Finderglück. Johannes Saltzwedel
um den Vorteil derartiger Hilfen einzusehen. Vermutlich jedoch nehmen viele, für die das digital gespeicherte Dokument zum Regelfall geworden ist, abweichende Schreibarten, hinter denen ja sprachlich-geistige Identitäten und Traditionen stehen, nicht einmal mehr wahr. Da nennt ein Internet-Antiquar aus Texas, immerhin jemand, der mit bejahrtem Schrifttum seinen Lebensunterhalt verdient, den Druckvermerk seiner Angebote regelmäßig ihr »Copywrite«– das Festhalten des Lauts genügt, für akkurateren Umgang mit den kulturellen Zeichen fehlen halt Zeit, Kenntnis, Stil und Aufmerksamkeit. Manche Schreibprogramme sorgen darum mit Hilfe eines überwachenden Algorithmus zumindest im Wortschatz von Geschäftsbriefen für Einheitlichkeit. Es könnte ja sein, daß der, an den der Brief geht, ausnahmsweise sensibel geblieben ist und die weltweite orthographische Anarchie noch nicht seufzend oder achselzuckend hingenommen hat. Die meisten haben es längst; wirkt doch der Grundsatz, Ausdruck und Gedanke stünden in Beziehung, angesichts des blinkenden Schwalls von Nebeneinander im Internet so rührend antiquiert wie die Bemerkung, durch historische Erfahrung wollten »wir« ja »nicht sowohl klug (für ein andermal) als weise (für immer)« werden.
Jacob Burckhardt, der so sprach, hielt Wandlung für das Wesen der Geschichte. Wem der unausgesetzte, ins Vergrauen übergehende Wechsel digitaler Information zur normalen Erscheinungsart seiner Wahrnehmung und seines Wissens geworden ist, könnte davon substantieller verändert werden, als daß ihm nur die überkommene Schreibung von ein paar Wörtern gleichgültig wird. Er könnte auf längere Sicht den Sinn für Wandlung, für Schicksal, für das Werden im Vergehen überhaupt verlieren: Wem Folge fehlt, kommt auch Folglichkeit abhanden. Sich selbst höchstens als Knoten in einem unabsehbaren Schaltplan von Zuständlichkeiten sehend, kann ihm seine ästhetische Einstellung kontingent, optional, formfrei und maßstablos werden. So steigert der Abschied vom Sequentiellen die Krise der ästhetischen Subjektivität und nährt das Verlangen nach Überzeugungen.
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