Die Farbe der Leere. Cynthia Webb

Die Farbe der Leere - Cynthia Webb


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dass sie dem Jungen viel zu nahe gestanden hatte. Und wenn ich ein wirklich guter Mensch wäre, dachte er, würde ich sie nicht an diesem Fall arbeiten lassen.

      »Was wissen Sie über den, der das getan hat, über diesen ›Jack‹?«

      Mendrinos lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Man könnte denken, er will aufgespürt werden. Er bringt sie irgendwo um und transportiert die Leichen dann an ziemlich öffentliche Orte. Zweimal auf ein Dach, einmal auf ein Abrissgrundstück.« Er seufzte. »Wenn er geschnappt werden will, haben wir ein gemeinsames Anliegen. Wir wollen ihn nämlich kriegen, bevor er den Nächsten erwischt.«

      »Was meinten Sie mit gefoltert?«

      Aha, jetzt hakte sie also zeitverzögert nach, um ihn nicht merken zu lassen, wie nah ihr das ging. »Er kettet sie an den Handgelenken an. Dann schlitzt er sie mit dem Messer auf. Von der Brust abwärts, vom Bauch aufwärts.« Seine Hände gestikulierten anschaulich über seinem Oberkörper. »Es ist fast, als ob er sie in Scheiben schneiden will. Die Schnitte sind dicht beieinander, die Haut zerfetzt. Manche oberflächlich, manche tief.«

      »Sind sie noch am Leben, während er das tut?«, fragte sie in beiläufigem Ton.

      Er nickte und vermied weiterhin ihren Blick. »Ein paar Einzelheiten konnten wir bisher vor der Presse geheim halten.« Er wartete ihr Nicken ab und fuhr dann fort. »Alle drei Opfer waren bei ACS aktenkundig.«

      Das war es also. Deshalb wollte die Staatsanwaltschaft jemanden von ACS zu den Ermittlungen hinzuziehen.

      »Also nicht nur Jonathan.« Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und versuchte zu verdauen, dass jeder der toten Jungen ein ACS-Fall gewesen war.

      »Und alle waren irgendwann in Pflegeeinrichtungen untergebracht.«

      Sie wählte ihre Worte sorgfältig. »Sie werden doch nicht annehmen, dass da eine Verbindung besteht? Ich meine, wir klopfen manchmal Sprüche darüber, dass es in der Bronx ­eigentlich kein Kind mehr geben kann, das noch nicht mit ACS zu tun hatte. Aber das ist bloß ein mieser Witz. Andererseits, wie stehen die Chancen, dass jemand hintereinander drei Jungs ermordet …« Ihre Stimme versiegte.

      »Es kann reiner Zufall sein. Aber vielleicht ist es auch ein Bindeglied. Also dachte ich, es könnte hilfreich sein, wenn jemand mit ACS-Einblick uns Hintergrundinfos zum Thema gibt. Diane hat Sie empfohlen. Sie sagte, Sie sind schon lange dabei. Und sie vertraut Ihrem Urteil voll und ganz.

      Noch etwas. Mordermittlungen sind einfach so: Es gibt immer verrückte Zufälle, die vielleicht etwas zu bedeuten haben, sich dann aber oft als völlig bedeutungslos erweisen. In der Zwischenzeit haben wir wertvolle Zeit verschwendet, um das herauszufinden.«

      »Also, wo waren die Jungs untergebracht?«

      »Von Jonathan wissen Sie es ja, er war im Gruppenhaus ­Watson & Green. Craig Wadley, das erste Opfer, lebte mit ACS-Zuwendungen bei seinen Großeltern, aber es gab da wohl Meinungsverschiedenheiten, und so schlief er meist bei Freunden auf dem Sofa. Nach Shawan Castro wurde seitens des Fami­liengerichts gefahndet. Er ist vor einiger Zeit aus einer Einrichtung weggelaufen.«

      »Und was genau wollen Sie jetzt von mir?«

      Er schloss den obersten Hefter des Stapels, der vor ihm lag.

      Rasch griff sie über den Tisch und zog den Aktenstapel auf ihre Seite herüber, bevor er seine Meinung noch mal ändern konnte.

      »Das sind Kopien von allem, was unserer Meinung nach für Sie wichtig sein könnte. Wir haben bei ACS die Fallakten angefordert. Was ich Ihnen hier gebe, haben unsere Ermittler bereits gesichtet. Aber ich dachte, vielleicht verhilft Ihnen Ihr Fachwissen zu einer Erkenntnis, oder Sie entdecken etwas, das wir übersehen haben, weil Sie mit dem Feld besser vertraut sind. Alles, absolut alles, was irgendwie auf eine Verbindung zwischen den Opfern hindeuten könnte, will ich sofort wissen. Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf, ob es zu unbedeutend ist. Damit befassen wir uns dann schon. Und sollten Sie feststellen, dass Sie Informationen brauchen, die nicht in diesen Akten stehen, dann geben Sie mir Bescheid.

      Ein große Sonderkommission arbeitet an diesem Fall. Kriminalbeamte vom Morddezernat, das Büro der Staatsanwaltschaft und weitere. Ich bin Ihr Kontaktmann. Der zuständige Ermittlungsleiter Stephen Russo ist ein guter Mann, aber bitte unterrichten Sie mich, bevor Sie ihm irgendetwas zutragen, ja?«

      Katherine zog die Akten noch näher an sich heran. »Klar«, sagte sie. »Ich hab’s begriffen.«

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