Kommissar Schlemperts zweiter Fall: Recht & Unrecht. Michael Schlinck

Kommissar Schlemperts zweiter Fall: Recht & Unrecht - Michael Schlinck


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ich dann doch, dass es Martin Schneider ist.

      Nur Minuten später sitze ich im Bademantel mit meinem Freund am Küchentisch.

      „Na, wenn ich schon einmal hier in der Nähe bin, kann ich doch auf eine Pizza von Mario nicht verzichten“, sagt Martin und packt zwei Kartons und eine Salatschüssel auf den Tisch, der damit sofort reichlich überladen wirkt. Wer schon einmal im La Rusticana gegessen hat, weiß, was ich meine.

      Martin verputzt seine große Pizza restlos und tränkt zum Abschluss sogar noch ein paar Pizzabrötchen im Salatdressing. Ich habe derweil meine kleine Pizza zu einem Drittel gegessen und packe den Rest als Wochenvorrat in den Kühlschrank.

      So sitzen wir noch bis spätabends zusammen und plaudern über dies und das, hetzen über den Heuler und erzählen uns Polizeigeschichten. Alles in allem ein schöner und gemütlicher Abend.

       Ich habe es getan. Klar, habe ich es getan. Ich würde es immer tun, nur brauchte ich es nie tun. Keine war bisher so widerspenstig wie du. Es war aber auch keine so süß wie du. Dir gehört der Platz an meiner Seite. Eine lange Zeit wirst du ihn einnehmen, den Platz an meiner Seite. Auf dich werden die Kunden noch warten müssen, denn erst einmal wirst du mir gehören.

       Und dann musste ich sehen, wie du dich zu ihm geschlichen hast. Wie ihr es im Auto getrieben habt, das musste ich sehen. Wie er deinen jungen Körper berühren durfte, den du mir vorenthältst. Doch damit ist es nun vorbei. Ich habe ihn entsorgt. Fachmännisch. Er hat nun den Weg frei gemacht. Frei für uns, kleine Veroschka. Jetzt steht nichts mehr im Weg. Glücklich wirst du sein, an meiner Seite zu stehen. Jeden Wunsch wirst du mir erfüllen. Jeden!

       Montag

      Als ich in der Früh ins Revier komme, wundert sich niemand. In so einem Fall scheint es üblich zu sein, dass der Urlaub und die Familie zurückstehen müssen.

      Es ist kurz nach sieben und unser Büro ist noch verwaist, also Rechner hochfahren, die Post durchsehen, Kaffee holen und Mails abrufen, das übliche morgendliche Ritual eben. Die französische Polizei bestätigt, dass in Toulon ein Charles van de House gemeldet ist. Im Laufe des Tages wollen sie eine Streife bei ihm vorbeischicken, um zu sehen, ob er am Leben ist.

      So oder so ähnlich soll der Wortlaut der E-Mail sein, meint zumindest der Onlineübersetzer. Die Mail ist auf Französisch, weshalb ich mir mit dem Übersetzer helfen musste, denn Französisch verstehe ich gar nicht. Portugiesisch, Arabisch, Türkisch und Andalusisch auch nicht. A little bit english vielleicht, aber null Komma gar nix Französisch. In einem Schuhgeschäft in der Champs-Elysées begrüßte mich einst ein freundlicher Verkäufer mit „Bonjour“, worauf ich ihm ebenso freundlich mit „Ja, ein Paar braune bitte“ antwortete. Meine Familie konnte darüber herzlich lachen. Ich nicht!

      „Kommissar Timo Gebauer wünscht dem Außenstellenleiter Dieter Schlempert einen wunderschönen guten Morgen.“ So begrüßt mich nun mein Kollege und fühlt sich auch noch spaßig dabei.

      Dass ich Timo nach meinem Urlaub mit den Worten „Halt die Fresse, Idiot“ begrüße, hätte ich mir zuvor nicht träumen lassen.

      Aber er reagiert relativ gelassen: „Hab dich auch lieb.“

      Nun kommt auch Laura zur Tür herein und sieht wieder zum Dahinschmelzen aus, zumindest wenn man auf Terminator steht, mit khakifarbener Hose und einem hautengen Top. Darüber trägt sie eine kurze offene Lederjacke, sodass man die beiden Pistolenhalfter sieht.

      Da wir nun komplett sind, setzen wir uns an den Besprechungstisch. Davor stellen wir unsere Tafel, auf der wir in bunten Lettern die Namen unserer Beteiligten eintragen. Viel zu schreiben gibt es nicht. In der Mitte steht in Rot geschrieben „Charles van de House“, von dem wir noch nicht viel wissen, außer dass er vermutlich bei der Gerichtsmedizin auf dem Seziertisch liegt. In Grün steht noch „Phillip Hubertus“ an der Tafel, was bedeutet, dass er nicht unter Mordverdacht steht. Damit ist nicht viel anzufangen. Wir müssen dringend Indizien, Fakten und alle möglichen Hinweise sammeln.

      „Timo, recherchiere du mal im Internet nach dem Namen van de House, ob da was zu finden ist“, beginne ich mal Aufgaben zu verteilen. „Und Laura, da du etwas Französisch sprichst, könntest mit Toulon telefonieren. Behörden und so weiter. Schaut mal, was ihr so rausfindet.“

      „Ach ja, da wäre noch was“, beginnt nun Timo herumzustottern.

      „Was ist? Heraus mit der Sprache“, sage ich ungeduldig.

      „Der Heuler möchte die Ermittlungen leiten und eins zu eins, also quasi just in time, über jeden unserer Schritte informiert sein.“

      „Der kann mich, quasi just in time, dort, wo die Sonne nicht hinscheint.“ Nun bin ich ja fast schon cholerisch, aber der Mann treibt mich noch in den Wahnsinn. Also der Heuler, nicht Timo.

      Der arme Kerl sitzt nun da wie ein geläutertes Kind und jammert vor sich hin: „Wenn du den Feind nicht hast, dann steinige den Boten.“

      „Kommt, Leute, wir fangen an, und lasst Herrn Heuler meine Sorge sein“, bringe ich nun wieder Ruhe in die Situation.

      Timo hämmert fleißig in die Tastatur und was Laura treibt, kann ich nicht sagen, denn ich verstehe kein Wort. Sie telefoniert reichlich auf Französisch und verwendet in jedem zweiten Satz den Namen Charles van de House, was mich glauben lässt, dass die Telefonate tatsächlich dienstlich sind. Mich selbst stört nur das ausländische Geplapper bei meinem Brainstorming. Jetzt beginne ich auch noch mit dem eingedeutschten Gelaber. Also, keinen klaren Gedanken bekomm ich auf die Reihe bei dem unverständlichen Gerede.

      So beschließe ich, nun nach Neustadt zu fahren und mir das Autowrack anzuschauen. Eine Entscheidung, die ich Minuten später auch schon wieder bereue. Auf dem Hof der Landauer Polizeiwache steht nämlich nur der alte Opel Kadett Diesel, mit dem ich heute Morgen zur Arbeit gekommen bin. Klar, mein eigentlicher Dienstwagen, ein Mini GP mit vielen Gimmicks und über dreihundert Pferdestärken, steht zu Hause in der Scheune. Na gut, so eiere ich mit fünfundachtzig über die Autobahn und bete, dass das Ding nicht schlappmacht.

      Auch die schönste Fahrt hat einmal ein Ende und so parke auch ich irgendwann auf dem Hinterhof des Neustädter Präsidiums ein. Die Kapuze ins Gesicht gezogen, dass der Heuler mich nicht durchs Fenster entdeckt, schleiche ich mich in Klaus Reuters Werkstatt, die im Keller untergebracht ist.

      „Ja, der Dieter, welch seltener Glanz in meiner bescheidenen Hütte“, begrüßt er mich auch gleich überschwänglich. Er ist der beste Mechaniker, der mir je begegnet ist. Unter Kollegen nennen wir ihn „Daniel Düsentrieb“ der Neustadter Wache.

      „Hallo, Klaus, wie geht’s?“, begrüße auch ich ihn freundlich.

      „Ach, du weißt ja: Schaffe, schaffe, schaffe. Der Tag hat vierundzwanzig Stunden und wenn die nicht reichen, soll ich eben die Nacht durcharbeiten. So meint es zumindest der Heuler.“

      Ich weiß schon, was er meint. Bei jeder erdenklichen Gelegenheit prahlt unser gemeinsamer Vorgesetzter mit den Fähigkeiten von Klaus und so kommt es, dass er sämtliche Sonderumbauten an polizeilichen Fahrzeugen machen muss. Nebelwerfer oder Lachgaseinspritzungen wie bei meinem Mini sind da die leichteren Übungen. Es kommt schon mal vor, dass ein schwimmender Porsche oder ein BMW mit Düsentriebwerk seine Werkstatt verlässt. Und so ganz nebenbei hilft er auch noch der Spurensicherung wie im aktuellen Fall, weshalb ich gleich mal nach dem Fiat frage.

      „Viel kann ich dir noch nicht sagen“, meint er erwartungsgemäß. Immerhin haben wir es erst kurz nach zehn. „Die Blockade am Gasgestänge kann jeder Laie ausgeführt haben und auch sonst gibt es außen keine Auffälligkeiten. Den Innenraum schauen wir uns erst heute Mittag an. Bis dahin ist dann auch der Martin mit seinem Team hier.“

      Okay, das bringt uns wirklich nicht weiter, also bitte ich ihn, mir das Fahrzeug zu zeigen.

      Ja. Tatsächlich ein Fiat. Um genau zu sein, ein roter Panda mit französischem Kennzeichen. Modell anno dazumal. Und ihm sieht man auch sein Alter an. Tellergroße Rostflecken, zum Teil sogar


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