung und den drei anderen Konzepten bilden jeweils drei Handlungsfelder:
Berufliche Handlungskompetenz, die bei der Ausführung der jeweiligen Aufgaben unterstützt (z.B. Geschäftsverständnis bei der Erstellung des Business Case). Zur beruflichen Handlungskompetenz vgl. die Einführung in Kapitel 1.8.1
Wichtige Zielgruppen für Business-Analysten im jeweiligen Konzept (z.B. Kunden, Management)
Ergebnistyp des jeweiligen Konzepts (z.B. Business Case als Dokument).
Abb. G.07: ibo-Anforderungstür®
Die angesprochenen Veränderungen können in unterschiedlichen Kontexten (z.B. Projekt oder Tagesgeschäft, Releases oder Einzelmaßnahmen) geschehen oder mit unterschiedlichen Vorgehensmodellen (z.B. Scrum oder Geschäftsprozessoptimierung) vorangetrieben werden.
Die ibo-Anforderungstür® kann an unterschiedlich große Veränderungen angepasst werden. Die Kapitel 1-3