Schuld ohne Reue. Günther Drutschmann

Schuld ohne Reue - Günther Drutschmann


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und ich bekamen einige Kostproben davon.«

      »Und du?«, fragte Rachel, »wirst du deine Kinder auch so durchprügeln, sollten sie anderer Meinung sein als du?«

      »Nein«, entgegnete er mit Bestimmtheit«, das werde ich nicht tun. Ich denke nicht wie Vater und seine Generation. Wie ich schon sagte, ich bin auch für Autorität und Gehorsam, aber alles mit Maß und Ziel. Im Studium kam ich mit den Ideen von Karl Marx und Engels in Berührung und war in einem Kreis liberaler Studenten. Ich glaube nicht, dass Prügel einen Menschen besser macht und ein Kind schon gar nicht. Spricht nicht dieser Sigmund Freud von frühkindlichen Traumen. Was für eine Gesellschaft ist das, in der die Kinder schon früh durchgeprügelt werden, was wird aus ihnen?«

      »Liebe und Geborgenheit gepaart mit Verständnis sind wichtiger als Prügel und blinder Gehorsam«, pflichtete Rachel ihm bei, »und außerdem bin ich dafür, dass wir Frauen das Wahlrecht bekommen. Darin bin ich mit Frau Trotz von unter uns einig, sie sieht das auch so.«

      »Jaja, ihr Frauen«, schmunzelte Jaakov, »da seid ihr euch einig. Aber Unrecht habt ihr nicht. Warum sollten Frauen nicht das Wahlrecht bekommen, wenn sie schon studieren dürfen oder als Lehrerinnen und Erzieherinnen tätig sind. Aber in unserer derzeitigen Gesellschaft werdet ihr lange darauf warten müssen. Oder glaubst du wirklich, dass diese aristokratischen preußischen Eisenfresser euch das gewähren würden?«

      »Sicher nicht«, lachte Rachel, »willst du Kaffee und einen Cognac?«

      »Gerne lieber Schatz und eine Zigarette dazu«

      Er umfasste sie und gab ihr einen Kuss.

      1.

      Die Küche war blitzeblank. Kindergeschrei drang aus irgendeinem Zimmer der Wohnung.

      Anna stürmte in die Küche und murmelte:

      »Es kocht, oh je, oh je.« Dann lüftete sie den Deckel.

      Michael blätterte seine Zeitung um und hieb sie mit der Hand glatt. Ein Geräusch, das stets anzeigt, wie sehr der Mensch doch Herr seiner Zeitung ist.

      Die Schranktüre des Küchenschranks knarrte, als sie geöffnet und wieder geschlossen wurde.

      Teller klapperten und fanden erst Ruhe, als sie ihren Platz auf dem Tisch fanden. Besteck schepperte. Michael legte seine Zeitung zusammen und schaute auf die Uhr. Dann sah er Anna an.

      «Na, wie ist es? Es dauert heute ziemlich lange, bis wir zu Abend essen können.«

      Anna stach mit einem Messer in die Kartoffeln und meinte lakonisch.

      »Du bist heute zu früh vom Dienst erschienen.«

      Michael schlug seine Zeitung wieder auf und meinte nur. »Hm, hm.«

      Er hatte einen ausgeprägten Ordnungssinn. Die Mahlzeiten mussten pünktlich erfolgen, er hasste Nachlässigkeiten. Das war gegen die heilige Ordnung.

      Die Kinder stürmten in die Küche, der fünfjährige Peter als ältester der Kinderschar voran, ihm folgend die vierjährige Wilhelmine, genannt Minchen und der dreijährige Wolfgang, genannt Wolfi. Im Schlafzimmer der Eltern schlief der Jüngste der Schar, der gerade geborene Franz.

      Anna setzte die Kinder auf ihre Stühle und ermahnte sie, brav zu sein. Michael schaute stirnrunzelnd auf die Unruhe neben sich und die Kinder verstummten langsam. Nur Minchen hampelte noch etwas herum. Michael war stolz auf seine gut geratenen Kinder, sowie er stolz auf seine Familie war.

      »Minchen, hampele nicht so herum und sitz stille«, ermahnte er sie stirnrunzelnd.

      Minchen schien das nicht zu stören und turnte weiter auf ihrem Stuhl herum. Michael stand wortlos auf, ging zu ihr hin und verabreichte ihr zwei kräftige Ohrfeigen, das es nur so klatschte. Sie begann zu heulen und die anderen beiden schauten erschreckt und stumm auf ihre Teller.

      »Ich sage euch das nur einmal«, meinte Michael. »Danach bekommt ihr, was ihr verdient.«

      Die Buben hatten das schon frühzeitig verstanden nur Minchen tanzte immer wieder aus der Reihe. Sie war mit ihren vier Jahren ein aufgewecktes Mädchen, das eine sehr gute Auffassungsgabe besaß, allerdings auch ein recht ungezügeltes Temperament. Das hatte sie von Michael geerbt, der schnell aufbrausen, sich aber auch wieder genauso schnell beruhigen konnte.

      Minchen hatte sich von dem Schreck erholt und trocknete ihre Tränen. Sie sah den Vater böse an.

      »Du bist böse«, meinte sie trotzig.

      Die Buben erstarrten, Michael ebenso. Anna erwiderte schnell.

      »Minchen lass das, sei still und halte den Mund.«

      Michael stand schweigend auf, ging zu Minchen und zerrte sie von ihrem Stuhle. Er schleifte sie auf seinen Platz, legte sie über sein Knie und begann, auf sie einzuschlagen. Anna stand stumm daneben, es hatte jetzt keinen Sinn, dazwischen zu fahren. Sie missbilligte auch Minchens Verhalten auf das Entschiedenste, aber mit dieser Prügelei war sie nicht einverstanden.

      Michael schlug hart zu und Minchen heulte ab und zu auf, dann weinte sie ziemlich heftig. Blut floss aus ihrer Nase.

      Anna sah das und sagte jetzt resolut zu Michael. »Nun ist es genug, sie blutet aus der Nase, willst du sie umbringen?«

      »Sie muss lernen, gehorsam zu sein, alle Kinder müssen das.«

      Er versetzte ihr noch einige Hiebe und ließ von ihr ab. Anna nahm sie bei der Hand und führte sie ins Kinderzimmer. Sie wischte ihr das Blut ab, zog ihr das Nachthemd an und legte sie in ihr Bett. Sie weinte leise und sah trotzig auf die andere Seite des Raumes, als Anna ihr einen Gute-Nacht-Kuss geben wollte.

      Was soll man mit diesem Kind anfangen, dachte Anna, sie ist ein Trotzkopf und hat den harten Schädel ihres Vaters. Wolfi ist zwar ein kleiner Schreihals, aber wie Peter gut zu lenken. Peter ist der ruhigste und ausgeglichenste der kleinen Schar. Ob sie das im naheliegenden Kindergarten bei den Schwestern im Böhmerklösterchen lernt. Mit Sicherheit nicht, die Schwestern sind lieb und achten auf Disziplin.

      Anna war keine zärtliche Mutter und achtete wie Michael bei der Erziehung auf Gehorsam und Disziplin. Wer nicht gehorchte, konnte schon einmal auch von ihr eins hinter die Löffel bekommen. Aber die harte Prügelei von Michael gefiel ihr nicht. Anna hatte noch zwei Schwestern und zuhause war es auch streng zugegangen, aber geschlagen hatte der Vater sehr selten. Michael schlug bei der kleinsten Gelegenheit zu, sehr wahrscheinlich war es bei ihnen zuhause in dem kleinen Nest auch so zugegangen.

      Die Bauern haben kein Feingefühl, sinnierte sie. Die schlagen direkt mit der Mistgabel zu.

      Anna mochte das bäuerliche Leben nicht, sie fühlte sich als Städterin und war sehr stolz darauf. Ihr Vater war königlicher Postillion[4] gewesen, stolz und sehr selbstbewusst. Die Mutter stand vor der Heirat in Dienst als Hausmädchen bei einer gräflichen Familie. In ihrem Elternhaus wurde sehr auf Formen geachtet, man sprach hochdeutsch und das verlangte Anna auch von ihren Kindern. In diesem Punkt sah sie sich einig mit Michael, der ebenfalls ein einwandfreies Hochdeutsch sprach.

      Michael war ein guter Kerl, aber in punkto Kindererziehung unerbittlich. Dieses Thema sorgte für die ersten größeren Spannungen in der jungen Familie. Er verlange von seiner Frau und den Kindern absoluten Gehorsam. Die Kinder konnte er durchprügeln, Anna jedoch nicht. Sie war resolut, selbstbewusst und wusste sich ausgezeichnet zu wehren. Sie versuchte, ihren Michael auf etwas sanftere Bahnen zu lenken. Mit recht magerem Erfolg.

      Er war von Hause aus zu patriarchalisch eingestellt, das konnte man aus dem Bauernschädel nicht mehr herausbekommen, so verstädtert er auch sonst inzwischen war.

      Sie überließ Mine ihrem Schmerz und Trotz und ging in die Küche zurück. Dort herrschte eisiges Schweigen. Die Buben senkten die Köpfe und aßen schweigend. Auch Michael sagte kein Wort.

      Anna nahm die beiden Kinder an der Hand und führte sie ins Kinderzimmer. Sie ermahnte


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