Chronik von Eden. D.J. Franzen

Chronik von Eden - D.J. Franzen


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erspürte Martins Geist.

      Martin, der sie von dem Knirscher ohne Beine weggezogen hatte. Martin, der ihr Retter war, ihr Prinz und Ritter ohne Rüstung.

      Mit einem Lächeln fiel sie schließlich in einen traumlosen Schlaf.

      Und in ihrem Bein breitete sich etwas aus, das mit dem Speichel des Knirschers in ihren Blutkreislauf geraten war.

      Sie sah nicht den dunklen Schatten, der sich in dem Zimmer ausbreitete, spürte nicht die Kälte, die sich plötzlich breit machte, hörte nicht das leise Lachen, das durch den Äther der Gedanken wehte, wie ein eisiger Nordwind.

      »Meine Kleine. Ich sagte dir doch, dass ich dich kriegen würde. Du wärst eine gute Sergeantin für meinen vermummten General.«

      Die Kälte wich aus dem Zimmer, der Schatten verschwand allmählich.

      »Noch nicht sofort, meine Kleine. Aber bald. Sehr bald.«

      Kapitel X - Nachtwache

      Martin konnte nicht schlafen. Pfarrer Stark lag mit ihm zusammen in einem Zimmer, direkt neben dem, in dem sie die Kinder untergebracht hatten. Der Pfarrer schnarchte. Leise zwar, aber Martin bekam dennoch kein Auge zu.

      Leise stand er auf und nach den Kindern. Sie schliefen. Das war gut. Sie hatten viel mehr durchgemacht als Kindern in ihrem Alter zugemutet werden sollte. Ein wenig Ruhe würde ihnen helfen, die kommenden Strapazen besser zu verarbeiten.

      Sein Blick glitt noch ein letztes Mal über die schlafenden Kinder hinweg, dann ging er leise zu der Treppe, die ihn nach oben führen würde. Sandra hielt auf der Dachterrasse Nachtwache. Vielleicht könnte er sie ja ablösen?

      Als Martin das große Gästezimmer im obersten Geschoß des Hauses erreichte, sah er Sandras Umriss im fahlen Licht der Sterne. Der Regen hatte aufgehört und dichte Rauchwolken zogen von Köln aus über das Land. Martin trat auf die Terrasse und Sandra drehte sich um. In diesem Moment zog eine dichte Wolke direkt über sie hinweg und für einen Augenblick konnte Martin die Hand nicht vor Augen sehen. Der Wind trug das scharfe Aroma ferner Feuer durch die Dunkelheit.

      »Was willst du?«, flüsterte Sandra.

      »Ich kann nicht schlafen.«

      Die Wolke zog vorüber und gab das Licht der Sterne wieder frei. Martin sah, das Sandra offenbar geweint hatte.

      »Alles okay?«

      Sandra drehte sich wieder um, blickte in Richtung Köln und nickte.

      »Ja.«

      Martin trat näher an die Brüstung der Terrasse heran, stellte sich neben Sandra und folgte ihrem Blick. Für einen verrückten Moment fühlte er sich wie der Kapitän eines aufgetauchten U-Bootes. Im Turm stehend und die nächtliche See nach Feindbewegung absuchend. Aus dem Augenwinkel bemerkte er einen kurzen Lichtreflex.

      Sandras Waffe.

      Wenn hier einer der Kapitän war, dann sie. Martin lächelte still in sich hinein. Dann würde ihm vielleicht noch der Posten des Ersten Offiziers bleiben.

      »Kommst du zurecht?« Sandras Stimme riss Martin aus seinen Gedanken. Verwirrt sah er sie von der Seite an. »Was meinst du?«

      Sandra sah zu ihm auf und ihrem Blick lag etwas, das Martin frösteln ließ.

      »Ich meinte das eben ernst. Wenn du deine Sucht nicht in den Griff bekommst, bist du raus.«

      »Will sagen?«

      Sandra hob als Antwort nur ihre Waffe leicht an.

      »Es würde schnell gehen. Ich würde dich nicht denen da draußen überlassen.«

      Martin lächelte säuerlich.

      »Sehr beruhigend.«

      »Mehr kann ich dir nicht bieten. Ich habe jetzt die Verantwortung für einen Haufen Kinder. Stark ist zwar ein respektabler Kämpfer, aber im Grunde hilflos. Frank ist ...« Sandra stockte. Martin bemerkte in ihren Augen ein verräterisches Glitzern, das sie versuchte wegzublinzeln. »Er hat alles gegeben, um die Kinder zu retten. Und er hat mich gerettet. Wenn das also meine Aufgabe in dieser Welt ist, die Kinder irgendwie in Sicherheit zu bringen, dann nehme ich sie an. Ich werde sie an einen sicheren Ort führen, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.«

      Verstehen keimte in Martin.

      Sandra stand unter Schock. Und sie brauchte einen Anker, um sich aufrecht zu halten. Die Kinder waren dieser Anker, Stark und er nur die Glieder der Kette, die diesen Anker hielten. Würden sie zu schwach, um mit dieser Belastung fertig zu werden, würde Sandra sie ohne mit der Wimper zu zucken töten.

      »Gut. Ich verstehe«, flüsterte Martin. »Und wie soll es weitergehen? Wohin willst du mit uns ziehen?«

      »Nach Nörvenich. Die Flieger, die Köln desinfiziert haben, müssen ja irgendwo landen.«

      »Warum dann nicht der Flughafen Köln-Bonn?«

      »Glaubst du allen Ernstes, die Einsatzkräfte hätten ein derartig großes und offenes Areal zur zombiefreien Zone machen können?«

      Ein gutes Argument, fand Martin.

      »Du hast Recht. Aber das wird ein ziemlich langer Fußmarsch bis nach Nörvenich.«

      Sandra starrte in die Dunkelheit.

      »Ja.«

      »Wir haben kaum Vorräte geschweige denn Wasser.«

      »Ja.«

      »Das wird ein hartes Stück Arbeit werden.«

      »Ich weiß. Aber ich sehe keine andere Möglichkeit.«

      Martin atmete tief durch.

      »Na gut. Du bist der Boss. Leg dich hin und schlaf etwas, ich übernehme.« Sandra sah ihn fragend an. »Unausgeschlafen nutzt du uns nichts«, fügte Martin hinzu.

      »Ich kann nicht schlafen.«

      »Dann leg dich einfach nur hin und ruhe dich aus. Du kannst mir vertrauen.«

      »Das wird sich noch zeigen müssen. Außerdem ...« Sandra stockte, atmete tief durch und sah auf die Straße, die sie morgen nehmen würden. »Ich glaube, wir werden beobachtet. Jemand lauert auf uns.«

      Martin legte ihr zögernd eine Hand auf die Schulter.

      »Dann lass uns beide gemeinsam Wache halten. Ich kann nämlich auch nicht schlafen.«

      Kapitel XI - Luzifer, das Licht im Dunkel

      Auch Patrick Stark träumte. Doch wo Gabi die Geschehnisse der Vergangenheit erneut durchlebte, wanderte der Geist des Pfarrers im Traum durch eine tiefe Dunkelheit. Seine Traumhände zur Seite gestreckt, kalte Wände der Ewigkeit berührend, schritt er immer tiefer einen endlosen Gang der Finsternis entlang. Sein Ich murmelte leise das Vaterunser, das ihm auch im echten Leben immer ein Leitfaden und Trost war.

      Stark verspürte keine Angst in seinem Traum, nur eine endlose Traurigkeit, die ihm fast die Luft zum Atmen nahm und seine geistige Stimme beinahe in Tränen erstickte.

      Plötzlich weitete sich der enge Gang vor ihm, und an seinem Ende wuchs ein Licht immer stärker an. Im Traum verstärkte Patrick seine Bemühungen aus dem Tunnel zu kommen. Das Licht kam näher und wurde dabei immer größer. Schließlich hüllte es ihn vollkommen ein.

      Der dunkle Gang war verschwunden.

      Es gab nur noch das Licht, Patrick und ... eine Gestalt, die sich langsam aus dem Licht herausschälte.

      Stark sah einen Körper, so unirdisch schön, dass allein der Anblick lange vergessen geglaubte Gefühle in ihm wachrief. Er sah Augen, die so unendlich weise und gütig auf ihn niedersahen, dass er am liebten auf die Knie gesunken wäre.

      »Bitte nicht«, erklang eine Stimme wie tausend klare Glocken. »Du sollst nicht vor mir knien, mein Kind.«

      Im


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