Chronik von Eden. D.J. Franzen

Chronik von Eden - D.J. Franzen


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mithalten konnte. Das Gewitter hatte sich inzwischen verzogen, aber der Regen und der schrille Gesang der Sirenen waren geblieben. Rechts zog an Frank der Rhein vorbei, und immer wieder sah er, wie vereinzelte Reanimierte es ans Ufer schafften. Er wagte es nicht, zurückzublicken, ahnte aber, dass die unheimliche Streitmacht der Zombies, angeführt von seinem speziellen Freund Hausmeister Krause, ihnen auf den Fersen war.

      Unaufhaltsam.

      Schweigend.

      Sie passierten die Severinsbrücke und liefen am deutschen Sport- und Olympiamuseum vorbei. Frank sah aus dem Augenwinkel hinter den Fenstern Bewegungen, hörte trotz seines rasselnden Atems das Klopfen von toten Händen, sah gierig aufgerissene Münder mit fauligen Zähnen und die hilflose Wut über ein Schicksal, dass die hungrigen Untoten von den leckeren Häppchen fernhielt, die da unten um ihr Leben rannten.

      Verdammt, da drin gab es noch mehr von denen!

      Hoffentlich hielten die Türen!

      Plötzlich zischte ein Fauchen über den Himmel. Ein Geräusch so erschreckend in diesem Augenblick und zugleich doch so schön in seiner Erinnerung an bessere Zeiten, dass sogar Sandra stehen blieb und in den verregneten Himmel spähte.

      Über Köln schoss ein Düsenjäger der Einsatzkräfte im Tiefflug hinweg!

      Frank und Stark schlossen zu ihr auf.

      »Ob es noch Hoffnung gibt?«, fragte Stark, während er dem Flugzeug hinterher sah. Sandra schüttelte den Kopf.

      »Wegen eines einzigen Flugzeugs am Himmel? Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und ein einzelner Düsenjäger am Himmel ist noch keine Hilfe.«

      Frank drehte sich um und sah zum Rheinufer hinab.

      »Leute, ich würde vorschlagen, unser kleines Sit-in zu vertagen. Wir bekommen Besuch.«

      Sandra und Stark drehten sich ebenfalls um. Die Horde Zombies, mit Hausmeister Krause an der Spitze, hatte inzwischen gewaltige Ausmaße angenommen. Sie liefen nicht, aber sie waren trotzdem schnell und ungewöhnlich sicher unterwegs.

      »Möge der Herr uns beistehen! Das ist eine Armee der Untoten«, hauchte Stark und bekreuzigte sich.

      Frank verkniff sich einen Kommentar und lief los. Schweigend lief Sandra hinter ihm her und nach einem letzten Blick auf die Horde Zombies folgte Stark ihnen.

      Kapitel IX - Die Kinder

      Die Kinder gingen in einer Reihe durch die Kirche. Nach wie vor hielten sie sich an den Händen. Rosi, die jetzt an der Spitze der Kette ging, hatte die Augen weit aufgerissen, während die anderen ihre in tiefer Konzentration geschlossen hielten. Die Finger der Kinder waren mit solcher Intensität ineinander verkrallt, dass die kleinen Knöchel wie weiße Spitzen aus ihren Handrücken hervortraten. Die Zeit in der Kirche schien stillzustehen, während unbekannte Kräfte dunkel um die kleine Gruppe aus Flüchtlingen waberten.

      Rosi war ihr Fokus, Rosi war Augen und Ohren für sie.

      Ein unglaublicher Kraftaufwand, der seine Spuren an dem kleinen Mädchen hinterließ. Ihr dunkles Haar bekam allmählich weiße Strähnen und aus ihren Augenwinkeln flossen blutige Tränen. Hinter den Kindern lagen verdrehte und zerschmetterte Körper vor dem Altar und über den Bänken. Vor ihnen standen mehrere Zombies, die zwischen Gier und Unbehagen wankten.

      »Lasst uns passieren«, sagte Rosi mit einer Stimme, die wie ein atonaler Chor aus mehreren Kinderstimmen klang. Die Zombies reagierten nicht, neigten nur wie fragend ihre Köpfe zur Seite.

      »Lasst uns passieren«, wiederholte Rosi mit der merkwürdigen Stimme ihren Befehl. Die Zombies wichen zurück. Langsam. Dann schwang die Tür des Gotteshauses auf. Ein Zombie in der Kampfuniform der Einsatzkräfte stand dort. Sein Gesicht war zu einem zähnefletschenden Grinsen verzerrt. Rosi zuckte zurück, als Gerhards Geist in der Kette ihrer verbundenen Bewusstseine aufschreckte. Sie konnte die gebündelte Energie ihrer Freunde einen Sekundenbruchteil lang nicht halten. Blitze zuckten durch das Gotteshaus, Bänke klapperten auf dem harten Boden. Die zurückweichenden Zombies wurden von unsichtbaren Fäusten weggeschleudert, zerdrückt, zerrissen. Blut spritzte grausige Muster an die Wände und auf den Boden. Knochensplitter rasten als schreckliche Schrapnells durch die Kirche. Aufstöhnend sank Rosi in die Knie, ließ unbewusst Gerhards Hand los, um den Sturz abzufangen. Die Kette der Energie zerriss. Haltlos fielen die Kinder nacheinander stöhnend zu Boden. Die Anstrengung war zu groß gewesen, forderte ihren Tribut.

      Langsam kam das, was das Virus aus Gerhards Vater gemacht hatte, in die Kirche. Speichel lief sein zähnefletschendes Grinsen herab.

      *

      Franks Beinmuskeln waren glühende Stacheldrähte, seine Lungen fühlten sich trotz der Kälte des Regens so trocken an, dass er befürchtete, sie könnten sich mit jedem nächsten Atemzug selbst entzünden. In seinen Ohren klingelte es. Ob es durch das Heulen der Sirenen oder durch die ungewohnte Anstrengung verursacht wurde, wusste er nicht. Sie waren weiter am Rheinufer entlanggelaufen, hatten die verwaisten Schiffs-Anlegestellen der Köln-Düsseldorfer passiert, waren an der Frankenwerft vorbeigelaufen und standen nun vor einem Hotel direkt am Rhein. Linker Hand würde es zu der Kirche gehen, in der die Kinder sich versteckt hielten. Sandra hatte eine kurze Pause befohlen, da sie mit Widerstand rechnen mussten. Die Hände auf die Knie gestützt und nach Luft ringend, glitt sein Blick den Weg entlang, den sie zurückgelegt hatten.

      Sie waren immer noch da.

      Sie waren noch mehr, als zu Beginn ihrer Hatz.

      Sie mussten sich nicht beeilen, denn sie brauchten keine Pausen.

      Niemals.

      Und das schienen sie zu wissen.

      »Es ist wie ein Rennen zwischen dem Hasen und dem Igel«, keuchte er zwischen zwei Atemzügen. »Je schneller wir laufen, umso mehr Atempausen benötigen wir, und sie können wieder aufholen. Immer weiter und weiter, bis wir irgendwann nicht mehr können.«

      »Es ist nicht mehr weit«, sagte Sandra, die nun ebenfalls schwer atmete. Sie spähte durch den Regen und beobachtete die Zombies. »Ich schätze, die sind noch ungefähr achthundert Meter entfernt. Bis wir in der Kirche sind, die Kinder gefunden und rausgeschafft haben, werden sie ebenfalls da sein.«

      »Also eine Belagerung?«, fragte Stark.

      »Ja, das befürchte ich.«

      Kaum hatte Sandra ausgesprochen, als weitere Düsenjäger über sie hinweg schossen. Stark spähte zur anderen Rheinseite, wo die Jäger hergekommen waren.

      »Was ist das?«, fragte er, und deutete in den Himmel. Kleine Schatten an Fallschirmen segelten auf der anderen Rheinseite zu Boden.

      »Keine Ahnung«, sagte Frank. »Das könnte ...«

      Die Ersten der kleinen Objekte verschwanden in grellen Lichtblitzen. Flammen ergossen sich aus dem Himmel über die Straßen und Häuser, wälzten sich wie feurige Schlangen durch Gassen und Straßen und leckten gierig an der Uferpromenade der anderen Rheinseite. Scheiben zerplatzten unter der Hitze und den Druckwellen, Autos explodierten. Rauchpilze stiegen wie dunkle Fäuste in den verregneten Himmel. Scherben, Unrat und Untote wurden in das plötzlich entstandene Vakuum der Explosionszonen gezogen, wo sie innerhalb von Sekunden zu Asche verbrannten.

      »So endete einst Sodom und Gomorrha«, hauchte Stark. Frank riss sich von dem schrecklichen Anblick los. Er zog den Rucksack von seinen Schultern und drückte ihn gegen die Brust des Pfarrers. Stark sah ihn verständnislos an.

      »Den müssen Sie jetzt eine Weile tragen, Vater.«

      Sandra runzelte die Stirn.

      »Was hast du vor?«

      »So haben sie auch Paris und München versucht zu desinfizieren. Dort waren es aber größere Kaliber, wenn ich die wenigen Bilder aus dem Fernsehen noch richtig im Kopf habe. Das sind thermobare Sprengsätze. Nicht radioaktiv, aber am Ground Zero fast genauso heiß wie eine kleine, taktische Atombombe. Entweder gehen die Vorräte zur Neige oder sie wollen so viele wie möglich zu


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