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Es befördert jemanden, der zuvor auf die »Gratis-Medizin« für die dumpfe Masse angewiesen war, zum Patrizier, der sich etwas Besonderes gönnt.

      Beim Thema Granderwasser kommt – zumindest in Mittel­europa – noch ein Aspekt dazu. Wir sind in der glücklichen Lage, aus der Leitung Trinkwasser beziehen zu können, um das uns vermutlich 99 Prozent der Weltbevölkerung beneiden. Sauberes, einwandfreies Trinkwasser ist ein Privileg, dessen wir uns ebenso wenig bewusst sind wie des Privilegs einer umfassenden Versorgung mit medizinischer Versorgung auf höchstem Niveau. Wer sich damit ostentativ nicht zufrieden gibt, der signalisiert, egal ob mit Granderwasser für den Haushalt oder mit der Bioresonanzanalyse, Globuli oder teuren und sinnlosen Vitaminpräparaten: Das Gute genügt mir noch lange nicht.

      Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Grander nimmt seine Kunden in Geiselhaft. Wer Tausende Euro für »Grander-Technologie« ausgibt, wird das Produkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch verteidigen. Alles andere würde ja bedeuten: Ich habe mich übers Ohr hauen lassen, ich bin auf einen Humbug reingefallen. Auf der Webseite Granders werden zahlreiche Gemeinden angeführt, die in den Schwimmbädern ihrer Kommunen Granderanlagen installiert haben. Sie erzählen wahre Wunderdinge: Die Gäste gingen nun viel lieber ins belebte Wasser, das fühle sich jetzt so geschmeidig an auf der Haut, der Bedarf an Chlor habe deutlich abgenommen. Was sollten die Bürgermeister oder sonstige Verantwortliche sonst sagen? »Es tut uns leid, wir haben öffentliches Geld ausgegeben für eine nutzlose Anlage?«

      Genauso wirken die Referenzen der Fakemedizin, und hier geht es um mehr als um Geld. Wer auf Fakemedizin vertraut, wird in der Regel von positiven Effekten berichten. Alles andere würde bedeuten: »Da geht es um meine Gesundheit, und ich Dummkopf habe ernsthaft geglaubt, dass mir die irren Versprechen eines Scharlatans helfen.«

      Noch ein Detail am Rande: Das Unternehmen Grander hatte und hat auch in Krankenhäusern bei der Vermarktung einigen Erfolg. Bis vor wenigen Jahren fand man in Broschüren und auf den Webseiten der oberösterreichischen Landeskrankenhäuser den stolzen Hinweis, dass das Trinkwasser im Haus »gesundes Granderwasser« sei. Mittlerweile – und nach einigen kritischen Berichten der Stiftung Gurutest – sind alle diese Hinweise verschwunden.

      Die Schaffung eines Marktes

      Ich erinnere mich gern an meine Kindheit zurück und sogar an kleine Krankheiten. Sie sicherten mir die Zuwendung der Eltern. Wenn ich an Husten litt, bereitete mir mein Vater »Zwiebel­schmalz« zu – in der Pfanne in Schmalz geröstete Zwiebeln. Das ölige Extrakt schmierte er mir auf die Brust, die ätherischen Ausdünstungen der heißen Zwiebel habe ich bis heute in der Erinnerung meiner Nase abgespeichert, ebenso den Geschmack der heißen und öligen braunen Schoten, deren Überreste ich aus der Pfanne mit Schwarzbrot und Salz naschen durfte. Wenn ich mir den Knöchel verstauchte, wickelten mir die Eltern in Essig getunkte Tücher um den Fuß. Bei Fieber wurde mein Hals in kalte Topfenwickel gehüllt. Zum Arzt oder in die Apotheke gingen meine Eltern nur dann, wenn es wirklich pressierte, und das war Gott sei Dank nur selten. Ich wuchs mit »Traditioneller Europäischer Heilkunde« auf, die aber keiner so nannte und an der niemand verdiente. Mit Zwiebel, Essig und Topfen für Kranke lässt sich nicht das große Geld machen.

      Die Marketingstrategen der pharmazeutischen Industrie haben das erkannt und in ihren Strategiesitzungen vermutlich so dargestellt: ein Tortendiagramm, bei dem zwei Drittel der Fläche mit den Begriffen »keine Medizin bzw. traditionelle Hausmittel« belegt waren und ein Drittel mit den Begriffen »Pharmazeutika, Arztbesuch etc.«. Alsdann haben die klugen Köpfe beschlossen, das große Tortenstück, das mit »keine Medizin bzw. traditionelle Hausmittel« beschriftet war, bestmöglich zu erobern. Im Marketingsprech heißt das: Das Marktsegment sei zu kommerzialisieren. Die traditionellen Heilmittel sollten durch ein kommerzielles Angebot ersetzt werden. Die Zielgruppe muss beim Konsum des Angebots das Gefühl haben, die Sache durchschaut zu haben und besonders intelligent zu handeln.

      Und das ist in den letzten Jahrzehnten gelungen. Heute wickeln Mütter und Väter bei kleinen Blessuren keine Essigtücher um die Knochen ihrer Kinder, und sie rösten keine Zwiebel mehr, wenn die Kinder husten. Heute pilgern sie in die Apotheke und kaufen homöopathische Arnica C 30 bei kleinen Verletzungen oder teure Vitaminpräparate, um das Immunsystem gegen den Ansturm der Viren und Bakterien vermeintlich zu stärken.

      In meinem Freundes- und Bekanntenkreis habe ich es erlebt. Wer auf »Alternativmedizin« schwört, verteufelt die Pharmaindustrie, wann immer es geht, und geht gleichzeitig bei ihr shoppen. Niemand gibt derart viel Geld aus für den Tand pharmazeutischer Unternehmen als jene, die über Big Pharma schimpfen.

      1 E.E. Evans-Pritchard, Witchcraft, Oracles and Magic among the Azande, Oxford, 1937

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