Evangelisches Kirchenrecht in Bayern. Hans-Peter Hübner
Kirchenvorstand gebildet werden, wenn dies der besseren Entfaltung des örtlichen Gemeindelebens dient (§ 18 a KGO).
Die Verantwortung für die Erledigung der mit einer Pfarrei verbundenen Verwaltungsaufgaben obliegt dem Gemeindepfarrer/der Gemeindepfarrerin in seiner/ihrer Eigenschaft als für die Pfarramtsführung beauftragter Person. In Pfarreien mit mehreren Pfarrstellen ist dies grundsätzlich der Inhaber/die Inhaberin der ersten Pfarrstelle. Die Vertretung obliegt dem/der Dienstältesten unter den der Pfarrei zugewiesenen Pfarrern und Pfarrerinnen.
c)Ohne dass dadurch die Verantwortung der einzelnen Kirchengemeinden für ihr eigenes Gemeindeleben aufgehoben wird, können sich benachbarte Kirchengemeinden eines Dekanatsbezirkes zu einer Gesamtkirchengemeinde zusammenschließen, um besondere ortskirchliche Aufgaben zu erfüllen, die ihnen gemeinsam sind oder zweckmäßig in Gemeinschaft wahrgenommen werden (§§ 86–97 KGO). Im Bereich der ELKB existieren z. Z. 21 Gesamtkirchengemeinden; diese besitzen – wie die die Kirchengemeinden – Rechtspersönlichkeit nach kirchlichem und staatlichem Recht (vgl. Art. 8 KVerf).
Außerdem können Kirchengemeinden und Dekanatsbezirke zur Wahrnehmung einzelner bestimmter Aufgaben (z. B. Verwaltung der kirchengemeindlichen Kindergärten oder Friedhöfe) kirchliche Zweckverbände nach Maßgabe von §§ 7 ff. des Kirchl. Zusammenarbeitsgesetzes (RS 315) gründen.
d)Kirchengemeinden sind in aller Regel örtlich definiert. Sie können aber – wie z. B. die Einrichtungskirchengemeinde bei der Rummelsberger Diakonie oder die Gebärdensprachliche Kirchengemeinde in Nürnberg auch nach besonderen Situationen oder (landeskirchenweiten) Personengruppen bestimmt sein. Zu den besonderen Gemeindeformen im Einzelnen vgl. u. § 42.
3.Der Dekanatsbezirk
a)Dem Dekanatsbezirk kommt eine doppelte Bedeutung zu.
Einerseits ist der Dekanatsbezirk als mittlere körperschaftliche Ebene ein Zusammenschluss von Kirchengemeinden, welcher der Zusammenarbeit aller kirchlichen Kräfte in seinem Bereich und der Erfüllung gemeinsamer, auch den örtlichen Bereich überschreitender Aufgaben dient (Art. 27 Abs. 1 KVerf u. § 2 Abs. 1 S. 1 DBO). In dieser Eigenschaft besitzt er Rechtspersönlichkeit nach kirchlichem Recht und ist nach Art. 140 GG/Art. 137 Abs. 5 WRV Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. Art. 8 KVerf u. § 1 Abs. 2 DBO). Organe des Dekanatsbezirks sind die Dekanatssynode, der Dekanatsausschuss und der Dekan bzw. die Dekanin (vgl. Art. 27 Abs. 3 KVerf u. § 1 Abs. 3 DBO).
Zum anderen ist der Dekanatsbezirk auch Aufsichts- und Verwaltungsbezirk (vgl. Art. 27 Abs. 2 KVerf). Insoweit hat er keine eigene Rechtspersönlichkeit. Im kirchlichen Sprachgebrauch wird der Dekanatsbezirk in diesem Sinne auch als Dekanat bezeichnet, wobei freilich mit dem Begriff „Dekanat“ im Einzelfall auch das Büro bzw. das Gebäude, in dem dieses untergebracht ist, gemeint sein kann.
b)Die ELKB zählt z. Z. 66 Dekanatsbezirke.
Die Dekanatsbezirke München und Nürnberg weisen dabei die Besonderheit auf, dass sie in sechs bzw. vier Prodekanatsbezirke gegliedert sind. Organe des Prodekanatsbezirks sind der Prodekan/die Prodekanin, die Prodekanatssynode und der Prodekanatsausschuss, welche zusätzlich in ihrem Bereich die Aufgaben wahrnehmen, die sonst den entsprechenden Organen der Dekanatsbezirke obliegen. Die Aufgabe der Dekanatsbezirke in München und Nürnberg besteht in der Koordination der Tätigkeit der Prodekanatsbezirke und in der Erfüllung von Aufgaben, die den Prodekanatsbezirken gemeinsam sind oder den Aufgabenbereich eines der Prodekanatsbezirke überschreiten (vgl. § 46 Abs. 2 DBO – RS 310). Außerdem nehmen sie die Aufgaben der Gesamtkirchengemeinden wahr.
c)Der Dekan/die Dekanin ist nicht Träger/in eines im Verhältnis vom Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung besonderen Amtes, sondern Inhaber/Inhaberin einer besonderen kirchlichen Funktion.
Aus der doppelten Bedeutung des Dekanatsbezirkes folgt, dass auch die Dekansfunktion eine doppelte ist. Einerseits leitet der Dekan/die Dekanin im Zusammenwirken mit der Dekanatssynode und dem Dekanatsausschuss den Dekanatsbezirk, andererseits sind ihm/ihr Aufsichtsaufgaben im Dekanatsbezirk übertragen. Die Aufsichtstätigkeit des Dekans/der Dekanin ergänzt und unterstützt die Aufsicht durch den Landeskirchenrat (Art. 66 Abs. 2 Nr. 6 KVerf).
4.Die Kirchenkreise
Die Kirchenkreise sind Visitationsbezirke. Rechtspersönlichkeit und eigene Organe besitzen sie nicht. An der Spitze des Kirchenkreises steht ein Oberkirchenrat bzw. eine Oberkirchenrätin als Mitglied des Landeskirchenrates, der/die im jeweiligen Kirchenkreis die Amtsbezeichnung Regionalbischof bzw. Regionalbischöfin führt (Art. 64 Abs. 1 S. 2 KVerf). Dem Oberkirchenrat bzw. der Oberkirchenrätin im Kirchenkreis obliegen im Wesentlichen bischöfliche Aufgaben (vgl. Art. 64 Abs. 3–5 mit Art. 61 KVerf).
Die Zahl der Kirchenkreise ist in der Kirchenverfassung nicht festgelegt. Nach dem Kirchengesetz über die Einteilung des Gebietes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in Kirchenkreise vom 7. April 1987 (RS 327) bestehen z. Z. sechs Kirchenkreise.
Die Sitze der Oberkirchenräte bzw. Oberkirchenrätinnen der derzeit bestehenden Kirchenkreise sind Ansbach, Augsburg, Bayreuth, München, Nürnberg und Regensburg.
Es umfassen (jeweils mit dem Stand vom 31. Dezember 2017)
–der Kirchenkreis Ansbach/Würzburg 19 Dekanatsbezirke mit rd. 395.000 Gemeindegliedern,
–der Kirchenkreis Augsburg 7 Dekanatsbezirke mit rd. 268.000 Gemeindegliedern,
–der Kirchenkreis Bayreuth 15 Dekanatsbezirke mit rd. 430.000 Gemeindegliedern,
–der Kirchenkreis München 7 Dekanatsbezirke und (im Dekanatsbezirk München) 6 Prodekanatsbezirke mit rd. 494.000 Gemeindegliedern,
–der Kirchenkreis Nürnberg 10 Dekanatsbezirke und (im Dekanatsbezirk Nürnberg) 5 Prodekanatsbezirke mit rd. 509.000 Gemeindegliedern,
–der Kirchenkreis Regensburg 8 Dekanatsbezirke mit rd. 275.000 Gemeindegliedern.
5.Verfasste Kirche und freie Träger
Die beschriebene Gliederung der ELKB repräsentiert mit den Einrichtungen und Diensten einschließlich der Anstalten und Stiftungen, die in Trägerschaft einer der genannten kirchlichen Körperschaften stehen, die verfasste Kirche.
Daneben gibt es eine Vielzahl rechtlich selbstständiger Einrichtungen, die als sog. freie Träger formalrechtlich und unmittelbar nicht unter dem Dach der verfassten Kirche stehen und meist in Form des eines privatrechtlichen Vereins organisiert sind. Indes stellen auch sie ganz wesentliche Lebensäußerungen der Kirche dar und haben einen herausragenden Anteil an der Erfüllung des umfassenden kirchlichen Auftrages. Beispiele dafür sind das Diakonische Werk in Bayern e. V. und die ihm angeschlossenen Untergliederungen und der Evangelische Presseverband in Bayern e. V.; näher dazu u. § 53.
Nach Art. 40 KVerf stehen auch die rechtlich selbstständigen Einrichtungen und Dienste unter dem Schutz der Fürsorge der ELKB und sind deren Leitungsorganen verantwortlich. Als Lebensäußerungen der Kirche und dieser auf die beschriebene Weise zugeordnet, haben somit auch diese Einrichtungen und Dienste ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform teil am Selbstbestimmungsrecht und der Autonomie der Kirche im Sinne von Art. 140 GG/Art. 137 Abs. 3 WRV.2
Um als freie kirchliche Träger gelten zu können, bedürfen freie Rechtsträger der förmlichen Zuordnung zur ELKB, die im Falle von Diakonievereinen über das Diakonische Werk der ELKB, in anderen Fällen durch Entscheidung des Landeskirchenrates erfolgt (vgl. Zuordnungsgesetz.EKD und Zuordnungsausführungsgesetz der ELKB – RS 4; näher dazu u. § 50).
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